Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Politiker können al les. Das Problem dabei ist: Nur sie selbst sehen es so. Dem Bürger selbst wird es nur alle paar Jahre nahegebracht, näm lich dann, wenn nach Wahlen ein wildes Revirement der Res sorts veranstaltet wird und man sieht, dass völlig fremde Sach bereiche zusammen- oder auseinandergewürfelt werden. Die Bürger registrieren das dann mit großer Verwunderung – aber die Zeit geht ja darüber.
Das hat eine lange Tradition. Schon vor einem halben Jahr hundert gab es einen Innenminister Höcherl, der vom Innen ressort zum Landwirtschaftsressort migrierte. Ich habe ihn deshalb herausgesucht, weil er mit der Aussage berühmt wur de, die Beamten könnten nicht den ganzen Tag mit dem Grund gesetz unter dem Arm herumlaufen. Aktuell haben wir eine Bundesministerin, die vom Frauenministerium ins Verteidi gungsministerium katapultiert wurde. Jetzt haben wir eine Ar mee mit Kinderbetreuung, allerdings wenig abwehrbereit.
Gemessen an diesen Gepflogenheiten des Bundes sind die Ressortverteilungen hier in Baden-Württemberg auf den ers ten Blick geradezu bodenständig.
Wer sollte sich da noch an Kleinigkeiten stören, z. B. dass dem Justizministerium – für uns schwer nachvollziehbar – der eu ropapolitische Bereich zugeschlagen und ihm dann noch die schwere Last des Tourismussektors aufgebürdet wurde? Ir gendwo kommt einem dann in den Sinn, dass das alles mehr mit Koalitionsarithmetik zu tun hat als mit sachlichen Bezü gen.
Hier, meine Damen und Herren, setzt unsere Kritik an. Es ist schon fraglich, dass Ressorts hin- und hergeschoben werden, nur damit sich keiner der Koalitionspartner benachteiligt fühlt. Finanzielle Abwägungen oder gar sachliche Fragen treten da bei anscheinend in den Hintergrund. Es erschließt sich uns nicht, warum manche Ministerien plötzlich umgebaut werden, die scheinbar über Jahre hinweg gut gearbeitet haben.
Da wird beispielsweise der Naturschutz – das wurde jetzt noch nicht genannt –, ein zentraler Bereich bei der Ausgestaltung
Wenn die CDU weiterhin die Interessen des ländlichen Raums vertreten will, sollte sie sich das nicht aus der Hand nehmen lassen.
Hier werden Ministerien aus Prestigegründen und Parteiinte ressen zerrissen; praktische Überlegungen treten in den Hin tergrund.
Auch wenn wir die Abschaffung des eigenständigen Integra tionsministeriums befürworten, verwundert es vor dem Hin tergrund der gestrigen Debatte dennoch, dass das Ressort In tegration nun gerade ins Sozialministerium eingegliedert wur de. Gestern war man sich hier im Haus noch einig, dass Inte gration ein Thema über alle Ressorts – angefangen beim Ar beitsressort – ist. Dies betrifft natürlich auch die Sozialpoli tik, aber nicht nur. Integration kann nicht nur die Einschleu sung in Sozialsysteme bedeuten.
Die Aufteilung der Ressorts und die Aufteilung der Zustän digkeiten erfolgte hier – zumindest in Teilen – nach parteipo litischen Interessen und nicht nach rationalen Überlegungen, die auch den Bürgern dienen. Bei einer solchen Schwerpunkt setzung kann das von uns nicht mitgetragen werden.
Herr Präsident, sehr geehrte Abgeordnete! „Ministerium für Allerlei“ titelte die „Süddeutsche Zeitung“, „Bizarr“ nennt es die „Badische Zei tung“, „Der Justizminister – größter Hotelier des Landes“ schreibt die „Stuttgarter Zeitung“ und greift dabei eine Aus sage von Günther Oettinger auf. Das Zusammenlegen der Be reiche Tourismus und Justiz sorgt bei vielen für Kopfschüt teln, selbst in den eigenen Reihen der CDU. Herr Strobl – lei der gerade nicht da – erntete von den Journalisten höhnisches Gelächter, als er kürzlich sagte – wörtliches Zitat –:
Aber so abwegig ist das tatsächlich vielleicht gar nicht. Ka barettist Volker Pispers hat einmal durchgerechnet, wie viel wir pro Monat für die Unterbringung von Häftlingen in unse ren Justizvollzugsanstalten zahlen, und kam zu dem interes santen Ergebnis, dass es uns Steuerzahler weit weniger kos ten würde, alle Strafgefangenen permanent all-inclusive in türkischen Hotels unterzubringen, als sie in unseren JVAs ein zuquartieren.
