Protocol of the Session on April 10, 2014

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der SWR und seine Gremien haben aus finan ziellen Gründen die Fusion des Radio-Sinfonieorchesters Stutt

gart und des SWR-Sinfonieorchesters Baden-Baden und Frei burg beschlossen und dabei kulturelle Argumente nicht in Er wägung gezogen. Das hätte man auch anders sehen können. Kulturpolitisch war es höchst bedauerlich.

Die Landesregierung hat sich seit Bekanntwerden des Be schlusses völlig weggeduckt und nichts, aber auch gar nichts zu einer möglichen Neuformierung des SWR-Sinfonieorches ters Baden-Baden und Freiburg beigetragen, obwohl es eine Initiative zahlreicher Bürgerinnen und Bürger gab, obwohl 160 international renommierte Dirigentinnen und Dirigenten und eine ähnlich hohe Zahl von Komponistinnen und Kom ponisten, internationale Kulturorganisationen, der Deutsche Musikrat und Medien im In- und Ausland diesen Skandal in der Kulturpolitik des Landes kritisiert haben.

Es würde die Unabhängigkeit des SWR nicht infrage stellen, wenn sich die Landesregierung um eine Lösung in anderer Trägerschaft kümmern würde. Keinen Gedanken hat sie je doch daran verschwendet, wie einer der angesehensten Bot schafter des Landes auf der internationalen Bühne erhalten werden kann.

Wenn das Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg bei Auftritten in aller Welt das Publikum begeistert, kommt kein Konzertbesucher auf die Idee, dass dieses Orchester zu Hau se von der eigenen Landesregierung im Stich gelassen wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Die Strategie des Landes und der Stadt Freiburg hieß und heißt: Wer sich zuerst bewegt, verliert.

(Zuruf der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

Verloren haben bisher die Musikerinnen und Musiker, die Mu sikszene, die Bürgerinnen und Bürger, die, die sich bewegt haben. Sie müssen erkennen, dass sich das Land ernsthaften Gesprächen über eine Lösung verweigert.

In Freiburg wurde ein Stiftungskonzept erarbeitet ähnlich dem, das zum Erhalt der Bamberger Symphoniker in Bayern entwickelt wurde. Es ist also bewiesen, dass es funktionieren kann. Aber klar war: Ohne das Land geht nichts, und das Land, die Landesregierung will nicht.

(Beifall bei der CDU)

Wenn also das Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg von der kulturellen Landkarte verschwindet, ist dies wesent lich dem Versagen und der Verweigerung des Landes zuzu schreiben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Wolfgang Raufelder GRÜNE: Was ha ben Sie denn getan, Herr Rau? Führen Sie das doch mal aus!)

Die Musikerinnen und Musiker dieses Orchesters haben in der Vergangenheit weit über ihre Konzerttätigkeit hinaus die mu sikalische Szene des Landes geprägt durch Ausbildung und Nachwuchsförderung, Kooperationen in der musikalischen Jugendarbeit, kleine Ensembles, Dirigate in den Vereinen der Amateurmusik.

(Glocke der Präsidentin)

Sie haben die Komponistenszene befruchtet durch Aufführun gen, die nur hier zustande kommen konnten. Die FAZ wür digt gerade dies heute ausführlich im Feuilleton.

(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Das sind doch Krokodilstränen, die Sie da vergießen!)

Der Ruf des Landes als weltweit anerkanntes Musikland steht auf dem Spiel. Und als sie das erkennt, erklärt die zuständige Ministerin Bauer, sie halte die Entscheidung für grundfalsch. Allerdings erklärt sie das erst unter dem Druck zunehmender Proteste am 2. April dieses Jahres, also vor gut einer Woche.

(Zuruf der Abg. Rita Haller-Haid SPD)

Eine Ministerin erkennt den drohenden schweren Schaden für das Land. Sie vergießt Krokodilstränen. Und was tut sie? Nichts, absolut nichts. Sie kündigt nicht einmal an, dass sie das Thema bearbeiten will. Sie gibt das Orchester einfach auf,

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Sie haben es aufgege ben! – Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Wer hat denn das beschlossen?)

wie das auch das Freiburger grüne Spitzenpersonal Sitzmann, Krebs und Salomon insgesamt tut.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Frau Kollegin Rolland – das räume ich gern ein – hat ge kämpft, sie wurde jedoch nicht gehört.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Sie waren mal zuständig!)

Warum haben Sie nicht die Leipziger Lösung ins Gespräch gebracht?

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Warum haben Sie nicht die Leipziger Lösung ins Gespräch gebracht, die vom Land Sachsen und vom MDR für das Ge wandhausorchester gefunden wurde?

(Staatssekretär Jürgen Walter: Das haben wir doch al les gemacht!)

Diese Form der Zusammenarbeit berührt nicht die Unabhän gigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Das sa ge ich gleich, bevor hier eine solche substanzlose Einrede er hoben wird.

(Zurufe)

Kommen Sie mir nicht mit dem gestrigen Interview von Herrn Bultmann in den „Stuttgarter Nachrichten“. Nach einer Or chesterversammlung am gestrigen Abend widerspricht die Sprecherin des Orchesters in wesentlichen Teilen den Darstel lungen von Herrn Bultmann.

(Zuruf des Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE – Gegenruf der Abg. Sabine Kurtz CDU: Schon ge lesen?)

Dass sich der Ministerpräsident um eine für die Wahrnehmung des Landes so wichtige Frage kümmert, diese Hoffnung muss wohl jeder begraben, der darauf gesetzt hatte. Der SWR hät te anders entscheiden können; das stimmt. Aber das enthebt

die Landesregierung nicht der Pflicht, alles zu versuchen, um den Untergang des Sinfonieorchesters Baden-Baden und Frei burg zu verhindern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich fordere Sie auf, in ernsthafte Verhandlungen mit dem SWR, der bereits seinen erheblichen Beitrag angeboten hat, mit der Stadt Freiburg und mit Vertretern der Bürgergesell schaft, die die Stiftungslösung umsetzen wollen, einzutreten. Ihr Versagen

(Zuruf des Abg. Alexander Salomon GRÜNE)

hat etwas damit zu tun, dass Sie die Wahrnehmung des Lan des nicht mit seinen kulturellen Schätzen in Verbindung brin gen. Deshalb ist auch Ihr Wegducken in dieser Frage nur ein Symptom für Ihr kulturpolitisches Versagen,

(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Wie viele Mit glieder der CDU-Fraktion haben dafür gestimmt?)

das auch bei den Kulturträgern im Land so empfunden wird.

Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Herrn Abg. Kern das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Rau, Sie haben von „Skandal“ und von „Versagen“ gesprochen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Pa trick Rapp CDU: Richtig!)

Den Skandal und das Versagen sehe ich eher auf Ihrer Seite.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Sehr gut!)

Der Skandal war, dass – nach dem, was man hier so hört – Ih re Leute einschließlich Ihrer selbst im Rundfunkrat für die Fu sion der Orchester gestimmt haben.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Wer hat zugestimmt? Der Rau?)

Das Versagen liegt bei Ihren Leuten, auf keinen Fall bei uns.