Außerdem wurde eine Überprüfung der bestehenden Rege lungen zu den Sperrzeiten in der Gaststättenverordnung fest gelegt. Darüber hinaus wurde die Schaffung einer Ermächti gungsgrundlage – kein Verbot – für die Kommunen zum Er lass zeitlich und örtlich beschränkter Alkoholkonsumverbote an öffentlichen Brennpunkten vorgesehen.
Das ist ein Gesamtpaket, bei dem jeder, der dabei war, Kom promisse eingegangen ist. Alle haben am Ende zugestimmt, auch Sie, Herr Kollege Sckerl. Deshalb kann man da nicht einfach einen wesentlichen Punkt herausbrechen. Der Ab schlussbericht entspricht so, wie er dem runden Tisch vorge legt wird, nicht mehr dem, was die Arbeitsgruppe beschlos sen hat.
Meine Damen und Herren, auch Vertreter der Wissenschaft wurden in die Arbeitsgruppe einbezogen. Zudem wurde eine exemplarische Bürgerbefragung in den Städten Ravensburg und Heidelberg einbezogen. 62,9 % der Befragten in Ravens burg und 56,3 % der Befragten in Heidelberg haben sich für die Einführung eines Alkoholkonsumverbots auf öffentlichen Plätzen ausgesprochen.
Daran gibt es auch nichts herumzudeuteln. Das ist ein Ruf der Bürgerinnen und Bürger nach Hilfe durch die Politik. Das müssen Sie, liebe Kollegen von den Grünen, auch endlich ein mal wahrnehmen.
Der Ministerpräsident zeigt mit seinem Verhalten, dass die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger in der Praxis nicht ernst genommen werden. Paradox dabei ist, dass der Ministerprä sident eigentlich für diese Maßnahme ist.
So hören wir es zumindest. Er lehnt dies aber ab, er nimmt dies aus dem Feuer heraus, um Zwist in der eigenen Partei zu vermeiden.
Meine Damen und Herren, eigentlich lautet die Reihenfolge in der Politik: erst das Land, dann die Partei. Bei Ihnen scheint dies umgekehrt zu sein.
Sie laden ein gesellschaftliches Problem auf dem Rücken der Polizei und auf dem Rücken der Menschen ab, um innerpar teilich Ruhe zu haben.
Sie ignorieren den Bürgerwillen. Sie ignorieren Hilferufe aus den Städten, nicht nur aus den Großstädten. In diesen Tagen hat z. B. der Oberbürgermeister der Stadt Calw resigniert fest gestellt: Gegen Trinkgelage fehlen Instrumente.
Vor allem im Sommer werden Innenstädte zunehmend Schau plätze öffentlicher Trinkgelage. Dabei werden nicht nur die
Anwohner um ihren Schlaf gebracht. Drastisch zunehmend kommt es zu Sachbeschädigungen, Körperverletzungsdelik ten und Widerstandsdelikten gegen Polizeibeamte. Glasscher ben auf Kinderspielplätzen, öffentliches Urinieren und ver müllte Plätze verschandeln die Innenstädte und gefährden und verärgern die Bürgerinnen und Bürger.
Meine Damen und Herren, deshalb fordern wir die Landesre gierung auf, endlich zu handeln und einen Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen, der es den Kommunen ermöglicht, zeit lich und örtlich begrenzt an Schwerpunkten Alkoholkonsum verbote auszusprechen.
Meine Damen und Herren, die Lage in den Regierungsfrakti onen, in den Regierungsparteien scheint mir jedoch ziemlich konfus zu sein.
Was die Grünen betrifft, ist der Ministerpräsident wohl eigent lich dafür, die maßgeblichen grünen Oberbürgermeister, Sa lomon und Palmer, auch, und zwar vehement; die Fraktion und die Partei sagen anscheinend Nein.
Bei den Roten sieht es folgendermaßen aus: Der Innenminis ter ist dafür, die Fraktion wohl auch. Jusos und Partei sagen Nein.
