Wir haben die Verantwortung dafür, die gesellschaftliche Teil habe durch eine bessere Verankerung von Migrantinnen und Migranten im Ehrenamt zu stärken. Wir müssen die Migran tinnen und Migranten in ihrer Wirtschaftsleistung stärken und sie stärker ermutigen, auch als Wirtschaftstreibende aktiv zu werden. Und wir müssen bei der politischen Partizipation und bei integrativ wirkenden Maßnahmen wie dem muttersprach lichen Unterricht weitermachen.
Wir erwarten aber auch, dass sich auf Bundesebene etwas be wegt. Ich sage das nicht zielgerichtet an irgendjemanden, aber doch in das Haus hinein, weil mindestens zwei Fraktionen hier im Haus Partner auf der Bundesebene sein werden – wie auch immer die Regierungsbildung ausgehen wird.
Wir brauchen bei der Frage des Aufenthaltsrechts Bewegung. Das ist in der letzten Legislaturperiode liegen geblieben, und es war irgendwann nicht mehr möglich, dort Dinge zu bewe gen. Letztlich sind die Initiativen im Bundesrat eingefroren worden. Es geht um Altfälle, um Menschen, die seit vielen Jahren in Kettenduldungen leben. Es geht auch um die Besei tigung anderer Anachronismen des Ausländerrechts und um die Frage, wie wir mit der doppelten Staatsbürgerschaft um gehen.
Denn inzwischen nehmen wir die doppelte Staatsbürgerschaft in Ausnahmefällen hin, wie es im Gesetz heißt. Aber in Ba den-Württemberg beträgt die Hinnahme 50 %. Das muss man sich einmal vergegenwärtigen. Ich frage Sie: Wo sind die Aus nahmen? Inzwischen sind es allgemeine Tatbestände; das muss man endlich akzeptieren.
Wir erwarten auch, dass in Zukunft der Zugang zu Integrati onskursen und Sprachkursen wieder vereinfacht wird, die Hürden für Kursveranstalter und Teilnehmerinnen und Teil nehmer niedriger werden und auch die Kurse selbst verein facht werden.
Wir hoffen auch, dass sich die neue Bundesregierung die ak tuellen Empfehlungen des Rates für Migration zu Herzen nimmt, das Kompetenzwirrwarr entwirrt und klare Zuständig keiten schafft. Übrigens empfiehlt der Rat für Migration in seinem offenen Brief an den neu gewählten Bundestag und die noch zu wählende Bundesregierung, dass die Integrations politik endlich aus dem Innenministerium herausgelöst und in einen Bereich Arbeit und Soziales überführt wird.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Bernhard Lasot ta CDU: Das könnte man doch in Baden-Württem berg auch machen!)
Man kann auf Bundesebene gern einmal vorangehen. Ich bin sehr einverstanden, dass wir die Integrationspolitik in Ba den-Württemberg aus dem Innenbereich herausgelöst haben und als eigenständiges Politikfeld begreifen, Herr Lasottta.
Ich möchte Ihnen für die europäische Ebene noch etwas an deres mitgeben, und zwar unter dem Aspekt der aktuellen Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa, bei der es hier aus dem Land auch Forderungen in Richtung Landesregierung gab. Morgen wird im Europäischen Parlament über EUROSUR, das europäische Grenzkontrollsystem, abgestimmt. Manchem ist es vielleicht unter dem Begriff „Frontex“ geläufiger. Es liegt ein Antrag der Fraktion Die Grünen/Europäische Freie Allianz im Europaparlament vor, der vorsieht, das Überwa chungssystem an den Grenzen dadurch zu ergänzen, dass die Einheiten, die dort patrouillieren, ausdrücklich auch das Ret ten von Menschenleben als Auftrag bekommen. Diesen Auf trag haben sie jetzt nicht. Das wäre wirklich wichtig. Nutzen Sie bitte bis morgen früh Ihre Kontakte nach Europa, bevor die Abstimmung läuft.
Herr Präsident, meine sehr geehr ten Damen und Herren! Integrationsförderung ist eine Quer schnittsaufgabe. Das hat gerade die Diskussion gezeigt, die wir alle verfolgt haben. Das zeigt sich auch in der Beantwor tung der Großen Anfrage.
Vor einem Jahr waren wir mit dem Integrationsausschuss in Kanada, um uns über die dortige Integrationspolitik zu infor mieren und die gewonnenen Erkenntnisse für unsere parla mentarische Arbeit in Baden-Württemberg auszuwerten und umzusetzen.
Als Vorsitzende des Integrationsausschusses lege ich Wert auf eine gute und konstruktive Zusammenarbeit, die wir auch im Ausschuss pflegen.
Denn unter dem Strich verfolgen wir alle das gleiche Ziel, nämlich ein gutes Miteinander in der Gesellschaft. Allerdings sind die Wege manchmal unterschiedlich. Es ist Aufgabe des Ausschusses, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Mithilfe des Rechts auf Selbstbefassung können wir im Ausschuss selbst die Initiative ergreifen und dem Landtag Themen zur Entscheidung vorlegen. Hier haben wir schon einiges erreicht.
