Protocol of the Session on January 29, 2020

Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Fiechtner zu?

Ich würde jetzt einfach gern im Zusammenhang vortragen, Frau Präsidentin.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Sie haben unbegrenzte Re dezeit!)

Die Kollegin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut arbeitet deshalb auch unerlässlich mit den verschiedensten Maßnahmen – wie etwa im Bereich der Weiterqualifizierung – daran, die noch bestehenden Arbeitskräftepotenziale in den Arbeitsmarkt zu heben.

In diese Phase der Vollbeschäftigung fiel auch die Hochpha se der Flüchtlingskrise. Viele, vor allem junge Menschen ka men in dieser Zeit zu uns, um Schutz zu suchen, und auch, um hier ein besseres Leben zu finden. Aber schnell wurde auch klar, dass viele der neu Angekommenen kein berechtigtes Schutzbedürfnis im Sinne unseres Asylrechts oder der Gen fer Flüchtlingskonvention haben, sondern versucht haben, über den Weg des Asylsystems Arbeit zu finden und Geld zu verdienen.

Wir haben deshalb immer klar unser Credo vertreten: Herz und Härte – Herz gegenüber denjenigen, die wirklich des Schutzes bedürfen, die vor Gewalt, Verfolgung und Folter flie hen, die Angst haben und um ihr Leben bangen müssen. Da mit unser Land und unsere Gesellschaft diese große Aufgabe aber auch meistern können, war klar, dass wir gegenüber all denen, die ein solches Bedürfnis eben nicht aufweisen kön nen, klar sagen müssen: Ihr könnt nicht hierbleiben, ihr müsst

nach Abschluss eines langen verwaltungsmäßigen und gericht lichen Verfahrens zurück in eure Heimat.

(Abg. Dr. Christina Baum AfD: Genau, Heimat!)

Das sind die zwei Seiten der Medaille. Wir haben deswegen auch immer klar kommuniziert und auch die Unternehmen aufgefordert, Menschen mit Bleibeperspektive in Lohn und Brot zu bringen. Denn Arbeit und das Erlernen der Sprache sind der Schlüssel für eine erfolgreiche Integration. Daran, Kollege Lucha, arbeiten wir auch in der Landesregierung in tensiv.

Ich möchte es einfach einmal klar sagen: In Baden-Württem berg leben derzeit rund 68 000 Schutzberechtigte im erwerbs fähigen Alter, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Diese Personen müssen wir mit Priorität integrieren. Hier gilt: Integration durch Arbeit. Dies ist für die Unternehmen rechts sicher möglich.

(Beifall bei der CDU – Abg. Anton Baron AfD: Ein Drittel sind in Hartz IV, Herr Strobl! Ein Drittel im Niedriglohnsektor!)

Die Beschäftigung ausreisepflichtiger Ausländer ist eben nicht ohne Risiko für eine verlässliche betriebliche Planung.

Wahr ist aber auch, dass in der Hochphase der Flüchtlingskri se nicht jedem Unternehmer klar war und auch nicht klar sein konnte, welche Bedeutung die Bleibeperspektive des von ihm eingestellten Ausländers hat. Deswegen haben wir gesagt, dass wir alle Spielräume, die es gibt, nutzen wollen. Ermessen kann man allerdings nur dort ausüben, wo es auch ein Ermessen gibt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich sage ausdrücklich und wiederhole es gern: Die Mithilfe von Unternehmen bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise verdient unsere vollumfängliche Anerkennung.

(Zuruf von der SPD)

Selbstverständlich ist es jedem Arbeitgeber freigestellt, wen er einstellt. Deutlich sage ich aber auch: Für den Arbeitgeber ist es eine betriebswirtschaftlich äußerst relevante Entschei dung, welchen Status die von ihm eingestellte Arbeitskraft hat. Gut beraten ist daher, wer Arbeitskräfte einstellt, die über eine gute Bleibeperspektive, über eine Schutzberechtigung verfügen, also jemand von diesen knapp 70 000 arbeitsfähi gen jungen Leuten, die es in Baden-Württemberg gibt.

(Beifall des Abg. Thomas Blenke CDU – Zuruf von der CDU: Sehr gut! – Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos])

Denn klar muss auch sein: Wer jemanden einstellt, der ausrei sepflichtig ist, muss damit rechnen, dass dieser auch nach der Einstellung ausreisepflichtig bleibt. Das ist die Rechtslage. Das müssen wir den Unternehmen auch kommunizieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Hein rich Fiechtner [fraktionslos]: Sehr gut, Herr Minis ter! Bravo!)

Wir müssen es im Übrigen auch in die Welt hinaus kommu nizieren, weil die organisierte Kriminalität, weil Schlepper

banden es ansonsten auf ihre Flugblätter schreiben, dass Ar beitsmigration nach Deutschland über das Asylrecht stattfin det. Diesen Weg wollen wir definitiv nicht.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der AfD – Zuruf der Abg. Carola Wolle AfD)

Das Aufenthaltsrecht ist Bundesrecht; darauf ist zu Recht hin gewiesen worden, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Die Länder vollziehen dieses Recht. Unsere Ausländerbehörden, zumal das Regierungspräsidium Karlsruhe, aber auch die Po lizeibeamtinnen und Polizeibeamten vollziehen Recht und Ge setz, wenn sie eine vollstreckbare Ausreisepflicht vollziehen. Das ist eine außerordentlich schwierige Arbeit. Ich möchte an dieser Stelle allen Polizistinnen und Polizisten, allen, die die se schwierige Arbeit leisten, meinen Respekt und meinen Dank ausdrücken.

