Auch das Landeserziehungsgeld ist manchmal besser als nichts. Aber – auch das ist kein Geheimnis – sein grüner Fan club ist mehr als überschaubar. Das hat Gründe. Denn das Landeserziehungsgeld gab es ursprünglich nur dann, wenn die Mütter zu Hause blieben. Es wurde im Anschluss an das frü here Bundeserziehungsgeld gezahlt. Auf 24 Monate Bundes erziehungsgeld folgte zwölf Monate lang Landeserziehungs geld; das ergab im besten Fall eine 36 Monate währende Un terstützung.
Das Bundeserziehungsgeld gibt es aber nicht mehr. Deshalb wird das Landeserziehungsgeld nun im Anschluss an das El terngeld gezahlt. 13 Monate Elterngeld plus zehn Monate Lan deserziehungsgeld ergeben maximal 23 Monate Förderung.
Halten wir also fest: Das Landeserziehungsgeld gibt es nicht so lange, wie ein Bedarf besteht, sondern höchstens zehn Mo nate lang. Es wird auch nur dann gezahlt, wenn einer der bei den Elternteile maximal 21 Wochenstunden arbeitet. Wenn ein Elternteil also mehr als 21 Wochenstunden arbeitet, die Fami lie aber trotzdem arm ist, bekommt sie keine Unterstützung. Das ist die „soziale Errungenschaft“, über die wir hier spre chen.
Dank Schwarz-Gelb haben sich also alle Rahmenbedingun gen verändert, und zwar zum Schlechteren. Die frühere Sozi alministerin, Frau Dr. Stolz, hat darüber hinaus festgestellt, dass die Inanspruchnahme des Landeserziehungsgelds sinkt, weil mehr Eltern wieder früher voll erwerbstätig sein wollen. Sie sind vor allem auf gute Kinderbetreuung angewiesen. Trotzdem legt die CDU hier einen Antrag zum Landeserzie hungsgeld vor, in dem sinngemäß steht: Es soll alles so blei ben, wie es schon lange nicht mehr ist.
Wir können nun darüber streiten, ob das naiv oder einfach ig norant ist. Denn wir wissen: Familienarmut in Baden-Würt temberg hat viele Ursachen. Genau da setzt Grün-Rot an. Wir schaffen die Grundlagen für faire Beschäftigungsverhältnis se,
für Chancen für Benachteiligte am Arbeitsmarkt und nicht zu letzt für eine flächendeckende und bedarfsgerechte Kinderbe treuung. Genau dieser Mangel an Kinderbetreuung ist übri gens – das ist wissenschaftlich nachgewiesen – eine Hauptur sache für Armut von Alleinerziehenden. Genau hier investie ren wir mehr, als Schwarz-Gelb je zu investieren bereit war.
Dasselbe gilt in Bezug auf Langzeitarbeitslose, also einen Per sonenkreis, den die schwarz-gelbe Bundespolitik mit ihrer so genannten Instrumentenreform schlicht abgeschrieben hat.
Natürlich kann das Land nicht alle schwarz-gelben Versäum nisse ausgleichen. Wir werden deshalb nicht zuletzt auch über den Bundesrat versuchen, die Weichen neu zu stellen.
Unsere Konzentration auf faire Rahmenbedingungen bedeu tet natürlich nicht, dass es künftig ohne bedarfsgerechte Geld
leistungen gehen wird. Wir brauchen diese Leistungen ergän zend. Bei einigen Personengruppen liegt das auf der Hand, et wa bei Studierenden oder Auszubildenden mit Kindern – na türlich nicht bei allen, aber doch im Bedarfsfall – und ganz besonders bei Hartz-IV-Empfängern, die wir – bzw. das Land – nun genau in den wichtigen ersten 13 Lebensmonaten ihres Kindes unterstützen wollen,
Um umfassend entscheiden zu können, wie Infrastruktur und soziale Transfers optimal zusammenwirken, wird die von den Grünen geführte Landesregierung einen Armuts- und Reich tumsbericht für Baden-Württemberg erstellen lassen.
Dagegen haben sich CDU und FDP/DVP – die wahren „Da gegen-Parteien“ – immer mit Händen und Füßen gewehrt. Es gibt jedoch erschreckende Armut, auch im wohlhabenden Ba den-Württemberg. Das wissen wir. Aber das wollten Sie von CDU und FDP/DVP, weil Sie da ideologisch blockiert sind, offenbar lieber nicht so genau wissen.
Wir hingegen wollen das wirklich wissen. Wir werden aus dem Armuts- und Reichtumsbericht die richtigen Schlussfol gerungen ziehen.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf von der CDU: Da schauen wir einmal! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Der ist eine echte Kon kurrenz zur Ministerin!)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Nach den letzten Ände rungen werden mit dem Landeserziehungsgeld einkommens schwache Familien gefördert, und zwar, wie wir schon gehört haben, mit bis zu 205 € monatlich für die Dauer von zehn Mo naten, also mit maximal 2 050 € pro Kind. Die Förderung setzt nach dem Auslaufen des Bundeselterngelds im zweiten Le bensjahr eines Kindes ein. Der Mindestbetrag des Bundesel terngelds liegt bei 300 €, die in den ersten zwölf bzw. 14 Le bensmonaten gezahlt werden, also bei mindestens 3 600 € pro Kind.
