Ich sage ganz klar: Wir haben ein Paket vereinbart. Zu diesem Paket stehen wir. Dieses Paket umfasst auch Änderungen der Landesverfassung mit dem Ziel mehr direkter Demokratie. Dieses Paket umfasst aber auch das Landtagswahlrecht. Sie
haben damals zugestimmt, dass wir das so machen. Wir be harren darauf, dass das auch so umgesetzt wird.
Meine Damen und Herren, Sie wollen doch nicht mehr Bür ger bei einer Landtagswahl einbinden, sondern weniger. Sie wollen doch bei der Frage der Listenwahl den Parteien mehr Macht überantworten statt weniger Macht.
Sie wollen doch alles dafür tun, dass der Bürger nicht mehr unmittelbar über die personelle Zusammensetzung des Land tags entscheiden kann.
Sie wollen doch, dass der Bürger künftig nur noch über die relative Sitzverteilung entscheiden kann. Sie wollen offen sichtlich verhindern, dass der Bürger mit seiner Stimme, die er derzeit hat, auch über die personelle Zusammensetzung die ses Landtags entscheiden kann.
Wir stellen fest: Unser Wahlrecht ist ein Wahlrecht, das den Bürger am unmittelbarsten beteiligt. Die Menschen entschei den direkt, wer sie im Landtag vertreten soll, wer ihre Stim me im Landtag ist – unter Ausschluss der Landesparteien.
Diese direkte Wahlmöglichkeit ist für die Union ein hohes Gut unserer freiheitlichen Gesellschaft. Daran dürfen wir nichts ändern. Wir werden Sie daran messen, ob Sie daran etwas än dern wollen. Davon hängt nämlich auch der Gesamtkompro miss ab, der gefunden worden ist.
Vielen Dank, Herr Abg. Hauk. – Empfinden Sie das für die Bundestagswahl geltende Zweistimmenwahlrecht als weniger demokratisch als das Lan deswahlrecht?
Herr Lehmann, es geht nicht um die Frage, ob es demokratischer ist oder nicht. Natürlich sind das Bundestagswahlrecht und Listenwahlrechte in anderen Län dern, bei denen man nur Parteien wählen kann, nicht undemo kratisch. Es stellt sich aber eine ganz andere Frage: Bei wel chem Wahlrecht hat der Bürger mehr unmittelbare Mitspra cherechte, ob Herr Abg. Lehmann und Frau Abg. Lösch im Landtag sind?
Herr Ministerpräsident, Politik bedeutet, Kompromisse zu fin den und diese dann auch um- und durchzusetzen. Wir haben einen Kompromiss gefunden, der einen guten Fortschritt hin
sichtlich der direkten Demokratie darstellen wird. Jetzt sind Sie gefragt. Politik heißt auch – Sie haben es erwähnt, aber dann tun Sie es bitte auch –, am Ende auch Entscheidungen zu treffen und umzusetzen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das zweite Element, das Sie zu Recht angesprochen haben, ist das Thema „Bürger beteiligung in Verfahren“. In der Tat kommt es darauf an, dass bei Großprojekten, bei Verfahren – da haben Sie vollkommen recht – die Menschen deutlich stärker mitgenommen werden, als dies früher der Fall war. Es darf auch nicht zu Eskalatio nen kommen wie bei – aus Ihrer Sicht – aufmüpfigen Bürgern bei S 21, aufmüpfigen Bürgern beim Nationalpark, denen man dann auf einmal das Recht abspricht, ihr Demonstrationsrecht wahrzunehmen.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung und vor al lem die Grünen haben mit ihrer selbst ernannten Bürgerregie rung große Erwartungen geweckt, die Sie aber bis heute nicht erfüllen.
Kurt Schumacher formulierte das so: „Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit.“ Was haben Sie den Menschen in unserem Land nicht alles versprochen, als Sie, Herr Minis terpräsident, und der Finanzminister bei der Regierungsüber nahme vor die Presse getreten sind? Blühende Landschaften, eine Bürgerregierung, endlich eine Politik des Gehörtwerdens.
(Zurufe, u. a. Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das ha ben wir doch! Haben wir denn keine blühenden Land schaften? Baden-Württemberg ist blühend! Dieses Jahr blüht das Land noch viel früher als letztes Jahr!)
Man kann heute feststellen: Drei Jahre danach – wobei Sie sich morgen wieder selbst feiern werden – ist das ein schöner Traum. In Wirklichkeit, meine Damen und Herren von Grün und Rot, hören Sie die Menschen in diesem Land nicht. Sie hören sie nicht, sondern Sie bevormunden die Menschen in diesem Land.
Sie schweben doch auf Ihrer Ideologiewolke durch das Land und wollen den Menschen erklären, was gut und was schlecht für sie ist.
Sie bevormunden die Menschen. Das missfällt uns, und das missfällt zunehmend auch den Bürgerinnen und Bürgern in Baden-Württemberg.
Sie haben in Ihrer Rede, Herr Ministerpräsident, gerade er zählt, wie diese Regierung in Ihren Bürgerbeteiligungsfanta sien arbeitet. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Beispiel Fil derdialog: Nach einem peinlichen Auswahlverfahren fanden Sie am Ende doch noch einige Menschen, die unter falschen Versprechungen gemeinsam eine Lösung für den Filderbahn hof suchten. Herr Ministerpräsident, Sie haben den Menschen zwar eine bessere Lösung versprochen, aber Sie hatten nie vor, für die Verbesserungen auch zu zahlen. Zurück blieben am Ende enttäuschte Menschen.
Den Filderdialog haben Sie ebenso unbeherzt durchgeführt, wie Sie noch heute die Ergebnisse der Volksabstimmung zu Stuttgart 21 umsetzen. Es ist in Ordnung; Sie haben erklärt: „Das Ergebnis der Volksabstimmung wird akzeptiert.“ Ent schuldigung, das ist eine Selbstverständlichkeit. Etwas ande res hätten Sie auch gar nicht tun können.
Aber wie sieht denn die Realität aus? Der Verkehrsminister tut alles, um das Vorhaben zu unterminieren, zu karikieren, öffentlich zu diffamieren.
(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Stimmt doch nicht! – Gegenruf des Abg. Volker Schebesta CDU: Bei Stuttgart 21 nehmen sie nicht teil!)
Wann immer sich die Möglichkeit bietet, lassen Sie das Pro jekt durch den Verkehrsminister untergraben.
Wenn Sie es akzeptiert hätten, hätten Sie zumindest ein Re gierungsmitglied dort hingeschickt und nicht einen Abtei lungsleiter aus dem Verkehrsministerium,
der dann im Reigen zwischen dem Bahnchef und anderen Ver tretern im Prinzip die Landesregierung vertreten hat.
Meine Damen und Herren, das nennen wir nicht „akzeptie ren“. Zum Akzeptieren gehört ein Stück weit auch die Dar stellung der Regierung, dass auch sie selbst dieses Projekt un terstützt. Dazu gehört auch Präsenz vor Ort.