Protocol of the Session on January 30, 2014

Aber wir sind jetzt bei dem Thema,

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Biberpelz ist wär mer als der vom Fuchs!)

das im Augenblick wirklich aktuell ist.

Meine Damen und Herren, da aller guten Dinge drei sind, wer den wir aufgrund dessen, was ansteht, dieses Thema – – Ich bedanke mich auch bei den Vorrednern, die wirklich sehr viel Fachliches angesprochen haben. Ich möchte das nicht wieder holen, sondern erinnere an die Redebeiträge der letzten bei den Aktuellen Debatten zu diesem Thema.

Dass sich seither aber die Rechtslage, die Erkenntnisse der Naturwissenschaften und auch die Positionen der hier im Haus vertretenen Fraktionen nicht geändert haben, ist durch das, was die Vorredner gesagt haben, glaube ich, klar geworden. Da stimme ich natürlich mit ein.

Meine Damen und Herren, natürlich sollten wir hier auch noch einmal den Verbraucherschutz ansprechen. Ich habe immer ganz klar gesagt: Wir haben schon heute in vielen Produkten gentechnisch veränderte Zusatzstoffe, Begleitstoffe aus der Lebensmittelindustrie, die nicht entsprechend deklariert sind und von denen wir gar nichts wissen: In Bier, in Hefen, in Jo ghurt – überall haben wir solche Stoffe. Da fehlt mir nach wie vor eine – –

(Zuruf des Abg. Paul Locherer CDU)

(Abg. Paul Locherer CDU: Das muss man wissen!)

Ja, das muss man einfach sehen, und man muss den Men schen auch die Möglichkeit geben, zu sehen, was drin ist. Man muss wissen, dass das, was draufsteht, drin ist, und das, was drin ist, muss draufstehen. Deshalb, meine Damen und Her ren, müssen wir vor allem hier noch einmal nachfragen, wie es um die Deklaration von auch nur in Spuren vorhandenen gentechnisch veränderten Bestandteilen steht.

(Beifall bei der FDP/DVP und den Grünen – Zurufe: Bravo!)

Aber noch einmal: Das Thema „Vitamine, Aminosäuren und andere Zusatzstoffe“ fehlt mir ebenfalls.

Ich möchte auch sagen: Forschung muss frei bleiben von Ver boten. Das hat auch die grüne Wissenschaftsministerin, Frau

Bauer, in der Haushaltsdebatte gesagt: Die Forschung muss möglich sein. Aber ich sage auch ganz klar: Wenn die Bürge rinnen und Bürger, die Verbraucherinnen und Verbraucher so wie die Bäuerinnen und Bauern grüne Gentechnik nicht wol len, muss es auch möglich sein, darauf zu verzichten, dies bei uns einzuführen.

Was die Erträge angeht, bin ich etwas anderer Meinung, Herr Kollege Burger. Wir haben durch die konventionelle Züch tung in den letzten Jahren wirklich tolle Erträge. In den Fünf zigerjahren hatten wir 20 bis 30 Doppelzentner Raps pro Hek tar; heute sind es 50 und mehr, und zwar ohne Gentechnik. Wir hatten bei Weizen Erntemengen von 30 bis 40 Doppel zentnern; heute sind es 70 bis 100 Doppelzentner, und zwar ohne Gentechnik. Bei Zuckerrüben hatten wir Erntemengen von 400 bis 500 Doppelzentnern; heute sind es 800 bis 1 200 Doppelzentner, und zwar ohne Gentechnik.

Deshalb, meine Damen und Herren, ist das Argument Erträ ge bei uns in Europa überhaupt kein Thema. Unsere konven tionelle Züchtung hat auch hinsichtlich der Resistenz gegen über Pilzkrankheiten oder Ähnlichem sehr viel erreicht. Das ist kein Argument, gentechnisch veränderte Produkte bei uns einzuführen.

(Beifall bei der FDP/DVP und den Grünen sowie Ab geordneten der SPD – Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Bravo!)

Unsere Bauern, unsere Verbraucherinnen und Verbrau cher brauchen und wollen keinen Genmais.

Das waren Ausführungen des Bauernpräsidenten Rukwied auf der Grünen Woche. Auch – das ist heute ebenfalls schon ge sagt worden – der neue Landwirtschaftsminister hat das aus geführt.

Jetzt komme ich aber noch einmal zur SPD. Das hat sich sehr gut angehört. Das, was Sie, Herr Kollege, gesagt haben, klang fast moralisch, pastoral. Doch wo ist denn das im Koalitions vertrag, wo ist die SPD? Auch Herr Gabriel hat sich klar und deutlich dagegen ausgesprochen. Ich will einmal sehen, was er hier in diesem Bereich als Wirtschaftsminister in Richtung Europa durchsetzt.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der Grünen)

Er sollte mit seinem Koalitionspartner auch darüber sprechen. Denn bayerische Sprüche finde ich zwar immer gut und wit zig, aber sie müssen in praktische Politik umgesetzt werden.

