Protocol of the Session on April 10, 2014

Da muss ich sagen: Bei dieser Debatte habe ich schon einen Hinweis darauf vermisst, was der Polizei nutzt.

Bei dem, was Sie, sehr geehrter Herr Blenke, gesagt haben, hatte ich dagegen ein kleines Déjà-vu. Ich habe die neue Zeit schrift der Deutschen Polizeigewerkschaft bekommen. Darin ist „100 Tage Polizeireform“ Thema einer Gewerkschaft, die mitten im Wahlkampf steht, die nämlich im Moment um mehr Mandate bei den Personalratswahlen streitet. Deswegen steckt sie viel Energie in ein Thema, das nicht in erster Linie der Po lizei nutzt. Vielmehr werden hier Dinge zusammengetragen, die Sie bei Ihrer Wortwahl leider alle wiederholt haben – na hezu 1 : 1.

(Abg. Walter Heiler SPD: Plagiat!)

Es tut mir leid: Hier geht es um Klientelpolitik. Sie sprechen Aussagen nach, die im Grunde Wahlkampf für eine einzelne Gewerkschaft sind. Das sollte man nicht machen, wenn es um die Polizei geht.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Klaus Herrmann CDU: Nehmen Sie nicht mehr ernst, was die Gewerkschaft sagt? – Zuruf des Abg. Volker Schebesta CDU)

Der Kollege Nemeth hat heute Morgen ein interessantes Zi tat von Oberbürgermeister Rommel gebracht: „Die Summe der Einzelinteressen ergibt nicht das Gemeinwohl.“ Das gilt erst recht für die Polizei, und das gilt erst recht für die Frage, mit der wir uns hier befassen sollten.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Erzählen Sie das ein mal auf dem nächsten Gewerkschaftstag!)

Vor lauter Besoffenheit an den Argumenten, die Sie 1 : 1 hier vorgetragen haben, haben Sie völlig vergessen, warum wir die Polizeireform überhaupt machen mussten. Das haben Sie in Ihrem Rausch völlig ausgeblendet. Wir haben die Polizeire form machen müssen, weil Sie die Zahl der Polizisten abge baut haben – 1 000 Personen. Sie haben Posten geschlossen, Sie haben die demografische Herausforderung nicht angenom men. Sie haben im Grunde nur die Strukturen aufrechterhal ten.

(Zuruf des Abg. Andreas Deuschle CDU)

Die Polizei war das Sparschwein; Sie haben die Zahl der Po lizisten um 1 000 abgebaut.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Durch die CDU! – Zu ruf des Abg. Klaus Herrmann CDU)

Vergangenheit. – Die Struktur war das Potemkinsche Dorf. Sie haben auf die Strukturen gebaut, die mit den Landkreisen

übereinstimmen. Das war die Struktur, auf die Sie gebaut ha ben. In Wirklichkeit aber haben Sie gespart. Aber das ging auf Kosten der Qualität und hat die anderen Probleme nicht ge löst. Deswegen war diese Reform zwingend erforderlich.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Ich will noch ein anderes Thema ansprechen, denn auch da haben Sie sich mit Ihren Aussagen in einen Widerspruch ge setzt. Es ist schon ein bisschen befremdlich, wenn 100 Tage nach Inkrafttreten der größten Reform, die die Polizei im Land Baden-Württemberg über sich hat ergehen lassen – auch über sich hat ergehen lassen müssen, weil es dafür höchste Zeit war –, der polizeipolitische Sprecher der CDU-Fraktion zwei Ein zelfälle anführt, die nach seiner Auffassung schlecht gelaufen seien.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Das waren zwei Bei spiele! – Abg. Volker Schebesta CDU: Stellen Sie den Antrag auf Verlängerung der Redezeit! Dann bringen wir mehr! – Abg. Thomas Blenke CDU: Ich hatte lei der nur zehn Minuten!)

Um Gottes willen! Zwei Einzelfälle, das ist doch der Beweis, dass das Ganze richtig gelaufen ist. Ich kann mich erinnern: Als wir an dieser Stelle über den Untersuchungsausschuss „EnBW-Deal“ diskutiert haben, wurde vonseiten der CDU im mer angeführt: „Denkt doch jedes Mal einmal daran, was die Mitarbeiter denken, wenn wir eine Debatte über die EnBW führen. Jede Debatte über die EnBW ist ein Schlag ins Ge sicht der Mitarbeiter der EnBW.“ Und was machen Sie bei der Polizei?

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Die Polizeibeamten hat Herr Blenke gelobt!)

Jeden Monat muss man sich in Debatten anhören, was wieder schiefgelaufen sei. Sie transportieren ein Bild von der Polizei ins Land, das auf Kosten der Polizei geht. Das geht nicht. Das tut mir leid.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Sie profilieren sich auf Kosten der Polizei. Sie profilieren sich, indem Sie die Sicherheitslage des Landes Baden-Württem berg schlechtreden,

(Zuruf des Abg. Andreas Deuschle CDU)

und Sie profilieren sich leider, indem Sie Anfangsschwierig keiten überbetonen. Dabei wurde von Anfang an eingeräumt, dass es diese geben wird. Wie soll das bei der größten Reform und der größten Veränderung aller Zeiten bei der Polizei auch anders sein? Dass Sie sich daran delektieren, ist zu wenig.

Was haben wir gemacht? Herr Kollege Blenke hat einiges zu sammengetragen, hat aber die Schwerpunkte aus meiner Sicht falsch gesetzt.

