Aber auch damals hat man die Diskussion bereits geführt. Es war damals richtig, diese Diskussion zu führen, und es ist auch heute notwendig, dass wir eine solche Diskussion führen.
Bei allen Disparitäten, bei allem Streit um die richtige Perspektive habe ich, wenn ich die Diskussion der letzten Wo chen betrachte, den Eindruck, dass wir in einem Punkt Kon sens haben. Wir haben Konsens darin, dass die Bedarfe im Bereich der elementaren Musikpädagogik wachsen. Wir brau chen mehr Ressourcen, um im Bereich der frühkindlichen Bil dung musikalische Kompetenz zu fördern. In den Grundschu len, in den – hoffentlich wachsenden – Ganztagsschulen brau chen wir die Kompetenz, um die musikalische Bildung von Kindern und Jugendlichen auszubauen. Wir brauchen solche Kompetenz übrigens auch in der Arbeit mit älteren Menschen. Auch dort geht es um elementare Musikpädagogik.
Wir haben keinerlei Anzeichen dafür, dass die Menschen, die Musik auf Lehramt studieren, an den Notwendigkeiten vor bei ausgebildet werden. Auch dort sinken die Bedarfe nicht, sondern wir werden mindestens mit den Bedarfen zu rechnen haben, wie sie heute bestehen; vielleicht sogar mit mehr. Wir sehen keine Signale dafür, dass wir unsere Anstrengungen im Bereich der Musikschulen zurückfahren sollten.
Was den pädagogischen Bereich betrifft, so wissen wir alle miteinander, dass wir es in Zukunft eher mit wachsenden Be darfen zu tun haben.
Nun stellt sich die Frage: Wie sieht es im künstlerischen Be reich aus? Ich bitte Sie, diese Diskussion unaufgeregt und mit der nötigen Ernsthaftigkeit und Sensibilität anzugehen. Denn
wir reden über Künstler, und wir reden darüber, welche Grö ße für einen Standort erforderlich ist, um Exzellenz hervorzu bringen. Es geht hier um eine harte Konkurrenz in einem Markt, der immer enger wird, was Orchesterstellen betrifft. Wenn wir unsere Musikhochschulen in Baden-Württemberg unterstützen wollen, können wir dies nur, indem wir Exzel lenz zum Vorzeichen machen. Wenn es um die künstlerische Ausbildung geht, ist es notwendig, Exzellenz zu fördern und nicht den Durchschnitt.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU zu Abg. Claus Schmiedel SPD: Also nicht den Durchschnittsklari nettenspieler!)
Ich fühle mich daher in der Kunstkonzeption „Kultur 2020“ sehr heimisch; denn diese Konzeption beschreibt diese Spannung in der Tat sehr zutreffend. Wir orientieren uns an Qua lität und an Exzellenz; wir wissen, dass im Bereich der Mu sikpädagogik wachsende Bedarfe bestehen und eine hohe An forderung wahrzunehmen ist. Und – auch das kommt in der Kunstkonzeption „Kultur 2020“ bereits zum Ausdruck – die Weiterentwicklung muss auf der Basis von Profilbildung und Schwerpunktentwicklung sowie auf der Basis von Verbundstrukturen erfolgen. Denn wir können nicht an allen Standor ten alles vorhalten und dabei auch noch Geld sparen. Eine sol che Vorgehensweise würde zwangsläufig zulasten der Quali tät gehen. Deshalb haben wir diese schwierige Diskussion mit einander zu führen.
Ich werde jetzt nicht auf die Einzelheiten der Konzeption ein gehen, die in unserem Haus erarbeitet wurde. Diese Konzep tion wurde vielfach diskutiert; sie wurde aber nicht überall an gemessen gewürdigt. Ich möchte bei dieser Gelegenheit aber gern noch einmal den Prozess erläutern, der zu diesem Vor schlag geführt hat, und dabei an Sie appellieren, sich – gern auch streitbar, aber doch mit Respekt – mit dieser Konzepti on auseinanderzusetzen.