(Beifall bei der FDP/DVP und der Abg. Beate Böh len GRÜNE – Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Bravo!)

Meine Damen und Herren, am 11. Februar wird durch die Eu ropaminister in der EU die Entscheidung über den Mais 1507 fallen. Sicherlich ist diese Aktuelle Debatte am heutigen Tag tatsächlich aktuell. Aber man wird in Brüssel weder das Licht des Agrarministers von Stuttgart aus groß leuchten sehen, noch wird man meines Erachtens in den Reihen der Europa minister zusammenzucken, weil wir heute diskutiert haben. Gefordert ist hier ganz klar die Bundesregierung, gefordert

sind die Europapolitiker. Deshalb ist es sicherlich nicht falsch, dass man von hier aus einen Appell formuliert oder eine Mei nungsäußerung abgibt; aber das Gewicht liegt woanders. Da sind wir hier im Landesparlament ein paar Nummern zu klein. So viel Bescheidenheit müssen wir, glaube ich, an den Tag le gen.

Meine Damen und Herren, der Preis dafür, unser Vorsorge prinzip aufzugeben, ist an anderer Stelle viel höher. Im Au genblick steht die EU mit den USA in Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen. Da steht meines Erachtens viel, viel mehr auf dem Spiel. Denn hier geht es darum, dass man ame rikanische Standards insgesamt bei uns einführen will. Gera de das wichtige Thema dieses Freihandelsabkommens ist et was, woran wir vor allem arbeiten müssen, auch in Richtung Bundesregierung. Hier prallen nämlich Welten aufeinander.

Der Preis wäre, unser Vorsorgeprinzip aufzugeben und an des sen Stelle amerikanische Standards zu setzen, wo die Vorsor ge nur auf dem Papier steht; die Amerikaner haben mit dem Vorsorgeprinzip wenig am Hut. Unser Vorsorgeprinzip preis zugeben ist meines Erachtens nicht machbar. Wenn die USAmerikaner mit Wachstumshormonen in der Rinder- und Schweinezucht, mit chlorgebadeten Hähnchen und mit Gen mais glücklich werden, dann ist das deren Sache; für mich steht Vorsorge vor totalem Kommerz.

(Beifall des Abg. Reinhold Pix GRÜNE)

Vorsorge ist vor allem bei Lebensmitteln wichtig. Man muss die Wortfolge einmal umdrehen: Lebensmittel sind Mittel zum Leben. Da gilt hinsichtlich des Freihandelsabkommens mit den USA die Alarmstufe 1. Das Freihandelsabkommen darf so nicht kommen. Denn die Absicht ist klar, dass man ameri kanische Standards bei uns einführen will. Das halte ich für falsch. Wir dürfen unsere Vorsorge nicht aufgeben.

Zum heutigen Thema nur noch einmal so viel: Wir sind uns bei der letzten Debatte einig gewesen, dass wir GVO nicht wollen – weil die Bürgerinnen und Bürger sie nicht wollen, weil die Bäuerinnen und Bauern sie nicht wollen.

Nochmals: Forschung ja, Anbau nein.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Für die Landesregierung spricht Herr Minister Bonde.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Da men und Herren! Das Thema, über das wir hier diskutieren, ist brandaktuell. Heute Nachmittag wird der Deutsche Bun destag über die deutsche Position in Europa zur Zulassung von Genmais diskutieren, und in den nächsten Tagen muss die Bundesregierung ihre Position, ihre Haltung dazu finden, wie sich Deutschland als Zünglein an der Waage in den europäi schen Abstimmungen ganz konkret zur Zulassung von Gen mais positioniert. Insofern ist es richtig, hier auch aus den Ländern noch einmal deutliche Signale zu geben.

Ich nehme mit Freude wahr, dass sich der Bundeswirtschafts minister inzwischen zu einem deutschen Nein hin positioniert hat. Ich nehme aber mit ebenso großem Interesse wahr, dass

es seitens des Bundeslandwirtschaftsministers und seitens der Bundeskanzlerin bisher eine „kraftvolle“ Enthaltung als Po sition Deutschlands gibt. Das führt eben nicht zu der Positio nierung Deutschlands, die wir brauchen, um dem Ziel, über das wir hier diskutieren, Geltung zu verleihen.

