Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Viele Besucher und wohl auch Zuhörer werden sich gewundert haben, dass sich hinter die sem Bericht über aktuelle europapolitische Themen die Ent wicklungszusammenarbeit verbirgt. Daher ist auch meine ers te wohlgemeinte Aufforderung, dass wir in Zukunft das Kind beim Namen nennen. Wir dürfen es auch nach außen präsen tieren: Der Landtag spricht über Entwicklungszusammenar beit. Das brauchen wir nicht zu verstecken, ganz im Gegen teil.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Europapoli tik und ganz besonders im Bereich der Entwicklungszusam menarbeit finden alle Fraktionen sehr häufig zueinander und haben gleiche Positionen.
Über das Zustandekommen der entwicklungspolitischen Leit linien für Baden-Württemberg wurde viel gesagt. Ich möchte an dieser Stelle gleich sagen: Wir begrüßen insgesamt sehr, dass diese Leitlinien zustande kamen – auch mit einer breiten Bürgerbeteiligung. In der Tat war das schon ein bemerkens wertes Verfahren und übrigens – das muss ich an dieser Stel le eben auch sagen – das erste Mal, dass es dieser Landesre gierung überhaupt gelungen ist, die Politik des Gehörtwer dens einmal richtig durchzusetzen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Oh-Rufe von den Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Jörg Fritz GRÜNE)
Jetzt ist in dieser Rede eine einzige kritische Anmerkung da bei. Sie dürfen wieder herunterkommen. Es wird gleich wie der kuscheliger.
Was wir auch nicht vergessen haben, ist die Auseinanderset zung, die Sie innerhalb der Häuser hatten. Das gilt auch für den Streit zwischen Ihnen, Herr Minister Friedrich und Herr Minister Schmid. Es ging um den Satz: „Verbindliche Krite rien in der Außenwirtschaftsförderung sollen verhindern, dass aus Landesmitteln entwicklungsschädliche Projekte gefördert werden.“ In der Tat: Dieser Satz findet sich nun in den Leitli nien nicht wieder. Das ist aus unserer Sicht auch gut so.
Aus unserer Sicht bedeutet eine erfolgreiche Außenwirtschaft immer auch erfolgreiche Entwicklungspolitik. Wenn sich das Land an die Vorgaben des deutschen Außenwirtschaftsrechts hält, sind meiner Meinung nach weitere Vorgaben des Landes überflüssig. Abgesehen davon ist zu fragen: Wer bestimmt denn, was „entwicklungsschädliche Projekte“ sind?
Daher ist es aus unserer Sicht ganz gut, dass der von mir zi tierte Satz so nicht in den Leitlinien enthalten ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, positiv ist die gesell schaftliche Beteiligung im Verfahren. Das habe ich bereits ge sagt; das haben wir jetzt ausführlich gelobt. Dabei konnten nicht alle Wünsche, die geäußert wurden, im Prozess umge setzt werden. Beispielsweise wurde der Gedanke nicht umge setzt, die Kompensation aus CO2-Emissionen zweckgebun den in die Entwicklungsarbeit zu investieren. Auch verbind liche Vorgaben bei der Beschaffung sind nicht 1 : 1 enthalten.
Frau Häffner, ich möchte auf das eingehen, was Sie gesagt ha ben. Sie wollen kritische Konsumenten. Ich gebe Ihnen abso lut recht. Aber eines muss ganz klar sein: Wer kritische Kon sumenten will, muss Aufklärungsarbeit leisten und darf kei ne gesetzlichen Vorgaben und Verbote schaffen. Ich halte es auch nicht für richtig, dass der Landtag beispielsweise be schließt, dass alle Kommunen dementsprechend zertifiziert beschaffen müssen.
Ich möchte noch einmal unterstreichen: Wenn wir kritische Konsumenten haben wollen, dann geht das nur über Aufklä rung.
Im Entwicklungsprozess war auch immer klar, dass Entwick lungspolitik zunächst einmal nicht die gesetzliche Aufgabe des Landes ist, sondern eine Bundesaufgabe, dass wir aber speziell im Bereich der Entwicklungsarbeit – wenn auch sub sidiär – unsere Stärken ausspielen können: Bildung, For schung und Wissenschaft.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Entwick lungszusammenarbeit der vergangenen Jahre wurden immer wieder große Fehler gemacht. Es wurde den Menschen zu viel Handaufhalten vorgeworfen und zu wenig Tatkraft zugetraut.
Der Schritt muss doch in Richtung wirtschaftliche Zusammen arbeit gehen. Kein Land der Welt kann ein anderes Land der Welt durch reine Transferleistungen weiterentwickeln.
Das wird vom Volumen her überhaupt nicht ausreichen. Aber ab dem Augenblick, in dem man auf wirtschaftliche Zusam menarbeit abzielt, ist zunächst einmal finanziell das Volumen, das transferiert wird, viel größer. Dadurch, dass ein bilatera les Interesse besteht, ist das Ganze auch nachhaltiger und ist nicht nur ein Geben bzw. Nehmen.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Niebel und Gönner! Ein Traum paar!)