(Beifall bei der CDU)

Für die neue Beschäftigungsduldung ist eine Vorduldung von zwölf Monaten erforderlich. Mit dieser Regelung hat der Bund – und die SPD war daran schon auch beteiligt, Herr Kollege Stoch –

(Abg. Andreas Stoch SPD: Und wer noch?)

verbindlich festgelegt, unter welchen Voraussetzungen aus reisepflichtigen Ausländern in Beschäftigung eine Bleibeper spektive eröffnet wird.

(Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU)

Diese bundesgesetzliche Festlegung dürfen und können wir nicht dadurch unterlaufen, dass wir Geduldeten, welche die Voraussetzungen der Beschäftigungsduldung noch nicht er füllen, Ermessensduldungen erteilen. Das wäre eine klar rechts widrige Umgehung des Gesetzes, und dafür stehe ich nicht zur Verfügung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von der SPD)

Darauf haben wir im Übrigen immer hingewiesen. Ermessen kann man nur dort ausüben, wo es ein Ermessen gibt.

(Zuruf von der SPD: Sehr eigenwillig!)

Sie wissen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Mein Haus und auch ich persönlich wollen den betroffenen Unter nehmen und den betroffenen Menschen eine Lösung geben. Deshalb haben wir bereits im Februar 2019 eine Bundesrats initiative unternommen. Diese Initiative blieb leider ohne Mehrheit.

Wir wollen einen erneuten Vorstoß im Bundesrat unterneh men und freuen uns dann im Übrigen über die Unterstützung auch der SPD und der FDP in den Ländern, in denen sie mit regieren. Ich kann Ihnen gleich einmal sagen: Diese Bundes ratsinitiative wird besser sein als der Änderungsantrag der SPD, der jetzt auf dem Tisch liegt, weshalb dieser Antrag auch abzulehnen ist.

(Beifall bei den Grünen und der CDU – Zuruf des Abg. Andreas Stoch SPD)

Dispens wollen wir nur von der strikten Vorgabe des zwölf monatigen Duldungszeitraums. Auch darf eine modifizierte

Beschäftigungsduldung keine Pull-Effekte entfalten. Wir müs sen daher Bleibeperspektiven für geduldete Ausländer in Be schäftigung an die Hochphase der Flüchtlingskrise koppeln. Also: rückwirkend und keinesfalls so, dass dadurch Pull-Ef fekte entstehen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, eines muss auch stets klar sein: Straftäter und Identitätstäuscher bekommen keine Blei beperspektive.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Daniel Rottmann AfD)

Die Rückführung von Straftätern und Gefährdern hat Priori tät. Deshalb unternehmen wir alle Anstrengungen, solche Per sonen prioritär abzuschieben. Wo immer wir die Möglichkeit haben, mit besonderer Priorität vorzugehen, tun wir das: Herz und Härte.

Herr Minister!

Ich möchte das gern im Zusammenhang vortra gen, Frau Präsidentin.

Der Vorwurf, es würden immer die Falschen abgeschoben, lässt sich in Baden-Württemberg leicht widerlegen. Er geht ins Leere. Ich möchte Ihnen zwei Beispiele nennen.

(Zurufe)

Im Januar 2018 habe ich den „Sonderstab gefährliche Auslän der“ eingerichtet, der seine Fälle von Straftätern, von Gefähr dern mit Nachdruck einer Aufenthaltsbeendigung zuführt. Der Sonderstab arbeitet überaus erfolgreich. Er hat – mit Stand vom 28. Januar 2020 – seit seiner Einrichtung insgesamt 103 Fälle abgeschlossen. 79 Fälle konnten mit einer Abschiebung abgeschlossen werden. In den übrigen 24 Fällen wurden Maß nahmen getroffen, um eine erneute Wiedereinreise zu verhin dern.

Der regionale Sonderstab Freiburg hat seit seinem Bestehen, seit Ende 2018 bereits 26 Mehrfach- und Intensivtäter ausge wiesen und in zwölf Fällen die wahre Identität der Straftäter geklärt.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: So viele immerhin! – Zuruf von der SPD)

Im letzten Jahr konnten beispielsweise durch intensive Bemü hungen – – Herr Abg. Dr. Fiechtner, jeder von diesen, der au ßer Landes ist, ist ein absoluter Sicherheitsgewinn für dieses Land. Das sind hoch komplizierte Fälle.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Künftig kommen noch viele her! Aber der kommt doch wie der, Herr Minister!)

Nein, wir erreichen eben in vielen Fällen durch den Sonder stab, dass sie auch nicht wieder einreisen. Das ist wichtig,