Protocol of the Session on March 20, 2013

Der Staat sollte seine bildungspolitischen Anstrengungen und die Grundlagenforschung breit anlegen, damit Deutschland für zukünftige technologische Entwicklun gen gerüstet wird.

Darauf kommt es an. Die Expertenkommission verweist da bei auch auf die überragende Bedeutung von Bildung und Wissenschaft im internationalen Wettbewerb. Ich zitiere:

Große FuE-intensive multinationale Konzerne wählen ih re FuE-Standorte nach Kriterien der Marktattraktivität, der Produktions- und Logistikkosten, aber zunehmend auch unter dem Gesichtspunkt der Innovationsfähigkeit und Humankapitalausstattung einzelner Länder.

Unsere Zukunftsfähigkeit hängt also entscheidend von einer vorausschauenden, langfristig angelegten Forschungsstrate gie und einer Forschungsfinanzierung mit weiten Horizonten ab.

Geld, das in Forschung investiert wird, ist bestens angelegt und bringt hohe Renditen. Wir alle dürfen nicht müde werden, in der Öffentlichkeit hierfür zu werben.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Ich glaube, allen – gerade den Abgeordneten, die im Ausland unterwegs sind – ist bewusst, dass eine außerordentlich gro ße Herausforderung darin besteht, dass wir uns in einem im mer schärfer werdenden internationalen Wettbewerb bewe gen. Wir dürfen und wir werden nicht den Fehler machen, uns mit den bisherigen Erfolgen – auch den Erfolgen der badenwürttembergischen Universitäten, z. B. bei der Exzellenzini tiative – selbstzufrieden zu begnügen. Denn wir merken: An dere Bundesländer sind aufgewacht.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Bayern!)

Sie haben nach dem Schock der ersten Phase der Exzellenz initiative deutlich nachgezogen, zum Teil erhebliche zusätz liche Mittel eingesetzt und Erfolge erzielt.

Wir sehen, dass die Entwicklung unserer Wissenschaft immer rascher voranschreitet, strukturelle Weiterentwicklung ver langt und damit zusammenhängend eine immer aufwendige re Infrastruktur erfordert. Wir spüren, dass der Wettbewerb in Wissenschaft und Wirtschaft an Intensität und Geschwindig keit weltweit enorm zugenommen hat. Länder wie z. B. Chi na machen es uns vor: Sie investieren rasant in Forschung und Entwicklung und betreiben teilweise eine geradezu aggressi ve Innovationspolitik.

Um die Innovationskraft Baden-Württembergs zu erhalten, müssen wir darauf Wert legen und darauf achten, ungenutzte Potenziale verstärkt in den Blick zu nehmen. Deswegen ha ben wir neben allem Schauen auf den Wettbewerb damit be gonnen, die Kooperationsfähigkeit unserer wissenschaftlichen Einrichtungen und ihre Fähigkeit, gesellschaftliche Akteure zu beteiligen, stärker zu unterstützen.

Im Wissenschaftsbereich bedeutet das: Wir stärken die Zu sammenarbeit zwischen den Fachbereichen, wir fördern die Kooperationen der Universitäten und Hochschulen unterein ander und eben auch die Zusammenarbeit mit außeruniversi tären Forschungseinrichtungen, wir fördern neue Formen der Kooperation zwischen Wirtschaft und Wissenschaft – ich nen ne hier nur kurz das Stichwort „Industry on Campus“ –, wir stärken den Wissenstransfer mit seinen Ausgründungen und knüpfen enge Verbindungen zwischen Wirtschaft, Wissen schaft und Gesellschaft; denn wir wissen, Innovationen wer

den sich nur dann realisieren, wenn sie nicht nur technolo gisch funktionieren, sondern auch in der Gesellschaft gewollt, verstanden und akzeptiert sind.

Minister Schmid hat schon viele wichtige Beispiele genannt, insbesondere in den Bereichen Energiespeicher, Elektromo bilität und Leichtbau. Lassen Sie mich einige weitere Elemen te hinzufügen, die mir wichtig sind.

Ich erwähnte bereits das Stichwort „Industry on Campus“. Wir haben jüngst zwei neue Industry-on-Campus-Projekte auf den Weg gebracht: Das eine ist ein Projekt der Hochschule für an gewandte Wissenschaften in Offenburg mit dem Energie dienstleister Badenova und der STEAG in Saarbrücken auf dem Gebiet der Bioenergieforschung mit einer Förderung von bis zu 1 Million € über fünf Jahre. Ferner haben wir im Jahr 2011 in Ulm das Industry-on-Campus-Projekt „Boehringer Ingelheim Ulm University BioCenter (BIU)“ gegründet, das sich mit dem Bereich der neurodegenerativen Krankheitsbil der und der Lungenerkrankungen befasst. Dieses wird über drei Jahre hinweg mit 1,5 Millionen € gefördert, und die Uni Ulm steuert selbst weitere 750 000 € bei.