Speziell in der Entwicklungszusammenarbeit gab es immer einen Wust an Verwaltungsaufwand. In diesem Zusammen hang möchte ich erwähnen, dass es gerade in Berlin von Vor teil war, dass unter Entwicklungsminister Niebel viele Insti tutionen zusammengeführt wurden. Das halte ich für absolut wichtig. Diese Entflechtung muss auch zukünftig unser ge meinsames Ziel sein.
Ich darf zum Abschluss noch von einer persönlichen Erfah rung berichten. Ich war 1997 für eine Hilfsorganisation drei Monate in Bosnien. Es ist geradezu abstrus, wenn man den Willen hat, hilfebedürftigen Menschen zu helfen, sich dann jedoch mit einem Verwaltungswahnsinn beschäftigen muss und deswegen nicht seiner eigentlichen Aufgabe nachkom men kann. Das ist sehr traurig. Ich glaube, an dieser Stelle müssen wir uns wirklich alle am Riemen reißen und versu chen, diese Entflechtung hinzubekommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluss: Wir unterstützen die Regierung, wenn es um die ent wicklungspolitischen Leitlinien geht, solange sie sich an das Subsidiaritätsprinzip hält und klar ist, dass die landespoliti schen Kompetenzen eng gesteckt sind – auch wenn sie selbst verständlich vorhanden sind.
Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir heute im Parlament kei nen Antrag vorliegen haben, diese Leitlinien zu beschließen. Ich denke, es ist ein großer Schritt, dass die Opposition die Regierungsarbeit lobt. Es ist jedoch natürlich eine Arbeit der Regierung. Auch vom Entwicklungsprozess her ist es so, dass zuerst die Regierung aktiv war und nicht das Parlament. Des wegen bin ich auch der Meinung, dass dementsprechend nicht das Parlament die Leitlinien beschließen muss.
Am heutigen Tag haben Sie zumindest ein kleines Kompli ment der Opposition bekommen, und das dürfte für Sie viel leicht mehr sein als an vielen anderen Tagen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Jesses! Andreas, nicht so lieb!)
Herr Präsident, meine sehr ge ehrten Damen und Herren! Sie ahnen gar nicht, wie viel Lob die menschliche Seele verträgt, ohne daran Schaden zu neh men. Dieses Lob ist schon etwas Besonderes, und ich werde es mir speziell vermerken. Es wäre aber vielleicht auch etwas, was man sich zur Gewohnheit machen könnte. Ich glaube, es gibt noch andere Felder, in denen wir auch gute Arbeit leis ten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es war natürlich et was Besonderes, dass wir diesen Prozess „Welt:Bürger ge fragt!“ gestartet und durchgeführt haben. Es gab durchaus Be denken. Auch ich hatte im Vorfeld Bedenken, ob es möglich ist, einen so breit angelegten Prozess so zu führen, dass am Ende tatsächlich etwas in sich Stimmiges steht. Es gab natür lich auch die Sorge, dass viele Wünsche damit geweckt wer den und ob wir auch dem gerecht werden können, was damit an Erwartungshaltung ausgelöst wird.
Im Moment kann man sagen, es war ein großer Erfolg: über 1 500 Teilnehmer in den Workshops, über 2 000 Ideen und Vorschläge. Nicht alle Ideen haben Eingang in diesen Gesetz entwurf gefunden, aber doch ganz viele. Es ist, auch über die Art und Weise der Beteiligung, gelungen, dass es tatsächlich kein „Wünsch dir was“, kein Wunschzettel, sondern ein in sich abgestimmtes Konzept geworden ist. Es ist vor allem ge lungen – das finde ich besonders gut –, dass wir damit tatsäch lich wieder ein sehr breites Bündnis aus Politik, Zivilgesell schaft, Organisationen und Verwaltung geschaffen haben, das das Thema Entwicklungszusammenarbeit trägt. Es ist sehr wichtig, dass wir ein in der Gesellschaft breit verankertes Bündnis für eine neue Dynamik in der Entwicklungszusam menarbeit in Baden-Württemberg haben.
Die Kosten wurden erwähnt. Es stimmt, ein solcher Dialog prozess, eine solche Beteiligung kostet Geld – diese Kritik hatten wir auch an anderer Stelle –, nämlich insgesamt 118 000 €. Ich will jedoch sagen, dass es zum jetzigen Zeit punkt bereits gelungen ist, von Partnern, die wir durch den Prozess neu gewonnen haben, über 400 000 € neue Förder mittel nach Baden-Württemberg zu holen. Das heißt, der Be teiligungsprozess selbst hat nicht nur etwas gekostet, sondern er hat auch etwas gebracht, was sich ganz konkret in Euro und Cent ausdrücken lässt.
Das Kabinett hat die Leitlinien am 5. Februar verabschiedet, und damit haben wir für die Landesregierung einen Beschluss,
der die neuen Leitlinien widerspiegelt. Es ist damit auch klar, dass dies tatsächlich als Querschnittsaufgabe für die Regie rung verankert ist. Querschnitt heißt in diesem Fall, dass alle etwas tun, und nicht, dass alle darauf warten, dass jemand an ders etwas tut – was „Querschnitt“ auch manchmal heißen kann. Wir haben tatsächlich eine Verankerung quer über alle Verwaltungsbereiche.