Wer weiß, vielleicht ist das ja der Ursprung des Gedankens der CDU, beides habe irgendwie miteinander zu tun.
Wer weiß, wenn jetzt die Ministerien der Justiz und für Tou rismus zusammenlegen, können wir es vielleicht so machen wie damals England mit Australien und sparen dabei noch ei ne Menge Geld. Vielleicht ist das der Vater des Gedankens; ich weiß es nicht.
Aber einmal ernsthaft: Ich finde das Versöhnungsgeschenk an Herrn Wolf großzügig. Ich bin mir nicht sicher, ob ich einen Parteikollegen nach einem so desaströsen Wahlkampf auch noch derart belohnen würde. Nun ja, dafür durfte Herr Strobl ja auch in die erste Reihe rücken.
Aber allen parteiinternen Nettigkeiten zum Trotz müssen wir uns doch genau überlegen, was wirklich zielführend ist. So halte ich z. B. die Ausgliederung des Bereichs Europa aus dem Staatsministerium für höchst problematisch. Jetzt fehlt die An bindung an den Ministerpräsidenten. Das sehe ich ja nicht al lein sehr kritisch. Auch der Politologe Wolfgang Seibel etwa sieht in der Neuverteilung eine Abwertung des Themas, und die wird ihm nicht gerecht.
Es muss für Herrn Wolf ein harter Schlag gewesen sein, als die Vertreter der Arbeitgeberverbände eine Kampagne starte ten, um zu verhindern, dass er – wie zunächst beabsichtigt – Wirtschaftsminister wird. Ist der neue Ministerposten für dies und das also ein Trostpreis? Vielleicht. Aber sehen Sie es auch als Chance, zu wachsen. Ihr Herz schlägt für Fragen der eu ropäischen Integration. Darum passen Sie eigentlich sogar recht gut zu diesem Themengebiet. Nur die Sache mit dem Tourismus kann man drehen und wenden, wie man will: Das bleibt wirklich schräg.
Reden Sie einmal mit den Betroffenen; das ist ja schon ange klungen. Die Tourismusbranche sieht sich selbst zur politi schen Verschiebemasse degradiert. Mehr als 300 000 Beschäf tigte und gut 20 Milliarden € Umsatz – sollte so ein Geschäfts bereich nicht eigentlich dem Wirtschaftsministerium zugeord net werden? Gehört er da nicht hin?
Auch Aussagen wie die des Vorsitzenden des Richterbunds, Matthias Grewe, sollte doch gerade Herr Wolf als ehemaliger Richter ernst nehmen. Erst wollte Herr Grewe gar nicht glau ben, was da stattgefunden hat, nur um dann festzustellen, wie gering die Wertschätzung gegenüber den Aufgaben der Justiz ist, die sich dahinter verbirgt. Gerade in diesem Themenfeld ist ein Minister aber stark gefordert.
Herr Wolf ist leider nicht da. Ich wollte ihn fragen, ob er wirk lich so viele Ressorts unter sich braucht, um sich auf der Spiel wiese der Politik zu profilieren. Er sollte doch lieber ein The mengebiet wahrnehmen – und das richtig –, sonst endet das am Ende wie sein Wahlkampf.
Auch dass die Themenbereiche Migration und Integration, die zueinander gehören, auf zwei verschiedene Ressorts verteilt werden, deren Chefs auch noch aus unterschiedlichen Partei en sind, halte ich für wenig zielführend. Herr Seibel geht so gar noch einen Schritt weiter. Er bezeichnet die Trennung die ser beiden Themen als Sollbruchstelle.
Immerhin: Das unsägliche eigene Integrationsministerium der letzten Legislaturperiode gibt es nun nicht mehr. Das ist bei allem, was an neuen Ressortzuschnitten zu kritisieren ist, doch ein Erfolg, ebenso übrigens wie die vorgenommene erneute Trennung des Finanz- und Wirtschaftsministeriums; auch die se ist richtig.
So sind alte Fehler bei der neuen Abgrenzung der Geschäfts bereiche beseitigt worden, um sogleich andere, neue zu schaf fen. Es bleibt wohl ein frommer Wunsch, dass die Ressortzu schnitte, wie es eigentlich sein müsste, allein nach fachlichen Kriterien vorgenommen werden und dabei parteipolitische Be gehrlichkeiten und persönliche Eitelkeiten schlicht außer Be tracht bleiben.
