Protocol of the Session on June 20, 2013

Für die Landesregierung spricht der Minister für Finanzen und Wirtschaft Dr. Nils Schmid.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist selten, dass die FDP/DVP-Landtagsfraktion eine Debatte beantragt, bei der sie die Position der Landesregierung unter stützt. Ich freue mich darüber und will deshalb einfach noch einmal festhalten, was ich auch schon öffentlich gesagt habe.

In der Tat habe ich die Entwicklung in der vergangenen Wo che mit Sorge betrachtet. Denn es droht genau das einzutre ten, was ich befürchtet habe: ein Aufschaukeln von Zöllen und Sanktionen. Das ist Gift für den Wirtschaftsstandort BadenWürttemberg.

Als führendes Exportland wissen wir, das Land Baden-Würt temberg, ganz genau,

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Internatio nalisierte Wirtschaft! Wir sind doch kein Exportland mehr, hat Herr Hofelich gesagt!)

dass das Wort von Altbundeskanzler Helmut Schmidt nach wie vor gilt: „Märkte sind wie Fallschirme. Sie funktionieren nur offen.“ Wie so oft: Helmut Schmidt hat bis heute recht be halten.

Für uns ist klar: Wir wollen einen offenen, fairen Handel mit unseren Partnern in der ganzen Welt. Es ist auch wichtig, in einer solchen Situation fair und offen miteinander umzuge hen, wenn es Differenzen gibt. Dafür gibt es Verfahren bei der WTO. Leider können diese WTO-Verfahren lange dauern. Deshalb ist eine Verhandlungslösung gerade auch bei der an stehenden aktuellen Debatte über vermutete Dumpingpreise und Überkapazitäten auf dem Solarmarkt sicher besser.

Übrigens meine ich: Gerade auch China hat ein ureigenes In teresse daran, diese Fragen schnell zu klären, denn die Über kapazitäten, die zu dem Preisverfall führen, führen auch zu den ersten Insolvenzen von chinesischen Herstellern. Insofern gibt es auf beiden Seiten – auf der europäischen Seite wie auf der chinesischen Seite – aus meiner Sicht ein hohes Interesse an der Verhandlungslösung. Denn klar ist ohnehin: Wer die Keule auspackt, zerschlägt nur unnötig Porzellan, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Deshalb sind die von der Europäischen Union erhobenen Strafzölle kontraproduktiv. Sie schaden unserer Wirtschaft und den Unternehmen im Land mehr, als sie nützen. Für uns heißt das: Wir lehnen alles, was zu einem Handelskrieg füh ren könnte, entschieden ab.

(Beifall bei den Grünen, der SPD und der FDP/DVP)

Wenn man jetzt hört, dass von Strafzöllen auf europäischen Wein die Rede ist, dann mögen manche darüber scherzen. Doch für die Betroffenen, die Wein nach China exportieren, etwa die Winzergenossenschaften Wolfenweiler, Auggen oder Achkarren aus dem Breisgau, ist das alles andere als zum La chen.

Wenn wir dann über andere Branchen in unserem Land spre chen, wird deutlich, welche Bedeutung diese Debatte auch volkswirtschaftlich für uns hat. Ich denke z. B. an den Auto mobilbereich. Wir haben zwar noch keinerlei offizielle Hin weise auf mögliche Strafzölle auf Autoimporte aus der EU durch China, doch wir wissen ganz genau, was passieren wür de, wenn es zu solchen Strafzöllen käme. Baden-Württemberg mit seinen Premiumherstellern wäre besonders stark betrof fen. Denn kein anderes Land hat so stark wie Baden-Würt temberg von der rasanten Wachstumsdynamik im Autobereich profitiert. In China hat sich der Pkw-Markt seit dem Jahr 2000 verzwanzigfacht, von 614 000 Einheiten im Jahr 2000 auf über 13,2 Millionen Neuwagen im Jahr 2012. Das entspricht einem Weltmarktanteil von einem Fünftel. Baden-württem bergische Autohersteller haben da wiederum einen Anteil von über 20 %. Dies zeigt, wie elementar dieser Markt für Merce des, Porsche und Audi mit ihren wichtigen Produktionsstand orten im Ländle geworden ist.

Übrigens ist China auch insgesamt – über den Autobereich hi naus – inzwischen zum viertgrößten Handelspartner unseres Landes aufgerückt. Auch hier gibt es eine Verzehnfachung der Exporte aus Baden-Württemberg in den letzten zwölf Jahren, von 1,4 Milliarden € im Jahr 2000 auf 13,2 Milliarden € im Jahr 2012.