(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Wer hat denn da das Sagen? – Gegenruf des Abg. Jörg Fritz GRÜNE: Junge Liberale!)
Herr Innenminister, bei diesem Durcheinander haben Sie doch eigentlich alle Freiheiten. Sie hätten hierfür mit uns eine Mehrheit; packen Sie es doch bitte mit uns gemeinsam an.
Nun haben ja interessanterweise die Grünen und die CDU – der Präsident hat es einleitend bereits gesagt – zufälligerwei se das gleiche Thema für die Aktuelle Debatte gewählt, aller dings, wie ich vermute, Kollege Sckerl, mit einer etwas un terschiedlichen Stoßrichtung.
Unser Debattentitel trug in der ursprünglichen Version näm lich noch den Zusatz: „Der Ministerpräsident auf Abwegen“. Diese Formulierung passt gut in die bisherige Chronologie, die ich Ihnen noch einmal vortragen will.
Am 29. Juli 2009 schrieb die „Badische Zeitung“ in einem Ar tikel zum Urteil gegen das Alkoholverbot der Stadt Freiburg mit dem Titel „Landtagsgrüne stellen sich hinter Salomon“:
„Jetzt muss uns das Land helfen – wir wissen nicht, wie wir das Problem sonst in den Griff bekommen“, sagte Sa lomon.
Im Juni 2011 kam ein Vorstoß von Ihnen, Herr Minister Gall, frisch im Amt und voller Elan. Die „Stuttgarter Nachrichten“ berichteten am 6. Juni 2011:
Innenminister Reinhold Gall... hat sich für ein zeitlich und räumlich befristetes Alkoholverbot auf bestimmten öffentlichen Plätzen ausgesprochen. Die Kommunen soll ten die Möglichkeit haben, das Verbot auszusprechen,....
Daraufhin haben wir, die CDU-Landtagsfraktion, Ende Juni einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht, der genau das enthält, was Sie vorgeschlagen haben. Die „Schwäbische Zeitung“ aber schrieb:
Alkoholverbot an Brennpunkten vom Tisch. Innenminis ter Gall kann sich nicht gegen Grüne durchsetzen.
Die dpa schrieb am 6. Dezember 2011 unter dem Titel „Kretschmann erwartet Einigung beim Alkoholverbot“ – Zi tat –:
Im März 2012 kam es mit Ihrer Mehrheit zur Ablehnung un seres Gesetzentwurfs, der genau dies vorsah. Im September 2012 hieß es dann:
Anstatt endlich die Probleme zu lösen und den Kommunen sowie den Bürgerinnen und Bürgern und der Polizei das Le ben zu erleichtern, hinterlassen Sie einen unglaublichen Schla massel. Diese Einschätzung teilen übrigens ausdrücklich auch die kommunalen Landesverbände.
Zusammengefasst: Der Ministerpräsident richtete in seiner Hilflosigkeit einen runden Tisch ein. Dieser runde Tisch er teilte einer interdisziplinären und überparteilichen Arbeits gruppe zum Thema „Lebenswerter öffentlicher Raum“ den Auftrag, Maßnahmenvorschläge zu unterbreiten. Diese Ar beitsgruppe arbeitete ein halbes Jahr lang überparteilich sehr intensiv und sehr konsensorientiert; sie legte in der vergange nen Woche Vorschläge für den runden Tisch vor. Bevor aber diese Vorschläge überhaupt den runden Tisch erreicht haben, sammelt der Ministerpräsident einen der wesentlichen Vor schläge öffentlich wieder ein.
Meine Damen und Herren, hierdurch ist für die Bürgerinnen und Bürger keine Lösung in Sicht. Ich frage mich mit Blick auf diese ganze Konfusion: Wenn selbst bei einem solchen Thema, das sehr wichtig, gleichzeitig aber auch relativ leicht zu lösen ist – man kann es mit Ja oder Nein entscheiden –, ein solcher Schlamassel zwischen Grün und Rot auftritt, wie wird es dann sein, wenn einmal eine richtig komplexe Problemstel lung in unserem Land auftaucht, meine Damen und Herren?