Wir haben organisatorische Konsequenzen gezogen, auch aus den Forderungen, die durch die Bürger erhoben wurden. Wir haben jetzt eine Landesstelle für Entwicklungszusammenar beit beim Staatsministerium eingerichtet, die inzwischen auch in einem eigenen Referat untergebracht ist – wir haben also eine deutliche strukturelle Verbesserung –, und wir haben ei ne entsprechende interministerielle Arbeitsgruppe eingerich tet, die diese Maßnahmen begleiten und widerspiegeln wird.
Unser Ziel ist, dass wir die Leitlinien zur Entwicklungszusam menarbeit auch in die Nachhaltigkeitsstrategie des Landes ein bauen, weil Entwicklungsarbeit und ein gerechtes, ein förder liches Außenverhalten immer auch Elemente von Nachhaltig keit sind.
Es ist die Frage angesprochen worden: Brauchen wir beim Thema „Beschaffung und Vergabe“ Neuregelungen? Wir wer den nächstes Jahr die Beschaffungsanordnung des Landes oh nehin neu fassen müssen. Dabei ist klar – so, wie wir beim Tariftreuegesetz diesen Schritt auch schon gemacht haben –, dass wir soziale und ökologische Kriterien und auch Entwick lungskriterien in die sowieso gegebene Beschaffungsanord nung hineinnehmen.
Herr Glück, ich gebe Ihnen durchaus recht: Es geht nicht nur darum, gute Gesetze zu haben, sondern es geht vor allem da rum, die Leute zu befähigen, diese auch anzuwenden und die damit verbundenen Möglichkeiten zu nutzen.
Wenn wir kritische Konsumenten wollen, heißt das für Ver waltungen und Kommunen auch, dass es die Möglichkeiten, die es im Vergaberecht gibt und die jetzt auch mit einer no vellierten Beschaffungsanordnung bestehen, tatsächlich zu nutzen gilt und dass die Entscheider – diejenigen, die diese Beschaffungsentscheidungen treffen und Ausschreibungen machen – diese Instrumente bekommen.
Wir haben den Europapool – den es im Staatsministerium be reits gab – erweitert, sodass sich dessen Ausrichtung nicht nur auf europäische Themen beschränkt, sondern wir auch Mitar beiterinnen und Mitarbeiter der Landesverwaltung zu Orga nisationen der Entwicklungszusammenarbeit, der internatio nalen Zusammenarbeit entsenden können. Im Moment ist bei spielsweise eine Mitarbeiterin des Staatsministeriums bei der OECD in Paris. Sie arbeitet dort mit und sammelt Erfahrun gen, die für uns wertvoll sind, die auch für sie persönlich wert voll sind und die zu einer Qualitätsverbesserung auch für die Landesverwaltung führen.
Bereits angesprochen wurde das Institut für Berufsbildung in Mannheim. Es stimmt, wir haben eine Entscheidung getrof fen, die zuvor lange liegen geblieben war. Wenn man sich die ser Angelegenheit früher angenommen hätte, hätte man mög licherweise auch zu anderen Entscheidungen kommen kön nen. Das Gutachten mit Vorschlägen dazu, was man tun könn
Aber wir haben – ich glaube, das ist eine gute Nachricht – in zwischen im Bereich der beruflichen Entwicklungszusammen arbeit ein gutes Bündnis etabliert, für das das Kultusministe rium, das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft und das Staatsministerium eine ganze Reihe von Bündnispartnern ge wonnen haben. Die Industrie- und Handelskammern in Ba den-Württemberg sind dabei, der Handwerkstag, die Bundes agentur für Arbeit, die Baden-Württemberg Stiftung, Engage ment Global, das Programm „weltwärts“, die GIZ und die EZScouts des BMZ. Alle Akteure, die in diesem Bereich bereits tätig sind, sitzen also in einem gemeinsamen Bündnis zusam men. Wir arbeiten dabei an konkreten Projekten wie etwa die Multiplikatorenschulung für die berufliche Bildung, die Aus weitung des Baden-Württemberg-Stipendiums auch auf Aus zubildende und Praktikanten aus Entwicklungsländern, der Ausbau des Berufsbildungszentrums in Kayanza in Burundi, unterstützt durch die Kammern, oder die Ausweitung des „weltwärts“-Programms auf den beruflichen Bereich.
Das, was früher das IfB als Auftrag hatte, wird jetzt über die sen Arbeitszusammenhang weiter bearbeitet. Zusätzliche Ele mente kommen hinzu. Wenn ich sehe, was man sich vorge nommen hatte und was wir in dieser Arbeitsgruppe nun schon alles angeregt haben, bin ich mir sehr sicher, dass wir im Be reich der beruflichen Bildung innerhalb kurzer Zeit mehr an bieten konnten, als es in der früheren Struktur über das IfB der Fall gewesen ist.