Es stimmt: Auch früher wurden Sonderkommissionen gebil det – aber aus unterschiedlichen Direktionen. Da mussten Leute aus unterschiedlichen Direktionen zusammengewürfelt werden.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Ja und? – Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Jetzt handelt es sich um ein Team, das die ganze Zeit zusam men ist, das gemeinsam lernt, sich gemeinsam fortbildet und gegenseitig von den Erfahrungen profitiert. Deswegen ist es sehr wohl richtig, die schnelle Aufklärung des Doppelmords in Albstadt auch auf diese Strukturveränderungen zurückzu führen.

Was den Kriminaldauerdienst angeht: Sie haben völlig ausge blendet, wie es früher war. Früher ist eben zufällig derjenige, der gerade Bereitschaftsdienst hatte, an die betreffende Stel le gekommen, egal, ob er von dem Fall und von der Situation etwas verstanden hat oder nicht. Das ist geändert worden.

(Zuruf des Abg. Klaus Herrmann CDU)

Durch die zentralisierte Spurensicherung ist eine verbesserte Auswertung von Spuren vor Ort gewährleistet. Ähnliches gilt für die Verkehrspolizei, die schwierige Verkehrsunfälle bear beitet. Das haben Sie, Herr Kollege Blenke, im Grunde lä cherlich gemacht. Wenn die Schutzpolizei zwei Stunden auf die Verkehrspolizei wartet, dann handelt es sich in dem be treffenden Fall um einen so schweren Unfall, von dem so vie le Folgefragen abhängen, dass es vernünftig ist, dass sich da mit nicht jemand befasst, der wenig bis gar keine Ahnung von der Situation vor Ort hat, sondern ein Spezialist, der genau klärt: Wie ist der Todesfall zustande gekommen, worin lag die Ursache? Das ist bei der heutigen Technik letztlich nur durch Spezialisten möglich.

Deswegen ist das nichts, worüber man sich lächerlich machen sollte, sondern das ist geradezu ein Ausweis dafür, dass diese Reform richtig ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Zu den Stellen möchte ich Ihnen auch noch etwas sagen, weil das Ganze auch bezweifelt wurde. Wir haben in jedem Revier zwei zusätzliche Planstellen.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Auf dem Papier!)

Diese Zahl steht. Sie wissen selbst, dass sich Planstellen und Erfüllungsquoten voneinander unterscheiden. In 25 der 146 Reviere sind durch Pensionierungen zwar aktuell weniger Menschen vor Ort als vor der Polizeireform. Aber in 120 Re vieren sind bei gleichzeitiger zusätzlicher Schaffung von zwei Planstellen im Vergleich zu der Zeit vor der Polizeistruktur reform bis zu 18 Personen zusätzlich pro Revier. Das ist doch ein Wort. Denn dort, wo die Reviere sind, gibt es den Kontakt mit den Bürgern.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Das ist doch das Soll!)

Nein, nein. Ich rede nicht vom Soll, sondern vom Erfül lungsstand. Es gibt bis zu 18 Personen mehr in 120 Revieren. Dort, wo die Leute fehlen – –

(Abg. Matthias Pröfrock CDU: Wie soll denn das funktionieren?)

Das ist so. In Mannheim z. B. ist ganz viel dazugekommen. Dort, wo es tatsächlich derzeit noch weniger sind als vorher, hängt das mit dem Ziel einer sozial verträglichen Umsetzung zusammen. Denn man hat in dem einen oder anderen Fall da rauf verzichtet, eine Position zu besetzen, um dem Beamten,

der auf diese Position gehört, aufgrund seines Lebensalters zu ermöglichen, noch auf seiner alten Dienststelle zu verbleiben.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Von welchem Stichtag gehen Sie aus?)

Ich rede ziemlich konkret von heute, Stichtag heute.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Das heißt, da sind die Einstellungen aus dem Einstellungskorridor dabei!)

(Zuruf des Abg. Volker Schebesta CDU)

Jetzt komme ich zu weiteren Zahlen. Denn ich möchte mit ei ner Mär aufräumen. Im Zusammenhang mit der Umsetzung der Polizeistrukturreform mit dem Interessenbekundungsver fahren wird immer angeführt, wie stark die Entfernung der Wohnorte der Polizisten von ihrer Arbeitsstelle gestiegen sei. Beim Polizeipräsidium Karlsruhe – in dessen Zuständigkeits bereich leben der Kollege Blenke und der Kollege Rülke – hat sich durch die Polizeistrukturreform für die Polizeibeamten Folgendes geändert: 2 600 Beschäftigte bleiben dort, wo sie schon vorher waren. 2 600! 92 Beschäftigte – das ist ein ganz kleiner Bruchteil – brauchen nun weniger Zeit für die Fahrt zu ihrem Dienstort als vorher, und 143 Beschäftigte brauchen nun länger für die Fahrt zu ihrem neuen Dienstort. Bei 2 600 Beschäftigten bleibt alles beim Alten.

Das bedeutet, dass jeder Beschäftigte bei diesem neuen Poli zeipräsidium im Schnitt gerade einmal 190 m mehr zur Arbeit fährt

(Lachen bei Abgeordneten der CDU)

und die allermeisten vor Ort bleiben können bzw. die Zeit, die sie unterwegs sind, sehr viel kürzer ist als vorher. Also: Hö ren Sie endlich damit auf, die Mär zu verbreiten, was für ei ne Belastung das sei. Das Interessenbekundungsverfahren hat gewirkt,

(Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Thomas Blenke: Bei zehn Arbeitstagen macht das gerade einmal 19 m aus!)

und es ist sozial verträglich umgesetzt worden.