Dabei geht es um ganz unterschiedliche Dinge, nicht nur weil bestimmte politische Entwicklungen Sorgen machen: die Un abhängigkeit der Justiz, Nationalismus oder Korruption. Auch die Frage, wie wir der organisierten Kriminalität entgegentre ten, spielt hierbei eine Rolle.
(Abg. Rüdiger Klos AfD: Während der Rede geht das nicht! – Abg. Anton Baron AfD: Das sollte man wis sen!)
Ich bin gleich fertig. – Meine Damen und Herren, wir haben gerade als Baden-Würt temberger allen Grund, die Chancen der europäischen Eini gung herauszustellen.
Im nächsten Jahr schauen wir gespannt der deutschen Rats präsidentschaft entgegen, und Baden-Württemberg wird da bei als Bundesland eigene Akzente setzen.
Herr Abg. Gall, Sie möch ten den Geschäftsordnungsantrag jetzt mitten hinein stellen? – Bitte schön.
Frau Präsidentin, die SPD-Frakti on beantragt, dass der zuständige Minister der Debatte zumin dest folgt und deshalb herbeigerufen wird.
Der zuständige Minister hat angekündigt, dass er von Frau Staatsministerin Theresa Schopper vertreten wird. Ist das für Sie akzeptabel? – Gut. Dann können wir weiter – –
(Zuruf von der SPD: Ja, aber die ist ja auch nicht da! – Zurufe, u. a.: Man sieht sie nicht! – Zeigen Sie sich! – Vereinzelt Heiterkeit)
Sehr geehrte Frau Präsiden tin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte heute in die ser Runde ein grundsätzliches Thema ansprechen, das Parla mentarier, Landesregierung und Bürger gleichermaßen be trifft, vielen aber nicht bekannt ist. Wenn wir hier im Landtag über die EU debattieren, dann ist der Adressat in aller Regel die Landesregierung; es geht dabei um deren Abstimmungs verhalten im Bundesrat.
Die meisten Menschen gehen davon aus, dass der Bundesrat als zweite Kammer unseres Staates über echte Entscheidungs- und Vetorechte auch in EU-Fragen verfügt. Tatsächlich aber ist das nicht der Fall. Das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union grenzt die Rolle des Bundesrats im Wesentlichen auf sogenannte Stellungnahmen ein. Das heißt, der Bundesrat agiert nicht als Gesetzgeber, sondern als Berater der Bundes regierung. Ausgenommen hiervon sind nur Veränderungen an den EU-Kernverträgen – ein Fall, der höchst selten auftritt und den es lange Jahre schon nicht mehr gab.
Erstens: Der Bundesrat, der als Legislative eigentlich die Bun desregierung kontrollieren sollte, wird als nur beratendes Gre mium der Bundesregierung untergeordnet. Die grundsätzlich vorgesehene Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Legis lative wird damit schwer kompromittiert.
Zweitens: Der Bundesrat und die Länder sind in den Entschei dungsverfahren auf EU-Ebene nicht abgebildet.
Drittens: Selbst in ihren Kernzuständigkeiten verfügen die Bundesländer über keinen effektiven Schutz ihrer föderalen Rechte. Die Bundesrepublik kann auf EU-Ebene im sogenann ten vereinfachten Verfahren jederzeit überstimmt werden.
Viertens: Das Machtverhältnis zwischen Bundesregierung und Bundesrat ist selbst im Kern der Länderzuständigkeiten ext rem zugunsten der Bundesregierung verschoben. In § 5 Ab satz 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union heißt es:
nicht zustande und bestätigt der Bundesrat daraufhin sei ne Auffassung mit einem mit zwei Dritteln seiner Stimmen gefassten Beschluss, so ist die Auffassung des Bundesra tes maßgebend.
Übersetzt heißt das: Ein Eingriff in die Kernkompetenzen der Länder erfordert keine Zweidrittelmehrheit;
Zustimmung liegt vielmehr vor, wenn sich nicht zwei Drittel dagegen aussprechen. Das ist eine Umkehr des fundamenta len Prinzips der Beschlussfassung: Ein Beschluss ist gefasst, wenn er nicht mit Zweidrittelmehrheit abgelehnt wird.
Hinzu kommt, dass sich im Bundesrat oft Länder der Stimme enthalten, da sie von Koalitionen regiert werden. Enthaltun gen sind dann aber automatisch Stimmen für die Position der Bundesregierung.
Zusammenfassend wiederholt sich auf Bundesebene das Bild, das wir auch aus dem Land kennen: Bundesrat und Landtag sind weitgehend entmachtet. Die meisten wesentlichen Ge setze kommen aus Brüssel. Es gibt mit Bezug auf diese Ge setze keinen Föderalismus, keine Gewaltenteilung, keine ech te Demokratie, keine Ordnung, die dem Geist des Grundge setzes entspräche.
Sie, Ihre Parteien, meine Damen und Herren, haben den Fö deralismus und unsere Staatsordnung auf dem Altar der EU geopfert.
Was wir brauchen, sind nicht mehr Stellen für die Landesre gierung, Herr Kollege Frey, sondern echte Entscheidungsrech te für Landtag und Bundesrat. Im Land ist das Problem § 34 a der Landesverfassung, auf Bundesebene ist es das Gesetz über
die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenhei ten der Europäischen Union, und auf EU-Ebene ist das Prob lem der Lissabon-Vertrag.
Es zeugt nur von völliger Hilflosigkeit, unter dysfunktionalen Gesetzen über Verbesserungen nachzudenken. Ohne echte Entscheidungsrechte sind Landtag und Bundesrat politische Zombies – Scheintote, die so tun, als ob sie Demokratie prak tizieren würden.
Meine Damen und Herren, wir sollten anfangen, zusammen zuarbeiten. Die EU-Entscheidungsverfahren müssen auf ver nünftige Füße gestellt werden – im Landtag und im Bundes rat.
Wir brauchen eine bessere Landesverfassung, wir brauchen echte Entscheidungsrechte für den Bundesrat, und wir brau chen eine neue Grundordnung der EU, die unser föderales Modell wiederherstellt.
Abschließend noch eine Bemerkung, wenn Sie gestatten. Wir werden dem Bericht nicht zustimmen. Natürlich wissen wir, dass man nicht einfach „nicht zur Kenntnis nehmen“ kann, aber wir werden uns nicht dahin gehend vereinnahmen lassen, dass eine Kenntnisnahme als zustimmende Kenntnisnahme interpretiert werden könnte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, wer te Kolleginnen und Kollegen! Wir reden über aktuelle euro papolitische Themen – nur zur Erinnerung.