Ein Beispiel, das den vierten Punkt der Großen Anfrage be trifft: Bildungsangebot und integrierte Förderung. Konkret be richten Jugendliche von ihrem erfolgreichen Bildungsweg in Deutschland. Beispiel ZKM: Es wurden kleine Filme in tür kischer Sprache mit deutschen Untertiteln gedreht. Sie dau
ern nur wenige Minuten, wurden im türkischsprachigen Fern sehen ausgestrahlt, das in Deutschland empfangen wird. Jun ge Migranten kommen dort zu Wort, erzählen ihre persönli che Bildungsgeschichte und berichten, wie sie Bildungschan cen, die ihnen in Deutschland geboten wurden, genutzt haben. Das Filmprojekt ist ein Erfolg – aber das Projekt stand kurz vor dem Scheitern.
Im Integrationsausschuss und mithilfe des Rechts auf Selbst befassung diskutierten wir über das Filmprojekt und waren uns einig, dass es genau an der richtigen Stelle ansetzt. Mitt lerweile wurde das Projekt sogar ausgeweitet. Nun gibt es ein komplettes TV- und Internetmagazin. Es besteht aus mehre ren Modulen zu unterschiedlichen Themenschwerpunkten: Mann/Frau, Weihnachten, Ramadan oder Ernährung. Diese Themen wurden mithilfe von türkischen Sprichwörtern, Spiel szenen, deutsch-türkischer Musik aus unterschiedlichen Blick winkeln vorgestellt. Es freut uns außerordentlich, dass der Ein satz des Integrationsausschusses so gute, erfolgreiche Früch te trägt.
Ich möchte noch auf ein weiteres Beispiel näher eingehen, das uns im Ausschuss aktuell beschäftigt. Bei der Großen Anfra ge wurde es Punkt 2 – Gezielte Einwanderung – zugeordnet. Es geht um die Armutszuwanderungen von Rumänen und Bul garen. Auch hier haben wir von unserem Recht auf Selbstbe fassung Gebrauch gemacht. Wir hatten im Integrationsaus schuss zwei leitende Polizeidirektoren aus Mannheim und Karlsruhe zu Gast. Die Berichte der zwei Direktoren haben uns schnell in der Realität ankommen lassen.
Die Armutszuwanderung hat insbesondere auf Städte eine gro ße negative Auswirkung. Nicht nur werden verstärkt Sozial leistungen in Anspruch genommen, sondern es wachsen auch die Ausbeutung der Menschen und damit die Kriminalität. Mannheim rechnet mit zusätzlichen Aufwendungen von 20 Millionen € für das Jahr 2014 – 20 Millionen € zusätzlich für Kindergeld, Krankheitsbeihilfe und Unterstützungsleis tungen.
Wie Bundesinnenminister Friedrich erst gestern erwähnte, ist die Freizügigkeit für die gemeinsame Entwicklung Europas wichtig. Aber Freizügigkeit heißt nicht, die Freiheit zu haben, wegen höherer Sozialleistungen das Land zu wechseln. Somit ist Armutszuwanderung eine europäische Herausforderung, die auch unsere Kommunen in Baden-Württemberg direkt be trifft: 20 Millionen € in Mannheim.
Es ist unsere Aufgabe als Integrationspolitiker, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen. Für das nächste halbe Jahr werden wir deshalb weitere Anhörungen zu diesem Thema im Ausschuss durchführen, um die geeigneten Maßnahmen ab leiten zu können.
Abschließend möchte ich auf ein letztes Beispiel eingehen, das uns im Integrationsausschuss beschäftigt und zu den ers ten Punkten der Großen Anfrage gehört: die Beschäftigung von Asylbewerbern. Auch dieses Thema haben wir im Integ rationsausschuss angestoßen und breit diskutiert. Wie in der Großen Anfrage erläutert wurde, können Asylbewerber nur ehrenamtlich oder im Rahmen von Arbeitsgelegenheiten im Sinne von § 5 des Asylbewerberleistungsgesetzes tätig wer den.
Eine Idee, die ich gut finde und die sich aus der Diskussion ergab, ist, zu überlegen, Bildungsgutscheine zu vergeben oder z. B. für Eltern Möglichkeiten zu eröffnen, sich durch Hilfs tätigkeiten einbringen zu können, sich ehrenamtlich für die Gesellschaft einzusetzen oder im Verein für ihre Kinder aktiv zu werden und im Gegenzug Bildungsgutscheine zu erhalten. Mit solchen Angeboten hätten wir zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Durch die Arbeit lernen die Menschen die deutsche Kultur kennen und sitzen nicht den ganzen Tag un tätig in einem Wohnheim.
Diese Bildungsgutscheinbeispiele könnte man auch auf ande re Felder ausweiten. Die Diskussion in Schwäbisch Gmünd über die Kofferträger hat bestimmt jeder mitbekommen.
Diese drei Beispiele, mit denen sich der Ausschuss intensiv auseinandergesetzt hat bzw. noch auseinandersetzen wird, wa ren auch Thema der Großen Anfrage der Fraktionen.
eine Willkommenskultur, die dazu beiträgt, dass diejenigen, die bei uns arbeiten wollen, auch arbeiten dürfen. Hierfür brauchen wir dringend Lösungen. Ich glaube, da sind wir uns parteiübergreifend einig. Die Landesregierung ist hier gefor dert, Lösungen zu suchen. Wir, der Integrationsausschuss, be gleiten gemeinsam und konstruktiv diese Vorschläge.
Meine Damen und Herren, mir lie gen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Große Anfrage besprochen.