Sie sind ja im Staatsministerium zuständig für Bürgerbeteili gung. Sind Sie Staatsrätin für Bürgerbeteiligung, oder sind Sie in einem Staatsministerium dafür zuständig, die Bürger hin ter das Licht zu führen? Eines von beiden sollte man konkre tisieren. Mit Bürgerbeteiligung und vor allem mit einer Poli tik des Gehörtwerdens hat das Ganze nichts zu tun.
Herr Kretschmann und Herr Strobl, Sie hätten sich Ihr ganzes Koalitionsbrimborium sparen können, wo Sie dann mit KiwiFrüchten Ihren Koalitionsvertrag präsentiert haben. Herr Strobl, wissen Sie noch?: „Viel schwarze Tinte.“ Ich habe schon damals in der Aussprache zur Regierungserklärung ge sagt, da müsse Geheimtinte
(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Das ist aber jetzt wirklich allerhand! Das ist ja sogar ein Angriff aufs Papier!)
Herr Ministerpräsident, ich mache Ihnen einen Vorschlag. Wir haben ja vor einigen Wochen die Regierungserklärung gehört und haben über diese Regierungserklärung diskutiert. Jetzt stellt sich heraus, dass es wahrscheinlich besser wäre, Herr Ministerpräsident, wenn Sie nach der Sommerpause die Wie derholung Ihrer Regierungserklärung beantragten, und zwar diesmal auf der Basis des eigentlichen Koalitionsvertrags, nämlich dieser Geheimabsprache.
Sie haben mit dem, was Sie da angestellt haben, die Öffent lichkeit hinters Licht geführt, Sie haben die Medien hinters Licht geführt, Sie haben das Parlament als Haushaltssouve rän hinters Licht geführt, und Sie haben auch die eigenen Par teien hinters Licht geführt.
Sie haben Ihren Parteien, Herr Strobl und Frau Walker, einen Koalitionsvertrag vorgelegt und haben auf Parteitagen darü ber abstimmen lassen. Jetzt stellt sich heraus, dass das, wor über Ihre Parteien abgestimmt haben, gar nicht das ist, was Sie eigentlich im Sinn hatten. Was wäre denn auf diesen Par teitagen herausgekommen, wenn Sie wirklich das vorgelegt hätten, was Sie im Sinn haben? Das weiß ja niemand. Entwe der ist Ihnen egal, was Ihre Parteien dazu sagen, oder Sie sa gen: „Es interessiert uns nicht. Was juckt uns die Partei? Wir machen eh, was wir wollen.“
Dann behaupten Sie, Frau Walker, hier ebenso wie der Minis terpräsident bei der gestrigen Regierungspressekonferenz, der Koalitionsvertrag widerspreche nicht dem, was in den Ge heimvereinbarungen stehe, sondern das seien nur Konkreti sierungen. Dafür nenne ich Ihnen einmal ein Beispiel und zi tiere mit Erlaubnis des Präsidenten aus dem Koalitionsver trag:
Ja, wenn das nicht ein Hinters-Licht-Führen der Öffentlich keit ist, wenn das kein Widerspruch zwischen Koalitionsver trag und Geheimabrede ist, was denn sonst, meine Damen und Herren?
Herr Ministerpräsident, es ist schon bemerkenswert, wie Sie das Ganze rechtfertigen. Sie sind ja ein großer Zitatefreund, und der Kollege Stoch hat am heutigen Tag bereits Hannah Arendt zitiert. Ich darf mit Erlaubnis des Präsidenten zwei Zi tate ergänzen. Das erste lautet: „Jede Transparenz hat ihre Grenzen“, und das zweite: „Ich mauschle schon immer.“
(Heiterkeit bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Hört, hört! – Zuruf: Typisch Kretschmann!)
