Protocol of the Session on June 19, 2013

Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP/DVP, noch hätten Sie es in der Hand,

(Abg. Martin Rivoir SPD: Noch!)

in Berlin Druck zu machen, damit sich etwas ändert.

Eines sei hier auch gesagt: Sie können hier nicht ständig das schöne Lied vom ländlichen Raum singen und die Landesre gierung kritisieren, solange die schwarz-gelbe Bundesregie rung als Verursacherin dieses Problems in Berlin in der Ver antwortung steht. Politische Verantwortung darf nicht mit Stilllegungskonzeptionen und Abzugsplänen enden, sondern es muss den betroffenen Standortkommunen eine verlässliche Zukunftsperspektive aufgezeigt werden.

Die Landesregierung von Baden-Württemberg hat ihre Haus aufgaben gemacht, die Bundesregierung in Berlin hingegen nicht.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die FDP/DVPFraktion erteile ich Herrn Abg. Grimm das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kolle gen! Militärische Einrichtungen, die geschlossen werden, ma chen Platz für ein normales Gemeindeleben. Ich bin mir si cher: Das ist auch ganz im Sinne dieser Landesregierung – wenngleich wir wirklich darüber nachdenken sollten, ob ein wirtschaftlich starkes Land wie Deutschland es sich leisten kann, auf weniger eigene Sicherheit zu setzen. Denn die Si cherheitslage in der Welt ist sehr fragil geworden.

Die Schließung von Bundeswehrstandorten ist für die betrof fenen Gemeinden zunächst ein sehr schmerzhafter Einschnitt in Wirtschaft und Infrastruktur. Wie die Vergangenheit aber zeigt, bedeutet die Konversion, die Umnutzung militärischer Flächen, aber auch eine große Chance für die Kommunen.

Aber so, wie die militärischen Einrichtungen und Aufgaben verschieden sind, sind auch die betroffenen Gemeinden sehr unterschiedlich. Dementsprechend unterscheiden sich auch ihre Chancen.

Die Vergangenheit zeigt, dass vieles, was mit dieser Erbmas se geschieht, welche die Bundeswehr hinterlässt, vom Land abhängt. Oft hat das Land selbst zugegriffen und vorhandene Flächen und Strukturen genutzt, anstatt auf die grüne Wiese zu gehen. Ich nenne hier wieder die Polizeischule in Wert heim, die Sie leider schließen wollen, als Beispiel.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Ein Trauer spiel, was die SPD da macht!)

Die derzeitige Unterstützung des Landes besteht hauptsäch lich aus Gutachten für die Entwicklungen. Aber worüber wol len Sie noch alles Gutachten? Erwarten Sie aus den Gutach ten schlechte Nachrichten, sodass sich der Preis für die Flä chen verringert? Erwarten Sie bei guten Nachrichten, dass sich der Preis für die Flächen wieder erhöht?

Weitere Unterstützungen werden von Ihnen nur mit Bürger beteiligungen angeboten, wobei Sie dann über die Gemein deräte und Kreisräte vor Ort hinweggehen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Kostenfrei es Blablabla!)

Hier geht es aber hauptsächlich um Bundeswehrstandorte. Auch hier gelten die hohen deutschen Standards, wie in der Wirtschaft. Beispielsweise werden nur TÜV-geprüfte Fahr zeuge für den Einsatz in Afghanistan zugelassen. Wer von uns den TÜV kennt, der weiß auch um seine Vorschriften. Des wegen bedeutet Bundeswehr auch hoch qualifizierte Ausbil dung und Arbeit.

Die Standorte sind differenziert zu betrachten. Hier geht es nicht um Konversionsflächen ausländischer Streitkräfte. Des halb können die Gemeinden zu Recht erwarten, dass die Re gierung aktiv auf sie zugeht. Was sonst ist denn Politik für den ländlichen Raum? Zeigen Sie, dass Sie ein Konzept für den ländlichen Raum haben. Ich habe das aus den Beiträgen mei ner Vorredner leider nicht herausgehört.