Hoffen wir, dass es für diese Regierung keine weitere Chan ce der Heilung nach den nächsten Wahlen geben wird, und le ben wir nun mit den neu geschaffenen Mängeln. Was bleibt auch? Machen wir es so.
Herr Präsident, mei ne sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich darf zu den vorgetragenen Argumenten zur Geschäftsabgrenzung der Landesregierung kurz Stellung nehmen. Ich glaube, ich kann mir eine Einführung in den Sachverhalt ersparen, und verweise insofern auf die Ihnen vorliegende Vorlage.
Zunächst zum Argument, dass die Zuordnung des Bereichs Arbeitsmarktpolitik, des Themas Arbeit zum Wirtschaftsmi nisterium eine Ausblendung der sozialen Fragen der Arbeits losigkeit bedeuten würde. Das ist keinesfalls der Fall. Der Ar beitsmarkt ist so zu gestalten, dass es nicht zur Arbeitslosig keit kommt. Das ist eines der zentralen Themen der Wirt schaftspolitik. Weil es ein zentrales Thema der Wirtschafts politik ist, Arbeitslosigkeit zu verhüten und Arbeitslosigkeit durch Dynamik aufzuheben – nicht zu verwalten –, war das eine bewusste und richtige Entscheidung der Landesregierung.
Meine Damen und Herren, es wurde darüber hinaus infrage gestellt, wie die Federführung des Themas Digitalisierung beim Innenministerium zu bewerten sei. Ich darf darauf hin weisen, dass Federführung bei der Landesregierung das Nor malste der Welt ist. Natürlich ist in irgendeiner Weise fast je des Ministerium mit der Digitalisierung befasst, nach wie vor auch das Ministerium für Ländlichen Raum. Es ist aber not wendig, die Aufgabe zu bündeln und mit einer Federführung zu versehen. Das haben wir im Innenministerium getan. Ich halte das für sachlich absolut zu rechtfertigen.
Ich darf darauf hinweisen, dass wir bei dem, was im Moment zwischen dem Ministerium für Ländlichen Raum und dem In nenministerium diskutiert wird, noch eine unterschiedliche Ebene haben. Die bisher bestehenden und noch immer beste henden Zuständigkeiten des Ministeriums für Ländlichen Raum
sind eine Frage des Geschäftsverteilungsplans. Das hat nie die hohe Ebene der Geschäftsbereichsabgrenzung erreicht, über die wir hier reden. Deswegen ist es nicht bis in dieses Hohe Haus gelangt, sondern wird zwischen den Ministerien auf fachlicher Ebene erledigt werden.
Ich darf auch betonen, dass die Landesregierung eine hohe Achtung und großen Respekt vor allen Einrichtungen der Jus tiz hat. Die Zuordnung des Bereichs Tourismus zum Ministe rium der Justiz und für Europa hat nicht mit diesem wesent lichen zentralen Bereich, sondern, wie vorhin schon von Abg. Sckerl ausgeführt worden ist, mit den europapolitischen Ver netzungen und Beziehungen zu tun.
Es ist zwar so, dass der Tourismus in Baden-Württemberg stattfinden soll – übrigens da nicht nur im ländlichen Raum, sondern sehr wohl auch in den Städten; daran allein sehen Sie schon, dass immer eine gewisse Auswahl notwendig ist, um dieses Thema zuzuordnen, weil es viel zu viel umfasst, um in einem großen Ministerium endgültig und abschließend rich tig angesiedelt sein zu können –, aber wir wollen die Men schen, die in unser Land kommen, um sich hier zu erholen oder seine Schönheiten zu genießen, vor allem im europäi schen Raum ansprechen. Deswegen ist die Verbindung zu Eu ropa unzweifelhaft gegeben.
Jedenfalls ist der Respekt und die Ehrerbietung gegenüber der Justiz damit in keiner Weise angesprochen – die Unterstüt zung der Justiz übrigens auch nicht; das hat der Ministerprä sident eigentlich schon klargestellt. Selbst in dem Papier, das gestern diskutiert worden ist, ist von „Gebäudezentren“ die Rede. Es geht darum, das Facility Management der Gerichts barkeit zu verbessern, und nicht darum, die Zahl der Gerich te zu reduzieren. Das ist eine der selbstverständlichsten Aus nutzungen von Effizienzsteigerungsmöglichkeiten, die man auch bei ehrwürdigen Einrichtungen wie den Gerichten hin terfragen darf.