Insofern ist es wichtig, wenn es uns hier gelingt, die Gemein samkeit in Bezug auf dieses Thema zu halten, das auch deut lich auszustrahlen und das Interesse des Landes Baden-Würt temberg hier auch klar in Richtung Bundesregierung zu for mulieren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Agrogentechnik, Gentechnik in der Landwirtschaft, trifft in der Bevölkerung auf eine breite Front der Ablehnung. Sie ist in Fachkreisen höchst umstritten. Die Menschen lehnen es ab, genmanipulierte Pflanzen und Tiere auf dem Acker und auf dem Teller zu haben. Denn zu groß sind die Bedenken ange sichts ungeklärter Risiken, die aufgrund der Prozesse aus gen technisch veränderten Futter- und Lebensmitteln entstehen können. Die Menschen fragen sich zu Recht: Weshalb sollen wir diese Risiken eingehen? Es geht um Lebensmittel, es geht um Natur, und es geht um eine nicht rückholbare Technolo gie.

Wir haben hier in Baden-Württemberg eine klare Haltung. Be reits im grün-roten Koalitionsvertrag haben wir uns klar für eine gentechnikfreie Landwirtschaft, für Futter- und Lebens mittel ohne gentechnisch veränderte Organismen positioniert, und wir haben ein klares Bekenntnis dazu abgelegt, dass wir die Bedenken der Verbraucherinnen und Verbraucher sehr ernst nehmen und ihre kritische Haltung gegenüber der Agro gentechnik teilen und das, was in unserer Macht steht, tun, um hier in Baden-Württemberg dafür zu sorgen, dass vorbeugen der Verbraucherschutz und Umweltschutz zum Zuge kommen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Wenn wir über Saatgut erst einmal gentechnische Verunreini gungen in der Umwelt haben, ist es bereits zu spät. Alle Bei spiele weltweit zeigen, dass es keine Rückholbarkeit aus der freien Natur gibt. Deshalb stehen wir mit unserer Position an der Seite der Landwirte. Agrogentechnik ist Gift für den Mit telstand, für Familienbetriebe, denn Fragen der Haftung, der Beherrschbarkeit bei Auskreuzungen usw. führen dazu, dass Agrogentechnik eine Technologie ist, von der Multikonzerne profitieren, nie aber die Landwirtschaft, wie wir sie haben und erhalten wollen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Peter Hauk CDU: Von wem reden Sie denn?)

Aktuell findet in Baden-Württemberg kein Einsatz von Agro gentechnik statt. Das muss auch so bleiben. Die grün-rote Lan desregierung steht für eine engagierte Politik, die die weni gen Handlungsspielräume, die das Land hat, offensiv nutzt. In Baden-Württemberg führen wir ein bundesweit vorbildli ches Ernte- und Saatgutmonitoring durch. Durch ständige flä chendeckende Kontrollen stellen wir sicher, dass Saatgut gen technikfrei ist und auch bleibt.

Wir, die grün-rote Landesregierung, sind dem Europäischen Netzwerk gentechnikfreier Regionen beigetreten. Der Finanz- und Wirtschaftsminister und ich haben in dieser Legislaturpe

riode sichergestellt, dass bei einer Neuverpachtung von lan deseigenen Flächen die Verpflichtung zum gentechnikfreien Anbau Bestandteil der Verträge ist. Die Landesregierung ist auch in der Vorbereitung der Novelle des Landesnaturschutz gesetzes, in dem wir auch die Abstandsregelungen gentech nisch veränderter Organismen zu Naturschutzgebieten über das Naturschutzrecht sicherstellen wollen.

All diese Maßnahmen haben wir in dieser Legislaturperiode ergriffen. Wir werden auch weiterhin alle Mittel nutzen, die uns zur Verfügung stehen, um die Interessen der Verbrauche rinnen und Verbraucher und der Bäuerinnen und Bauern in Baden-Württemberg zu stärken.

Wenn wir bereits bei der Zulassung gentechnisch veränderter Nutzpflanzen und Sorten ansetzen könnten, wäre für das Land ein effektiveres Handeln möglich. Sie wissen, dass dies Ge genstand einer weiteren aktuellen Debatte in Brüssel ist, bei der ich mir von der Bundeskanzlerin mehr Engagement und eine klare Positionierung für die Rechte der Nationalstaaten und Bundesländer, hier auch handeln zu dürfen, wünschen würde, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Saatgut steht immer am Anfang der Lebensmittelkette. Bei Agrogentechniken muss deshalb besonders vorsichtig vorge gangen werden. Deshalb erfordert die Aktuelle Debatte um die Zulassung des gentechnisch veränderten Maises 1507 un ser politisches Engagement. Der Handlungsspielraum der Bundesländer ist gering. Wir müssen uns aber mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln gegen die Anbauzulassung dieser Nutzpflanze engagieren.