Wir haben das Programm zur Förderung der Partnerschaft und des Technologietransfers zwischen den Hochschulen für an gewandte Wissenschaften und kleinen bzw. mittelständischen Unternehmen mit besonderer Relevanz für die regionale Wirt schaft aufgelegt. Das MWK fördert hier mit rund 3 Millio nen € verschiedene Projekte mit dem Schwerpunkt Energie effizienz.

Wir haben Zentren für Angewandte Forschung an Fachhoch schulen gefördert, in denen sich die Hochschulen für ange wandte Wissenschaften, Universitäten und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen bei Schlüsseltechnologien zu über greifenden Forschungsverbünden zusammenschließen. Aktu ell hat unser Ministerium zwei weitere dieser Zentren ermög licht, und zwar im Bereich der Medizintechnik und der Ener gietechnik. Federführend sind die Hochschulen Furtwangen und Aalen. Sie werden jeweils mit rund 2 Millionen € über drei Jahre hinweg gefördert.

Die großen Fragen unserer Zeit werden nicht allein von der Wissenschaft und auch nicht allein von der Wirtschaft gelöst werden können. Wir müssen es schaffen, alle miteinander an einem Strang zu ziehen, und wir müssen die gesellschaftli chen Rahmenbedingungen für Innovationen berücksichtigen. Die enge Sicht auf Innovationsprozesse, die man in der Ver gangenheit hatte, die singulär einzelne Technologieschritte zu fokussieren versucht hat, ist nicht mehr zeitgemäß. Innovati onsprozesse haben sich verändert, sie sind komplex.

Lassen Sie mich deshalb als ein Beispiel, anhand dessen wir versuchen, die Komplexität eines solchen Innovationsprozes ses zu bearbeiten, die Bioökonomie erwähnen. Forschung und Entwicklung zur Nutzung nachwachsender Rohstoffe führen zu neuen Wertschöpfungsketten und Stoffströmen, und sie können einen Beitrag zur Ernährungssicherheit und zu einem nachhaltigen Umgang mit knappen Ressourcen leisten.

Wir haben deshalb einen Strategiekreis eingesetzt, der ein For schungskonzept für Bioökonomie entwickeln wird, das auf den spezifischen Stärken unseres Landes Baden-Württemberg aufbaut. Dabei soll die Bioökonomie in Wertschöpfungsket ten und als Gesamtsystem betrachtet werden, und dabei sol

len die sozialen, ökonomischen, politischen und auch die ethi schen Rahmenbedingungen sowie die Auswirkungen auf Um welt und Gesellschaft umfassend und von Anfang an mit be rücksichtigt und im Dialog mit verschiedenen Partnern Stra tegien entwickelt werden. Vergleichbare Aktivitäten haben wir auch zum Thema Nachhaltigkeit begonnen.

Lassen Sie mich abschließend noch ein Wort zum Thema Fi nanzen sagen: Baden-Württemberg kann in der Tat stolz darauf sein, eine FuE-Intensität vorzuweisen, die bereits seit vielen Jahren weit über der Zielsetzung von 3 % liegt. Der Hauptan teil der hierfür bereitgestellten Mittel – das wurde auch bereits betont – wird von der Wirtschaft selbst getragen, 80 % werden von der Wirtschaft erbracht. Dafür sind wir dankbar. Wir hal ten das für wichtig und für eine große Stärke dieses Landes.

Umgekehrt muss man aber sagen: Der staatliche Anteil an den FuE-Aktivitäten stagniert seit Langem. Die unbedingt not wendigen Weiterentwicklungen der Forschungslandschaft werden in großem Umfang durch einmalige Sonderfinanzie rungen getragen. Das gilt etwa für die Einrichtung unserer Schwerpunkte im materialwissenschaftlichen Bereich oder auch für große EU-Forschungsverbünde wie z. B. die Know ledge and Innovation Community InnoEnergy, die vom KIT in Karlsruhe koordiniert wird.

(Zuruf des Abg. Volker Schebesta CDU)

Wenn es um die Exzellenzinitiative geht, ist es ähnlich. Es sind Sonderfinanzierungen, die dieses ermöglichen. Diese Fi nanzierungen laufen in den nächsten Jahren aus. Wir werden große Anstrengungen unternehmen müssen, um zu verhin dern, dass ein Loch in unser Innovationssystem gerissen wird. Wir dürfen die Entwicklungen, die mit diesen Mitteln in Gang gesetzt wurden, nicht abbrechen lassen. Deswegen brauchen wir auch und vor allem für die Exzellenzinitiative Anschluss finanzierungen, die die erfolgreich angestoßenen Erneuerun gen nachhaltig absichern.

Nicht zuletzt gehört dazu eine funktionierende und moderne Infrastruktur, um auf höchstem Niveau forschen und lehren zu können. Wir brauchen Gebäude, Labore, Bibliotheken. Die Kosten für den Erhalt und die Erneuerung dieser Infrastruk tur werden nicht weniger, sondern steigen stetig an. Deswe gen brauchen wir – lassen Sie mich auch das betonen – für die Finanzierung der nötigen Forschungsinfrastruktur die gemein same Anstrengung von Bund und Ländern. Nur gemeinsam kann es uns gelingen, die nötigen finanziellen Mittel dafür zur Verfügung zu stellen.