Damit ist klar: 2012 stammte fast ein Fünftel aller aus Deutsch land ins Reich der Mitte exportierten Waren aus Baden-Würt temberg. Baden-Württemberg ist also auch im deutschland weiten Vergleich das Land, das am meisten von den Bezie hungen zu China profitiert. Auch da ist wieder der Fahrzeug bau mit 27,2 % aller Exportgüter vorneweg. Auch das zeigt: Wir haben ein elementares Interesse daran, mit China offene Märkte zu pflegen.

Zur Solarindustrie will ich Folgendes sagen: Das Spannende für Baden-Württemberg ist ja weniger die Solarmodulherstel lung. Viel interessanter ist unsere klassische Stärke im Ma schinenbau. Denn egal, wer wo auch immer in der Welt So larmodule herstellen mag: Es gibt eine hohe Wahrscheinlich keit, dass er das mit Maschinen aus Baden-Württemberg tut.

Diese Hersteller von Maschinen für die Solarindustrie haben sich mit viel Geschick und Innovationskraft eine Spitzenstel lung in der Welt verschafft. Darum geht es, wenn wir über die Zukunft der Solarindustrie in Baden-Württemberg reden. Es geht darum, dass wir die Maschinen für diese wichtige Bran che weiterhin in Baden-Württemberg fertigen können. Gera de die Hersteller von Maschinen für die Solarindustrie haben überhaupt kein Interesse daran, dass es zu Einschränkungen beim Welthandel kommt, ganz im Gegenteil.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Herr Hofelich hat zu Recht darauf hingewiesen: Die interna tionalen Verflechtungen gehen weit über Export-Import-Be ziehungen hinaus. Baden-Württemberg ist auch dann auf of fene Weltmärkte angewiesen, wenn es um Auslandsinvestiti onen geht. Vor Kurzem hat Ernst & Young festgehalten: Ba den-Württemberg ist der beliebteste Standort für ausländische Investoren aus aller Welt. Auch das ist kein schlechtes Urteil über die Leistungen der Unternehmen und der Beschäftigten, auch kein schlechtes Urteil über die Rahmenbedingungen, die wir, die Landesregierung, ihnen anbieten.

(Zuruf von der CDU: Die das Land anbietet!)

Genau darum geht es, dass wir nämlich diesen Wirtschafts standort, der so äußerst beliebt und attraktiv ist, auch in Zu kunft attraktiv halten. Da geht es natürlich um Technologien und Innovationen. Deshalb haben wir den Anwendungsbe reich des Innovationsgutscheins ausgedehnt. Deshalb haben wir mit der Fraunhofer-Gesellschaft eine Verständigung her beigeführt, um wichtige Themen voranzutreiben. Deshalb ha ben wir eine Leichtbauagentur auf den Weg gebracht, um die se Querschnittstechnologie im Land voranzubringen. Deshalb haben wir eine zweite Tranche bei der Elektromobilität auf die Schiene gesetzt. Und deshalb setze ich mich auch dafür ein, dass wir den Forschungs- und Entwicklungsstandort Deutschland und insbesondere Baden-Württemberg attraktiv halten, indem wir ein Modell für die steuerliche Absetzbar keit von FuE-Aufwendungen von Unternehmen, insbesonde re von kleinen und mittleren Unternehmen, nach der nächs ten Bundestagswahl endlich zuwege bringen.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Sehr gut!)

Bei Ihnen, CDU/CSU und FDP, steht dies auf Bundesebene im Koalitionsvertrag. Sie haben aber in vier Jahren nichts zu

stande gebracht. Ich bin dafür, dass wir dieses Werk endlich in Kraft setzen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU)

Zudem gehört zur Dimension des freien Welthandels und der offenen Märkte aus baden-württembergischer Sicht noch et was Entscheidendes dazu, was häufig übersehen wird. Die Kehrseite unserer Exportstärke ist unsere hohe Angewiesen heit auf Importe. Der Erfolg von Baden-Württemberg in den letzten 60 Jahren korrespondiert mit einer hohen Abhängig keit von Rohstoffimporten.

(Zurufe von der SPD: Rohstoffe!)

