Protocol of the Session on July 20, 2016

Diese Regierung wird das weiterhin betreiben und

(Der Plenarsaal verdunkelt sich. – Abg. Dr. Hans-Ul rich Rülke FDP/DVP: Da geht sogar die Sonne un ter! – Abg. Anton Baron [fraktionslos]: Sparmaßnah men! – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

ihre Agenden entschieden, mit Entschlusskraft umsetzen. Das wird öffentlich geschehen. Daran besteht überhaupt kein Zweifel. Dafür sind die parlamentarischen Verfahren vorge geben. An diese halten wir uns selbstverständlich. Das ist, glaube ich, der Raum, um den es geht. Da werden letztlich die Entscheidungen getroffen.

Aber ich will auch dafür plädieren, dass wir bei diesen Debat ten die Kirche im Dorf lassen und nicht so tun, als hätten wir etwas Unrechtes getan.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Das ist nämlich überhaupt nicht der Fall.

Im Koalitionsvertrag steht das, was wir machen wollen. Das wird priorisiert. Das wird erläutert. Auch das, was darin zum Bildungszeitgesetz steht, ist völlig korrekt: Wir werden es eva luieren und novellieren.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Wir werden schauen, was die Evaluierung ergibt. Für den Fall, dass sie ergibt, dass das Bildungszeitgesetz novelliert werden muss, haben wir uns auf den Weg geeinigt. Das steht darin.

(Zuruf des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD)

Wenn die Evaluierung etwas anderes ergibt – das steht sowohl im Koalitionsvertrag als auch in der Nebenabrede –, dann wer den wir das nicht machen. Insofern ist das, finde ich, sehr klar.

Aber wir, die Koalition, müssen auch wissen, was wir selbst wollen. Damit müssen wir später ja in die Verhandlungen mit den Partnern gehen. Deshalb ist es wichtig, dass Offenheit herrscht. Diese ist hier klar formuliert. Aber es ist auch gere gelt, was wir im entsprechenden Fall der Fälle machen. Auch das ist, glaube ich, der richtige Weg.

Auch den Punkt, den Sie ansprachen, kann ich sicher noch aufklären: Es geht nur um eine Zusammenfassung von Ge richten in Gebäuden, um damit Synergieeffekte zu erzielen. Zwischen uns wird sicher keine große Differenz bestehen, so dass das keine große Betrügerei oder ein Hinter-das-LichtFühren der Öffentlichkeit ist.

(Abg. Dr. Heiner Merz AfD: Das nicht!)

Ansonsten steht in den Nebenabreden nichts, was dem Koa litionsvertrag widersprechen würde. Sie haben an den einzel nen Positionen auch keine Kritik geübt. Das will ich nur ein mal feststellen.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Jetzt ist leider meine Stimme weg. Darum höre ich auf.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Nach § 82 Absatz 4 der Geschäftsordnung erteile ich das Wort Herrn Fraktionsvorsit zendem Stoch.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, ich glaube Ihnen nicht. Ich glaube Ihnen nicht, dass diese Ergeb nisoffenheit – Sie haben zuletzt das Beispiel Bildungszeitge setz genannt – tatsächlich gewahrt ist.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, Sie haben mit keinem einzigen Satz hier vorn an diesem Pult – ich habe Sie hier schon überzeugender gesehen – eine Rechtfertigung dafür ge bracht, weshalb das, was in den Nebenabreden steht, was wichtig ist, was finanzielle Größenordnungen wiedergibt, nicht auch im Koalitionsvertrag drin war.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es! – Abg. Sa scha Binder SPD: Genau!)

Denn das ist die eigentliche Frage, auf die Sie keine Antwort gegeben haben, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der SPD, der FDP/DVP und der AfD so wie fraktionslosen Abgeordneten)

Denn wenn es Ihnen darum geht – ich zitiere Sie –, den „Zu sammenhalt der Koalition“ zu gewährleisten – Sie haben in Bezug auf Nebenabreden sogar den Satz gesagt: „Sie dienen dem Zusammenhalt der Koalition“ –, liebe Kolleginnen, lie be Kollegen, dann frage ich mich: Wenn ich nichts zu verber gen habe, wenn ich Konfliktlinien sehe und Konfliktlinien be reits löse, also Kompromisse suche, warum schreibe ich die se Kompromisse dann nicht in das Papier,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)

das der Öffentlichkeit und auch meiner eigenen Partei zugäng lich ist, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen? Darauf haben Sie keine Antwort gegeben.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Dann haben Sie noch gesagt, diese Art des Vorgehens diene dem Aufbau von Vertrauen.

(Lachen bei der SPD – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das verstehe ich auch nicht!)

Darin, dass, bitte schön, das Wort „Vertrauen“ in dieser De batte von Vertretern der Regierungsfraktionen nicht in den Mund genommen werden sollte, sind wir uns, glaube ich, al le einig. Das Wort „Vertrauen“ konterkarieren Sie genau durch Ihr Vorgehen. Denn wenn Sie für Punkte, die aus unserer Sicht auch öffentlich regelungsfähig sind, im Versteckten, im Ver borgenen Lösungen und Kompromisslinien andeuten, wenn Sie im Staatsministerium zusätzliches Personal brauchen, um die Ministerien besser überwachen zu können, wenn der stell vertretende Ministerpräsident, der Innenminister, im Innen ministerium quasi ein Gegenstaatsministerium aufbaut, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, dann ist das kein Ausdruck von Vertrauen. Das ist ein Ausdruck von purem Misstrauen zwi schen den Partnern dieser Regierung.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/DVP sowie des Abg. Stefan Räpple AfD – Abg. Hans-Ul rich Sckerl GRÜNE: Wenn, dann hat das Nils Schmid getan!)