Ich habe es bereits erwähnt: Ich habe, als ich mein Minister amt angetreten habe, gleich zu Beginn mit den Musikhoch schulen gesprochen, und diese haben mich gebeten, einen Pro zess zu initiieren, der sie dabei unterstützt, eine alternative Konzeption zum Rasenmäherprinzip des Rechnungshofs zu entwickeln. Wir haben diesen Prozess in einer Dienstbespre chung mit allen Rektoren, die im Februar dieses Jahres statt fand, in die Wege geleitet. Wir haben dabei mit allen Rekto ren der Musikhochschulen verabredet, dass wir uns bestimm ten Fragen zuwenden. Wir haben die Fragenkomplexe mitei nander – mit allen Musikhochschulen – verabredet, und wir haben gemeinsam mit allen Musikhochschulrektoren verab redet, welche Experten wir zu einer solchen Beratung einla den.
Im Einvernehmen mit allen fünf Musikhochschulen haben wir diese Experten berufen, und wir haben im Juni einen dreitä gigen Workshop zur Beratung dieser Fragen durchgeführt. Al le fünf Musikhochschulen waren beteiligt. Wir haben Rekto ren, Prorektoren, Kanzler und Hochschulratsvorsitzende da zu eingeladen. Von den insgesamt 20 eingeladenen Persön lichkeiten waren – zusätzlich zu den Experten – 17 anwesend, sodass wir drei Tage lang in einer Runde von knapp 30 Per sonen diskutiert haben. Das ist eine Größe, die es erlaubt, in tensiv miteinander zu reden.
Das geschah zugegebenermaßen in einem geschützten Raum; ich bin überzeugt, dass man solche Fragen in einem solchen geschützten Raum besprechen muss. Man kann nicht alles auf dem Marktplatz austragen. Das gilt gerade dann, wenn es um Fragen geht wie: Was geben wir her? Was lassen wir bleiben? Was übertragen wir an einen anderen Standort? Sie werden sicherlich alle nachvollziehen können, dass man solche Fra gen sinnvollerweise nicht basisdemokratisch und auch nicht auf dem Marktplatz diskutieren kann.
Über drei Tage hinweg haben wir diese Fragen diskutiert. Am Ende stand kein Konsens. Deswegen haben wir einen weite ren Workshop-Tag eingelegt, und zwar im Juli dieses Jahres. Bei dieser Tagung haben drei der fünf Musikhochschulen ein Eckpunktepapier mit Vorschlägen vorgelegt; die zwei ande ren Musikhochschulen konnten sich damit nicht einverstan den erklären. Dieses Papier und diese Vorschläge sind bera ten worden, und am Ende sind diese Vorschläge von drei der fünf Musikhochschulen und von allen Experten unterstützt worden.
Die alternative Positionierung der zwei anderen Musikhoch schulen ist von den Experten nicht mitgetragen worden. Das heißt nicht, dass deren Position nicht legitim wäre und dass wir nicht darüber nachdenken werden. Aber ich möchte Sie bitten, zur Kenntnis zu nehmen: Wir haben zugegebenerma ßen einen internen Dialog geführt. Wir haben diesen internen Dialog mit einer bundesweit renommierten Expertise geführt, die wir gemeinsam berufen haben, und wir haben daraus ei nen Vorschlag entwickelt, den ich unmittelbar der Öffentlich keit vorgestellt und zur Diskussion gestellt habe. Es war kein Gesetzentwurf, es war kein Kabinettsbeschluss, es war kein Zuwendungsbescheid, sondern eine Konzeption, die streitbar ist.
Ich habe alles Verständnis der Welt dafür, dass die Regierungs fraktionen sagen: Wir waren nicht am Tisch, wir haben das nicht mitdiskutiert, wir haben unsere eigene Meinung dazu. Das ist völlig in Ordnung, das ist kein Problem, und das ge hört sich so. Aber was wäre denn die Alternative dazu? Ohne Vorschlag, ohne Positionierung einen Diskussionsprozess be ginnen? Das kann nur schiefgehen.
Deswegen bitte ich Sie ernsthaft darum, bei aller Kritik, die Sie haben mögen, zu respektieren, dass diese Konzeption mit der Unterstützung von drei unserer fünf Musikhochschulen und mit allen Experten, die am Tisch waren, erarbeitet wur de. Sie ist es zumindest wert, ernsthaft diskutiert zu werden und – wenn Sie sie nicht teilen – durch alternative Vorschlä ge, durch bessere Vorschläge weiterentwickelt zu werden. Falls Sie meinen, mich mit einer Kritik an einem „völlig un sinnigen und unausgegorenen Vorschlag“ zu treffen, muss ich Ihnen sagen: Ich halte das gut aus, aber die Kritik trifft immer auch drei Musikhochschulen dieses Landes und sämtliche Exper ten, die mit am Tisch waren.