Forschung ist eine unverzichtbare Basis der Innovationskraft und des Wohlstands unseres Landes. Das wird künftig in noch viel stärkerem Maß als heute so sein.

Deswegen: Eine leistungsfähige Forschungsinfrastruktur zu erhalten ist ein Gebot der Nachhaltigkeit. Denn die Chancen der künftigen Generationen in Baden-Württemberg werden davon abhängig sein, dass wir heute in die Leistungsfähigkeit unserer Wissenschaft investieren. Um an der Spitze dieses Wettbewerbs bleiben zu können, dürfen wir nicht nur das wei ter tun, was bislang getan wurde, sondern wir werden in der Verstärkung unserer Anstrengungen nicht nachlassen dürfen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich muss feststellen, dass die Regierungsvertrete rin und der Regierungsvertreter zusammen 50 % der Redezeit der Fraktionen überschritten haben. Deshalb würde es nach § 83 a der Geschäftsordnung noch einmal eine Runde geben. Mir wurde aber mitgeteilt, dass die Fraktionen darauf verzich ten, sodass wir Tagesordnungspunkt 2 beenden können

(Beifall des Abg. Gernot Gruber SPD)

und zu Tagesordnungspunkt 3 übergehen, da die beiden Gro ßen Anfragen besprochen sind.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des Gesetzentwurfs der – –

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Überwei sung! – Abg. Volker Schebesta CDU: Den Antrag überweisen!)

Was überweisen?

(Abg. Volker Schebesta CDU: Da ist ein Antrag auf der Tagesordnung!)

Entschuldigung, ich war zu schnell.

Der Antrag Drucksache 15/2911 wird vorberatend an den Aus schuss für Wissenschaft, Forschung und Kunst und federfüh rend an den Ausschuss für Finanzen und Wirtschaft überwie sen. – Sie stimmen zu. Danke schön.

Damit ist Punkt 2 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der FDP/ DVP – Informationsfreiheitsgesetz für Baden-Württem berg – Drucksache 15/3114

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Für die Begründung erteile ich Herrn Abg. Professor Dr. Goll das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Vorweg: Dass wir diesen Gesetzent wurf heute einbringen müssen, ist natürlich zunächst einmal ein Armutszeugnis für die Regierung und die Regierungs mehrheit. Das lässt sich nicht beschönigen.

(Beifall des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP – Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Ein einsames Klatschen!)

Es geht um eine Sache, die Sie im Wahlkampf für überfällig erklärt haben. Sie ist demnach seit zwei Jahren überfällig. Sie hätten schon zwei Jahre Zeit gehabt, ein entsprechendes Ge setz auf den Weg zu bringen. Wir stellen fest: Bis heute gibt es hierzu kein Gesetz.

Letzten Endes geht es um eine einfache Sache: Die Verwal tung hat viel mehr Informationen als die Bürger – das ist lo gisch –, weil sie bei der Verwaltung gesammelt werden. Auf

der anderen Seite steht das Interesse der Bürger an Informa tionen. Nun kann natürlich nicht jede Behörde jedem alles er zählen. Daran denkt doch kein Mensch. Jeder hätte etwas da gegen, wenn alle Leute etwa in einen Bauantrag Einsicht neh men könnten.

In der Gesetzesinitiative geht es um eines – um nicht mehr und nicht weniger –: Bisher gibt es in besonders geregelten Fällen ein Auskunftsrecht bzw. Fragerecht und eine Aus kunftspflicht der Behörde. Nach der neuen Regelung wäre es umgekehrt: Die Behörde ist dann grundsätzlich verpflichtet, Auskunft zu erteilen – es sei denn, dem stünde irgendein Grund entgegen. Diese Gründe gibt es durchaus; das wissen wir. Das können Belange der inneren Sicherheit oder des per sönlichen Datenschutzes von Dritten sein, um Überschriften zu nennen. Es geht also darum: Der Bürger hat grundsätzlich einen Anspruch auf Auskunft, und die Behörde muss Auskunft geben – es sei denn, es würde ein Ausnahmetatbestand grei fen.

Es ist sinnvoll, so etwas einzuführen. Die Grünen haben es in der letzten Legislaturperiode selbst gefordert und sogar einen Gesetzentwurf hierzu vorgelegt. Wir schlagen ein ähnliches Vorgehen vor, ein sogenanntes Verweisgesetz. Das zeigt auch, wie einfach und schlüssig das umzusetzen ist: mit einem Ver weisgesetz. Ähnlich wurde es auch in anderen Bundesländern – früher in Hamburg – gemacht. Wir verweisen einfach auf die bundesrechtliche Regelung in ihrer jeweiligen Form. Die se bundesrechtliche Regelung – auch das ist bekannt und pi kant – wurde 2004 von Rot-Grün eingeführt. Deswegen soll ten Sie eigentlich dazu stehen. Man kann sich darüber strei ten, ob sie schon weit genug reicht. Sie wird jetzt auch ein Stück weit reformiert. Dieses Vorgehen würde uns einen er heblichen Schritt nach vorn bringen – da sind wir uns einig – und wäre denkbar einfach umzusetzen.