Herr Kollege Sckerl, Sie werden auch erst seit Montag wis sen, was in den Nebenabreden steht.

(Vereinzelt Heiterkeit – Zuruf von der SPD: Genau! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Von wegen! Beim Gegenstaatsministerium seid ihr doch die Spe zialisten gewesen!)

Herr Ministerpräsident, Sie haben ausdrücklich gesagt – da stimme ich Ihnen zu –: „Wir wollen weitergehen auf unserem Kurs des Investierens, des Sanierens und des Konsolidierens.“ Da sind wir vollkommen bei Ihnen. Dass wir alle in diesem Land das Landeseigentum – Straßen, Hochbau – tatsächlich intensiv in den Blick nehmen müssen, wie wir das in unserer gemeinsamen Regierungszeit auch getan haben, ist überhaupt keine Frage. Ich frage mich nur: Warum muss man solche Punkte in einer verborgenen Liste verstecken?

(Zuruf: So ist es!)

Wenn Sie 43 Punkte auflisten und dann von einer Priorisie rung sprechen, Herr Ministerpräsident, dann kann ich die Pri orisierung zwischen diesen 43 Positionen nicht erkennen. Denn Sie fangen mit dem – auch wichtigen – Programm PEBB§Y an, also einem Justizprogramm, mit strukturell 10 Millionen € zusätzlich. Mir scheint es so zu sein, dass in nerhalb der 43 Punkte keine Priorisierung stattgefunden hat.

Wenn wir uns die Liste insgesamt einmal anschauen, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen vor allem in den Regierungsfrak tionen, dann möchte ich Ihnen eines sagen: Das, was hier als Nebenabrede, als Geheimpapier vorliegt, ist so etwas wie das Drehbuch, das man sich für die nächsten fünf Jahre gegeben hat. Dieses Drehbuch haben nur einige Wenige ausgearbeitet. Diese einigen Wenigen setzen voraus, dass Sie sich zu Statis ten in dieser Inszenierung machen. Das kann nicht Ihr An spruch als Parlamentarier in Baden-Württemberg sein, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der FDP/ DVP und der AfD)

Denn wie laufen Haushaltsberatungen ab? Die Regierung bringt aufgrund ihrer Sachkenntnis Vorschläge ein. Was die Ministerien angeht, ist das auch logisch und richtig. Die Re gierung nimmt in der Haushaltsaufstellung jeweils auch ge wisse Priorisierungen vor. Herr Ministerpräsident, Sie haben es zu Recht gesagt: Eine solche Liste gab es mit uns nicht. Man hat jeweils im Kontext der Haushaltsberatungen, und zwar auch im Hinblick auf die Frage der Verfügbarkeit des Geldes, Entscheidungen getroffen. Das ist parlamentarisches Handeln.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer ein Drehbuch für fünf Jahre schreibt, verabschiedet sich offensichtlich von diesem offenen Prozess, der verabschiedet sich vor allem davon, dass auch die Regierungsfraktionen Willensbildungen im Zusam menhang mit der Haushaltsberatung einbringen.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der FDP/ DVP, der AfD und fraktionslosen Abgeordneten)

Sie haben auch die Frage angesprochen: Was ist denn falsch an diesen Maßnahmen? Ich glaube, allein an dieser Frage ha be ich und haben viele erkannt, dass Sie nicht verstanden ha ben, worum es uns hier geht.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Genau! Nicht verstanden!)

Es geht hier nicht um diese Maßnahmen im Detail. Wir wer den über all diese Maßnahmen, soweit sie von der Regierung ins Parlament gebracht werden, im Einzelnen sprechen, wer den die Vor- und Nachteile abwägen und hierüber Entschei dungen treffen. Das Problem daran ist, Herr Ministerpräsi dent, dass Sie hier Vorentscheidungen treffen und damit auch voraussetzen – und zwar im Widerspruch zum Koalitionsver trag –,

(Zuruf der Abg. Sandra Boser GRÜNE)

dass das, was hier im Parlament passiert, Ihrem Willen ent spricht. Doch ich glaube, dass es der Respekt gegenüber dem Parlament gebietet, dass man hier keine Entscheidungen am Parlament vorbei trifft, sondern Entscheidungen mit dem und im Parlament trifft, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der FDP/ DVP, der AfD und fraktionslosen Abgeordneten)

Deswegen glaube ich, dass der gestrige Tag schon ein Stück weit eine Zäsur darstellt; eine Zäsur insoweit, als der Minis terpräsident – dies haben wir alle in den letzten Monaten ge spürt, gerade auch im Zusammenhang mit der Landtagswahl – als Person, gerade auch was das Thema Glaubwürdigkeit betrifft, von den Menschen einen großen Vertrauensvorschuss bekommen hat.

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, wer dann in einer Pres sekonferenz lapidar antwortet: „Ich mauschle schon immer“, der tritt dieses Ansehen, das er bei den Menschen genießt – mit Verlaub –, mit Füßen. Das ist ein schlechtes Signal für die Regierung.