Stammen diese beiden Zitate auch von Hannah Arendt, Herr Kretschmann? Ich würde Ihnen wirklich raten, künftig auf Hannah-Arendt-Zitate zu verzichten, denn die dreht sich künf tig bei jedem Hannah-Arendt-Zitat im Grab herum – nach dem, was Sie hier veranstalten.
In den „Stuttgarter Nachrichten“ lasen wir am gestrigen Tag, dass der Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand darauf hin weist, dies bedeute nicht, dass die Haushaltsberatungen des Parlaments vorweggenommen würden. Gleichzeitig steht aber in Ihrem Geheimpapier, dass diese Zusatzvereinbarungen aus drücklich nicht vom Haushaltsvorbehalt betroffen sind.
Ja, was gilt jetzt? Gilt der Koalitionsvertrag, in dem steht, al les stehe unter Haushaltsvorbehalt? Oder gilt das, was in der Nebenabrede steht, wonach diese Dinge vom Haushaltsvor behalt ausgenommen seien?
In der Nebenabrede stehen auch eine ganze Reihe interessan ter Dinge, beispielsweise dass Sie die zweite Startbahn nicht wollen. Dazu würde mich schon interessieren, wie Sie begrün den, dass das nicht im Koalitionsvertrag steht. Wahrschein lich wollen Sie den Ruf der Wirtschaftsfreundlichkeit behal ten und der Wirtschaft signalisieren: „Eine zweite Startbahn ist mit uns möglich.“ Aber hintenherum schließen Sie sie aus.
Das Bildungszeitgesetz wurde erwähnt. Es ist schön, dass wir wissen, was Sie vorgeschlagen haben, und dass Sie jetzt auch schon wissen, was bei der Evaluierung herauskommt. Das ist interessant, denn wir haben diese Evaluierung auch vorge nommen, und es kam etwas ganz Ähnliches heraus. Das wird dann der nächste Tagesordnungspunkt sein, und Sie brauchen nur noch zuzustimmen.
Es ist auch interessant, dass Sie, Frau Walker, sich nicht ge traut haben, der Öffentlichkeit zu sagen, dass Sie am Einstim menwahlrecht festhalten wollen. Sie haben nämlich nicht be gründet, warum dies nur im geheimen Zusatzprotokoll steht. Ich nehme an, dafür hatten Sie irgendwelche Gründe.
Herr Ministerpräsident, wie haben Sie so schön im Wahlkampf gesagt?: „Regieren ist eine Stilfrage.“ Gestern hat sich die „Stuttgarter Zeitung“ mit Vertrauen als Kapital in der Politik auseinandergesetzt. Wohlgemerkt: Das war noch, bevor Sie zugegeben haben, dass Sie schon Ihr Leben lang mauscheln.
Doch dieses Bild erhält nun Kratzer. Die Nebenabspra chen zum Koalitionsvertrag lassen den Verdacht aufkom men, dass Grün-Schwarz die Formel vom „Haushaltsvor behalt“ nur erfunden hat, um absolute Sparsamkeit und Finanzdisziplin vorzugaukeln; dass die Partner aber in Wirklichkeit die Spendierhosen anhaben.
Grüne und Schwarze dürfen sich jedenfalls nicht wun dern, wenn sich Beamte noch heftiger als bisher gegen Sparmaßnahmen bei der Besoldung auflehnen; und wenn niemand mehr glaubt, dass Grün-Schwarz eine Politik der Klarheit und Wahrheit macht.
Nun mögen Sie sagen: Das ist die „Stuttgarter Zeitung“, die ist ja gelegentlich kritisch. Aber es gibt andere Zeitungen wie die „taz“. Die „taz“ hat am gestrigen Tag geschrieben:
Für Winfried Kretschmann ist die Debatte misslich. „Po litik ist eine Stilfrage“, war sein Wahlkampfslogan. Im mer wieder weist er darauf hin, dass Tricksereien die De mokratie beschädigen.
Jetzt scheint Kretschmanns politische Etikette zum Etiket tenschwindel zu werden, und das nicht zum ersten Mal.