Seit dem 1. Januar 2011 gab es aber entscheidende Änderun gen beim Bundeselterngeld. Durch das unsoziale Sparpaket, mit dem die schwarz-gelbe Bundesregierung die Folgen des Handelns von Spekulanten auf den Finanzmärkten für den Bundeshaushalt ausgleicht, wird das Bundeselterngeld seit dem 1. Januar 2011 auf die Hartz-IV-Leistungen angerechnet. Faktisch wird damit die Mindestleistung von 3 600 € Bundes elterngeld für die ärmsten Familien gestrichen, ein fast dop pelt so hoher Betrag wie beim Landeserziehungsgeld.
Jetzt frage ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU: Wo war damals Ihre Kritik, als im Bundesrat darüber abgestimmt wurde?
Die wenigen kritischen Stimmen hat Ihr Parteivorstand igno riert. So sieht das Engagement der CDU in Baden-Württem berg für benachteiligte Familien aus.
Aus unserer Sicht macht es jetzt keinen Sinn, wenn etwa ei ne alleinerziehende Mutter in den ersten Lebensmonaten ih res Kindes ausschließlich von dem kargen Hartz-IV-Satz le ben muss und danach, also in einer Zeit, in der es vergleichs weise einfach ist, eine angemessene Kinderbetreuung zu er halten und eine Beschäftigung aufzunehmen, eine zusätzliche Förderung durch das Land erhält. Wenn eine zusätzliche För derung für diese Familien Sinn macht, dann doch wohl im ers ten Lebensjahr des Kindes und weniger im zweiten.
Allein schon aus diesem Grund könnten wir Ihrem Antrag, „am Landeserziehungsgeld in seiner bewährten Weise festzu halten“, nicht zustimmen. Schwarz-Gelb im Bund und SchwarzGelb im Land haben die Rahmenbedingungen für einkom mensschwache Familien entscheidend verschlechtert. Wir wollen retten, was wir retten können. So ist die Situation.
Jetzt kommt aber noch etwas hinzu. Die SPD hat vor allem in elf Jahren Regierungsverantwortung im Bund entscheidend dazu beigetragen, dass sich die Rahmenbedingungen, um Be ruf und Erwerbstätigkeit miteinander zu verbinden, erheblich verbessert haben, und zwar nicht nur für den Vater, sondern für beide Elternteile gleichermaßen. Da, liebe Kolleginnen und Kollegen vom konservativen Lager, liegt der entscheiden de Unterschied zwischen unseren politischen Grundwerten.
Sprechen Sie doch einmal mit jungen Frauen über ihre Le bensperspektiven, und setzen Sie sich in Ihrer Partei dafür ein, dass auf diese Wünsche mehr eingegangen wird, unabhängig von den wichtigen Schritten zur gesellschaftlichen Gleichstel lung von Männern und Frauen und unabhängig von den Inte ressen der Wirtschaft, die Mütter nicht als Fachkräfte verlie ren zu wollen. Der frühe Wiedereinstieg beider Elternteile in die Erwerbstätigkeit nach der Geburt eines Kindes ist ein we sentlicher, wenn nicht der wesentliche Faktor zur Überwin dung familiärer Armut.
Das geht nicht ohne den Ausbau der Kinderbetreuung. Wir brauchen längere Öffnungszeiten von Kinderbetreuungsein richtungen sowie die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf ei nen Kinderkrippenplatz im Jahr 2013, und zwar ohne Wenn und Aber.
Dabei – das weiß ich als Bürgermeister nun wirklich gut, Herr Kunzmann – haben Sie den Kommunen in Baden-Württem berg einiges aufgebürdet oder, besser gesagt, sie in der ver gangenen Legislaturperiode im Stich gelassen. Wir werden das ändern.
Ein zweiter wesentlicher Schritt bei der Überwindung von Ar mut ist, direkt bei den Kindern anzusetzen. Wir wissen, je frü her gezielte Bildungsmaßnahmen greifen, desto größer ist ge rade für Kinder aus benachteiligten Familien die Chance, Ar mut aus eigener Kraft zu überwinden.
Deshalb brauchen wir die verbindliche Umsetzung des Ori entierungsplans in allen Kindertagesstätten.
Weil Sie dafür keine ausreichenden Mittel im Landeshaushalt eingestellt hatten, werden wir auch an dieser Stelle umschich ten müssen.
Ich fasse zusammen: Unsere Koalition wird eine sinnvolle fi nanzielle Förderung für die einkommensschwächsten Fami lien mit kleinen Kindern in Baden-Württemberg konzipieren. Aber wir setzen auch auf andere effektive Instrumente zur Ar mutsüberwindung. Wir glauben, dass es deshalb auch verant wortbar ist, einen Teil der Haushaltsmittel, die bisher für das Landeserziehungsgeld vorgesehen waren, zukünftig für diese effektiveren Instrumente einzusetzen. Das Geld bleibt im Sys tem und wird den Familien nicht entzogen.