Der Vorgängerregierung ist es immer wieder gut gelungen, zu helfen und für Standortschließungen einen Ausgleich zu schaf fen. An diesem Beispiel müssen Sie sich messen lassen. Das sind Sie den betroffenen Regionen und Menschen schuldig.

Mit bestem Beispiel vorangehend könnte die Landesregierung doch auch bei der Standortsuche für ein neues Gefängnis im Südwesten aktiv eingreifen. Bietet sich da nicht der Standort Meßstetten an, wo viel militärisches Gelände, das gut er schlossen ist, frei wird? Ich habe in Ihren Ausführungen heu te noch nichts dazu gehört.

Denn für Tourismus, Naturpark und Nationalpark ist Meß stetten doch allein schon aufgrund der weiterhin betriebenen Flugsicherungsanlage kaum geeignet.

(Zuruf des Abg. Norbert Beck CDU)

Selbst der Kollege Haller von der SPD zeigt ebenfalls nach Meßstetten. Auch der Gemeinderat würde eine solche Ent scheidung begrüßen. Warum nicht auch die Landesregierung?

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Der Justiz minister kneift!)

Der Standort Immendingen – Herr Kollege Halder hat diesen schon angeführt – ist erst kürzlich, in Zusammenarbeit aller Beteiligten, von Daimler übernommen worden. Gerade Im mendingen hat durch Streitkräftereformen in der Vergangen heit viele Einwohner verloren. Nun ist es wieder ein Magnet für junge Menschen geworden, die sich dort nach einem si cheren Arbeitsplatz umschauen.

Ein weiteres gutes Beispiel aus meinem Wahlkreis ist Neu hausen ob Eck. Der einstige Heeresfliegerflugplatz ist in ei nen florierenden Industriepark umgewandelt worden. Dieser wird mittlerweile von vielen Firmen aus der ganzen Region für Erweiterungen, welche an deren Hauptsitz nicht möglich sind, vorbildlich genutzt.

Der Ministerpräsident wollte um jeden militärischen Standort kämpfen. Jetzt kann er um jeden Standort kämpfen. Dieser Kampf, meine Damen und Herren, beginnt jetzt erst richtig.

Sie sind doch die ideologischen Gegner von militärischen Standorten. Werden Sie deshalb auch konkret. Sprechen Sie nicht von Klassikern, wenn Sie Wohnen und Gewerbe erwäh nen; das klingt immer ein bisschen abwertend. Wie zum Kon trast sprechen Sie von alternativen Optionen und sagen, dass Sie darin dann wie üblich den grünen „Kaufladen“ unterbrin gen wollen.

(Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Was?)

In Ihrer Stellungnahme werden nirgendwo Gespräche mit den betroffenen Kommunen erwähnt. Hat es diese vielleicht noch gar nicht in dieser Form gegeben? Wenn doch: Was sind die Ergebnisse?

(Zuruf von der SPD: Hätten Sie sich informiert, dann wüssten Sie es! Es gab schon genügend Gespräche!)

Auch gibt es keine Aussagen über die Qualifikationen der Standorte. Alles, was die Landesregierung insoweit tut, er scheint zaghaft und vage. Die 3 Millionen € aus dem ELR sind bei dieser Konversion, so meine auch ich, nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Nehmen Sie mehr Geld in die Hand. Jetzt, bei einer florierenden Wirtschaft und sprudelnden Steuerein nahmen, haben Sie die größten Chancen für eine Umnutzung. Es wurden auch schon Konversionen in Rezessionszeiten durchgeführt.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Und erfolg reich!)

Ich denke, das war für die Regierungen und für die Kommu nen viel schwieriger.

(Dem Redner wird das Ende seiner Redezeit ange zeigt. – Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Es geht hier um den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Bisher hat das Land bei der Umwidmung militärischer Flächen, so unterschiedlich diese waren und sind, immer eine unterstützende Rolle ge spielt. Übernehmen Sie jetzt diese unterstützende Rolle.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr gut!)