Wir sind bei Erzen und Metallen, bei Spezial- und Hightech rohstoffen, natürlich auch bei Kohle, Erdöl und Erdgas dar auf angewiesen, dass die Märkte für diese Rohstoffe offen bleiben. Wenn man sich manche Entwicklung, insbesondere im Bereich der seltenen Erden, anschaut, dann ist einmal mehr festzustellen, dass gerade für Baden-Württemberg eine siche re und stabile Versorgung mit bezahlbaren Rohstoffen und da mit offene Märkte auch für Rohstoffe elementar für den Fort schritt unseres Wirtschaftsstandorts sind. Auch dafür werden wir uns einsetzen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Schließlich gehört in historischer Perspektive auch dazu, an zuerkennen, dass gerade Deutschland, gerade Baden-Würt temberg den Wiederaufstieg seiner Wirtschaft, das Wirt schaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg offenen Welt märkten zu verdanken hat. Deshalb ist es logisch, dass wir po litisch dafür streiten, dass auch andere sich entwickelnde Volkswirtschaften die gleichen Chancen haben sollten, ihre wirtschaftliche Entwicklung über Handel und Wandel, über offene Märkte voranzubringen. Das basiert auf unserer eige nen Erfahrung. Es wäre ganz schlecht, wenn wir diese Leh ren aus der eigenen Geschichte nicht auch zugunsten der Part ner in der Welt ziehen würden.

Deshalb unterstützen wir auch die Bemühungen, den Freihan del über multilaterale Formate voranzubringen. Leider ist die sogenannte Doha-Runde stecken geblieben. Aber wir sind zu versichtlich, dass die Idee einer Freihandelszone zwischen der EU und den USA ein großer Fortschritt gerade für unsere In dustrie sein könnte, die in vielerlei Hinsicht noch auf nicht ta rifäre Handelshemmnisse beim Zugang zum US-amerikani schen Markt stößt.

Sie sehen also, das Thema „Freier Welthandel und faire Rah menbedingungen dazu“ ist gerade für die internationalisierte Wirtschaft unseres Landes elementar. Deshalb lautet das Ge bot der Stunde: Verbal abrüsten, zurück an den Verhandlungs tisch und im Dialog eine Lösung suchen!

(Zuruf: Genau!)

Ich sehe es ähnlich wie meine Vorredner. Ich würde mir wün schen, dass die Bundesregierung über verspätete Pressemit teilungen hinaus dieses Thema etwas engagierter angeht. Un ser Europaminister war bei den zuständigen Stellen in Brüs sel vorstellig, hat dort rechtzeitig interveniert und die badenwürttembergische Haltung deutlich gemacht, weil wir eben

die Dinge nicht treiben lassen wollten. Aber das Entscheiden de ist, dass die Bundesregierung auf EU-Ebene bei diesem zentralen Handlungsfeld der EU – es gibt kaum eine Kompe tenz, die so stark vergemeinschaftet ist wie das Thema Han del – mit klarer Stimme auftritt und die Interessen unserer Wirtschaft, unserer Unternehmen, ja, ich sage auch, unserer Beschäftigten, deutlich artikuliert. Denn eines ist klar, meine sehr verehrten Damen und Herren: Handelskriege kennen kei ne Gewinner, sondern nur Verlierer.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die Fraktion der FDP/DVP spricht Kollege Dr. Rülke.

(Zurufe von der SPD: Jetzt!)

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Zunächst kann ich zumindest für die baden-württembergische Landespolitik feststellen: Diese Debatte bringt ein außerordentlich erfreuliches Ergeb nis.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das stand schon vorher fest! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Das war doch klar!)

Denn in diesem Haus bzw. in der Landespolitik sind sich of fensichtlich alle einig – meine Fraktion, die diese Debatte be antragt hat, die CDU-Fraktion, Kollegin Lindlohr hat sich für die Grünen eindeutig geäußert, Kollege Hofelich für die SPDFraktion und der Wirtschaftsminister für die Landesregierung –: Wir wollen dieses Strafzölle nicht. Denn Strafzölle sind nicht im Interesse des Landes Baden-Württemberg.

(Beifall der FDP/DVP und bei der CDU)

Erstaunlicherweise tut aber z. B. die SPD in diesem Hause so, als wäre das in ihren eigenen Reihen völlig unumstritten.

(Abg. Johannes Stober SPD: Ist es auch!)

Ist es auch. So? Kennen Sie Herrn Ulrich Kelber? Schon einmal gehört? Er ist stellvertretender Vorsitzender der Bun destagsfraktion der SPD.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ist der aus Baden- Württemberg?)

Im „Handelsblatt Online“ vom 4. Juni 2013 stand zu lesen – mit Erlaubnis des Präsidenten darf ich zitieren –:

(Zuruf von der SPD: Nein!)

Wir können der EU-Kommission nur danken, dass sie die Zügel anzieht...

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Hört, hört, hört!)

Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt also diese Strafzölle, und Sie stellen sich hier hin und behaupten: „Wir Sozialde mokraten sind uns da alle im Landesinteresse einig.“