Daher bitte ich Sie um den nötigen Respekt und die Ernsthaf tigkeit bei der Auseinandersetzung mit dieser Frage. Der Di alog hat begonnen. Ich werde bei der Anhörung, die die Re gierungsfraktionen veranstalten, aufmerksam zuhören. Ich freue mich über die Beiträge, ich freue mich über konstrukti ve Vorschläge. Ich habe die Rektoren Anfang Oktober zum Ge spräch eingeladen; auch in unseren Reihen wird das Gespräch weitergehen. Ich möchte aber betonen: Bislang habe ich viel
Kritik, auch harsche Kritik gehört. Ich habe auch den Vor schlag des Rechnungshofs gehört, den ich nicht teile, denn ich halte ihn für qualitätsgefährdend.
Ich habe bislang keinen anderen Vorschlag gehört, und ich würde mich darüber freuen, wenn in der weiteren Debatte konstruktive alternative Ideen hervorgebracht werden. Ich hal te es auch nicht für ausgeschlossen, dass es solche geben mag. Ich freue mich aber darüber, dass wir endlich in die Phase kommen, nicht nur zu sagen: „So nicht!“, sondern Vorschlä ge zur Beantwortung der Frage „Wie denn?“ einzubringen. Ich freue mich auf den Dialog, ich werde ihm offen gegen übertreten und bitte Sie darum, diesen im Interesse unserer Musikhochschullandschaft konstruktiv und ergebnisorientiert zu begleiten.
Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Herr Schmidt-Eisenlohr, Sie ha ben davon gesprochen, die Ministerin sei nicht vom Minister präsidenten zurückgepfiffen worden. Sie haben recht: Das war kein Pfiff, sondern das war schon ein Posaunenstoß, mit dem die Ministerin zurückgepfiffen wurde.
Deswegen würde ich mir schon wünschen, Herr Ministerprä sident, dass wir, wenn Sie schon die Ministerin zurückposau nieren, dann von Ihnen auch hören, welche Vorstellungen Sie über die Zukunft der Musikhochschulen haben.
Es ist unbestritten: Sie müssen den Haushalt konsolidieren. Es ist unbestritten: Wenn man den Haushalt konsolidieren muss, kann man das nicht machen, ohne dass es irgendjemand merkt.
Frau Bauer, Sie sprachen heute von einem gemeinsamen Weg aller Beteiligten. Den Ministerpräsidenten haben Sie offen sichtlich nicht mitgenommen, auch den Kultusminister haben Sie nicht mitgenommen, Sie haben auch die Regierungsfrak tionen nicht mitgenommen, Sie haben auch den Rechnungs hof nicht mitgenommen – es ist gut, dass Sie das deutlich ge sagt haben; es wurde nämlich in der Öffentlichkeit der Ein druck erweckt, es handle sich um den Vorschlag des Rech nungshofs; das war nicht der Fall; es waren Ihre eigenen Ex perten –, und Sie haben zwar drei der fünf Musikhochschulen mitgenommen, aber die zwei anderen nicht. Sie haben da rauf hingewiesen, dass Trossingen nur auf Platz 21 stehe, nach dem Motto: Mit den Kleinen kann manʼs ja machen.
Anschließend sind Sie sowohl hinsichtlich Mannheim als auch hinsichtlich Trossingen nicht einen Millimeter von Ihrer Po sition abgewichen, Frau Ministerin Bauer. Sie haben sich vor einigen Monaten als Wissenschaftsministerin des Jahres fei ern lassen. Ich sage Ihnen: In Mannheim und in Trossingen hält Sie niemand für die Ministerin des Jahres.
Die Frage ist: Wie geht es jetzt weiter? Der Weg, zu sagen: „Ich sichere mir eine Mehrheit,“ – Sie haben es ja heute schön beschrieben – „drei Musikhochschulen hole ich ins Boot, die locke ich, die ködere ich, indem ich sage, euch passiert nichts, wenn ihr mitmacht“, und die zwei anderen sind die Dummen, ist offensichtlich gescheitert. Da kann man dann auch nicht mit Mehrheiten argumentieren, Frau Bauer, sondern da muss eine Regierung, die die Politik des Gehörtwerdens auf ihr Pa nier geschrieben hat, schon mit allen in den Dialog eintreten.