Vertrauen Sie auf die Erfahrung; denn Konversion ist nichts Neues für dieses Land. Reichen Sie den betroffenen Kommu nen die Hand, und zwar jetzt und sofort.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Ma chen, nicht schwätzen! – Zurufe von der FDP/DVP: Sehr gut! Bravo!)

Für die Landesregie rung erteile ich dem Herrn Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Bonde das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Da men und Herren! Herzlichen Dank für den Antrag und die Ge legenheit, hier noch einmal deutlich zu machen, in welchem Umfang wir die Gemeinden im ländlichen Raum Baden-Würt tembergs, die von der Bundeswehrreform durch Schließun gen oder Beinaheschließungen von Standorten massiv betrof fen sind, seit der Ankündigung dieser Reform unterstützen.

Ausgangspunkt der Konversionsnotwendigkeit ist die Ent scheidung der Bundesregierung und von Herrn Bundesminis ter de Maizière, Standorte in großem Umfang zu schließen. Wir haben schon wenige Tage nach der Ankündigung des Bundesministers die ersten Gespräche mit den betroffenen Ge meinden geführt und haben insbesondere mit den Gemeinden im ländlichen Raum, die davon besonders betroffen sind, mit Hardheim, Ellwangen, Meßstetten, Sigmaringen, Mengen und Hohentengen, den Prozess aufgenommen, um diese Gemein den schon früh bei den Herausforderungen zu unterstützen, die die Aufgabe eines Bundeswehrstandorts mit sich bringen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Abgeordneter, ich kann nicht nachvollziehen, weshalb Sie uns dafür kritisieren, dass wir den Gemeinden Daten da rüber an die Hand gegeben haben, wie sich eine solche Stand ortschließung tatsächlich auswirkt. Denn wenn ich Konversi on richtig betreiben will, dann muss ich doch abschätzen, wel che Folgen sie wirklich hat.

Wir haben den Gemeinden keine grobe Abschätzung gegeben, was alles passieren könnte, sondern wir haben ihnen mit dem

Prognos-Gutachten ein Instrumentarium an die Hand gege ben, das alle vorhandenen Daten aufzeigt – bis hin zu den Fra gen, wie viele Schulplätze eigentlich tatsächlich von Kindern aus Bundeswehrfamilien belegt sind, welche konkreten Zu sammenhänge mit der örtlichen Wirtschaft bestehen, welche Lieferbeziehungen es in die Standorte hinein gibt. Wir haben also ganz präzise herausgearbeitet, welche wirtschaftliche Be deutung der jeweilige Standort hat, wie er in Bezug auf Inf rastruktur, Wirtschaftskreisläufe und Ähnliches regional wirkt. Nur so können Sie wirklich einen präzisen Konversionspro zess gewährleisten. Sie dürfen nicht einfach annehmen, dass ein wirtschaftlicher Schaden entsteht, sondern müssen genau analysieren.

Teile der heutigen Debatte erstaunen mich. Sie klingen so, als wären die Kasernen schon leer. An einem dieser Standorte ist die Bundeswehr schon abgezogen: Beim Standort Mengen/ Hohentengen ist die Fliegerausbildung schon früh aus Anlass des Endes der Wehrpflicht herausgenommen worden. Die rest lichen Standorte sind noch in vollem Betrieb. In Sigmaringen wird die Bundeswehr erst im Jahr 2017 abgezogen werden. Wann dann die Liegenschaften tatsächlich in den Markt ge geben werden können, ist eine Folgefrage, wie bei militäri schen Liegenschaften generell.

Jetzt geht es darum, dass das Land die Gemeinden in dem Pro zess der Entwicklung von Konversionsstrategien begleitet. Die Strategien müssen individuell abgestimmt sein. Die Ge meinden sind unterschiedlich; sie haben unterschiedliche Wirt schaftsstrukturen und sind durch die Schließung des Stand orts unterschiedlich betroffen; sie haben unterschiedliche re gionalstrukturelle Herausforderungen zu bewältigen.

Deshalb wollten wir bewusst einen Ansatz wählen, mit dem wir die Gemeinden dabei unterstützen, solche Prozesse durch zuführen.