Sie haben den Po saunenstoß gehört. Sie haben einen Dialog angeboten; das muss aber ein Dialog sein, bei dem Mannheim und Trossin gen mit einbezogen werden. Auch im zuständigen Ausschuss muss Konsens herrschen; doch – es wurde schon erwähnt – beispielsweise die Ausschussvorsitzende ist mit Ihnen nicht im Konsens. Wenn Sie dann zu einem vernünftigen Weg kom men, der die Interessen von allen fünf und nicht nur von drei Musikhochschulen berücksichtigt, dann wird sicherlich auch die Opposition in diesem Haus in dieser Hinsicht konsensfä hig sein.
Herr Präsident, meine sehr ge ehrten Damen und Herren! Zunächst einmal Respekt, Herr Kollege Schmiedel, dass Sie Klarinette spielen,
dass Sie sich mit der Thematik befasst haben und dass Sie auf gezeigt haben, worum es eigentlich geht. Deshalb sage ich ganz offen: Wir können uns vorstellen, an Ihrer Seite Verbündete in diesem Prozess zu sein; denn – Sie haben es auf den Punkt gebracht – wir brauchen Kernfächer und Profilfächer.
Das, was jetzt auf dem Tisch liegt, führt jedoch dazu, dass wir an einigen Standorten, nämlich in Trossingen und in Mann heim, die Kernfächer amputieren – mit dem Problem, dass diese Musikhochschulen, insbesondere der kleine Standort Trossingen, auf Dauer erhebliche Probleme haben werden. Frau Ministerin, seien Sie doch so ehrlich, und sagen Sie: Ei ne fünfte Musikhochschule in Baden-Württemberg hat keinen Platz, deshalb wird sie vom Markt genommen. Aber diesen
Sie waren heute vorsichtiger. Sie sind mit stolzgeschwellter Brust in die Diskussion gegangen und haben gesagt: „Das ist mein Konzept, so habe ich mich positioniert, das wird jetzt auch umgesetzt – im Zweifel auch ohne den Landtag, weil wir den dazu gar nicht benötigen; das ist eine reine Exekutivauf gabe.“ Seien Sie vorsichtig mit solch sensiblen Debatten! Ih re Aufgabe als Wissenschaftsministerin ist es, nicht nur auf die Experten zu hören, nicht nur die drei großen Musikhoch schulen ins Boot zu holen, sondern sich der Mühe zu unterzie hen, der Breite und Vielfalt der Musikhochschullandschaft in Baden-Württemberg, die von fünf Standorten geprägt wird, eben auch Rechnung zu tragen und dafür als Ministerin einen Beitrag zu leisten. Deshalb hätten Sie hier deutlich stärker mo derieren und praktikable Vorschläge vorlegen müssen
und jetzt nicht im Nachhinein so tun dürfen, als ob das Gan ze nur ein paar Vorschläge wären, die man in die Diskussion gebracht hat. Nein, Sie haben dieses Konzept auf den Weg ge bracht, es war Ihr Konzept, und Sie müssen jetzt erkennen, dass Sie damit scheitern. Deshalb kann ich mich dem Kolle gen Rülke nur anschließen: Es kann einem angst und bange werden um die Strukturdiskussion der Hochschullandschaft Baden-Württembergs in den nächsten Jahren, wenn Sie auf diese Art und Weise auch in die weitere Diskussion mit ande ren Hochschulstandorten gehen.
Deshalb kann ich Ihnen nur empfehlen: Ziehen Sie dieses Konzept zurück, und lassen Sie noch einmal einen ergebnis offenen Dialog zu – im Übrigen nicht von vornherein mit der Vorbelastung, dass 500 Studienplätze eingespart werden müs sen und dass es einen Einsparbeitrag von 5 Millionen € geben muss. Das ist der falsche Ansatz.
Wir sind uns darüber im Klaren – wir sind auch im Zuge ei ner Haushaltskonsolidierung dazu bereit –, dass die Musikhoch schulen des Landes Baden-Württemberg sich dieser Diskussi on stellen müssen, aber nicht um den Preis, dass es an die Ar beitsfähigkeit, dass es an die Profilbildung und die Qualität unserer Musikhochschulen geht. Das kam in den Äußerungen des Kollegen Schmiedel und der Frau Kollegin Heberer im Ausschuss klar zum Ausdruck. Diese Linie vermissen wir bis lang bei den Grünen.