Protocol of the Session on June 29, 2011

Nein, Sie auch.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, eines will ich in dieser Debatte sehr deutlich klarstellen, auch, weil es heute wiederholt wur de.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie haben das Pro blem, dass Sie die Geister, die Sie riefen, nicht los werden!)

Jede heiße Auseinandersetzung, sei sie noch so scharf und noch so hart, muss in dieser Gesellschaft friedlich, gewaltfrei und zivil bleiben, auch wenn es um einen Bahnhof geht.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie Abgeord neten der CDU und der FDP/DVP – Abg. Nicole Ra zavi CDU: Hört, hört!)

Übrigens ist der Streit über dieses Projekt bisher in weiten Tei len, über viele Jahre hinweg, sehr friedlich gewesen. Ich kann Ihnen wirklich sagen, dass ich persönlich Jahre in diese De batte gesteckt und immer alles dafür gegeben habe, dass die ser Konflikt im Diskurs ausgetragen wird, mit Argumenten, mit Zahlen, mit Konzepten, mit Alternativen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Mit Mehrheiten!)

Das trägt zu einer Deeskalation des Konflikts bei.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Welche Rolle spielen Mehrheiten bei Ihnen?)

Meine Damen und Herren, ich habe Gewalt gegen Sachen und gegen Personen immer abgelehnt – ich persönlich; ich sage das so persönlich. Denn ich habe, wenn ich das jetzt sagen darf, in den frühen Siebzigerjahren den Wehrdienst verwei gert; damals musste man noch eine Prüfung machen. Deshalb könnte ich auch etwas ironisch sagen: Ich bin einer der staat lich auf Gewaltfreiheit geprüften Pazifisten.

(Beifall bei den Grünen – Oh-Rufe von der CDU)

Das war und ist für mich in meinem politischen Leben eine Grundüberzeugung gewesen. Deswegen habe ich auch, als es am Montagabend in der vergangenen Woche zu den gewalt samen Auseinandersetzungen gekommen ist, am gleichen Abend sofort gesagt, dass ich das ablehne, dass es keinen, aber auch gar keinen Rechtfertigungsgrund gibt.

(Beifall bei den Grünen – Zurufe von der CDU)

Ich möchte auch gern etwas zum Thema Polizei sagen sowie zu dem, was mit diesem Polizisten passiert ist. Ich bedaure es außerordentlich, dass hier Menschen verletzt wurden. Ich hal te es auch wirklich für völlig daneben und auch für nicht nach vollziehbar, dass einige aus der Protestbewegung versucht ha ben, das wegzureden. Da gibt es für mich überhaupt keinen Zweifel. Ich habe mich sofort mit dem Innenminister und dem Polizeipräsidenten in Verbindung gesetzt und habe keinen Zweifel daran, dass es verletzte Polizisten gab. Ich hoffe, dass sie auf dem Weg der Genesung sind.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Heribert Rech CDU meldet sich.)

Meine Damen und Herren, wenn vorhin gesagt wurde, der Staat fliehe oder gehe in die Knie – –

(Abg. Heribert Rech CDU: Zwischenfrage! – Glocke des Präsidenten)

Herr Minister Hermann – –

Nein, ich möchte jetzt keine Zwischenfrage beantwor ten, sondern im Zusammenhang darstellen.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Das ist der Dia log!)

Wer sagt, der Staat gehe in die Knie, wenn die Polizei Dees kalationsstrategien entwickelt, hat nicht verstanden, wie mo derne Polizeiarbeit funktioniert und wie es gelingt,

(Abg. Nicole Razavi CDU: Zurückweichen muss sie!)

Konflikte möglichst tief, möglichst zivil zu halten.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Der Innenminister muss gerade tief schlucken!)

Ich sage ganz offen: Ich habe alle Achtung vor Polizeipräsi dent Züfle, den ich übrigens schon lange aus Tübingen ken

ne. Das ist ein exzellenter Experte für zivilisierende Polizei einsätze,

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Was heißt das? Gibt es auch andere?)

sodass von der Polizei selbst eine Wirkung auf diejenigen, die gewaltbereit sind, dergestalt ausgeht, dass sie keine Gewalt ausüben. Das ist das Entscheidende an einer Deeskalations strategie.

(Beifall bei den Grünen – Zurufe von der CDU)

Ich will auch ganz klar sagen: Diejenigen, die behauptet ha ben, die Polizei hätte Gewalt sozusagen provoziert – – Dafür haben wir keinerlei Anhaltspunkte. Das ist eine pure Speku lation – insofern auch dazu eine klare Zurückweisung – von einigen aus dieser Protestbewegung, die versucht haben, das, was geschehen ist, zu relativieren.

Nun zum Thema Baurecht. Dazu gab es schon vielfach Dis kussionen. Ich habe auch schon mit Kollegen, beispielsweise Frau Gönner, öfter diskutiert – im Fernsehen und anderswo. Ich kann auch hier noch einmal in aller Klarheit feststellen: Bei diesem Projekt besteht eben nicht in allen Teilen ein Bau recht, weil es beispielsweise zum Abstellbahnhof Untertürk heim noch keinen Planfeststellungsbeschluss gibt, weil wir heute noch immer nicht wissen, wie es nach den aktuellen Pla nungen oben auf den Fildern weitergeht. Dafür ist noch nicht einmal das Planfeststellungsverfahren eingeleitet. Wie ich in zwischen höre, wird komplett umgeplant. Man könnte auch sagen: Wir fangen unten mit dem Bau der Röhre an, ohne ge nau zu wissen, wo wir oben herauskommen dürfen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja, ja! Jetzet! – Unruhe)

Meine Damen und Herren, das sind die Einwände gegen die se Art des Vorgehens.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU – Glocke des Präsidenten)

Herr Minister Hermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Da gilt das Gleiche wie zuvor. Ich möchte gern im Zu sammenhang reden. Ich habe ohnehin Schwierigkeiten, weil Sie immer dazwischenreden. Deswegen mache ich weiter.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Er ist das aus dem Bundestag nicht gewohnt!)

Ich kann auch mit Zwischenfragen umgehen, aber ich möch te gern im Zusammenhang reden.

Sie haben nach der Projektförderungspflicht gefragt. Diese steht zu Recht im Finanzierungsvertrag. Wir haben sie wahr genommen. Ich habe im Lenkungskreis auch sehr deutlich ge äußert, dass sich die Landesregierung dieser Verpflichtung be wusst ist. Aber man muss sich auch bewusst sein, dass wir nach diesem Vertrag nicht die Einzigen sind, die Verpflichtun gen eingegangen sind. Auch die anderen haben Pflichten, bei spielsweise die Bahn. Darauf komme ich gleich noch.

Aber ich sage für diese Landesregierung ganz klar: Natürlich arbeiten die nachgeordneten Behörden dieser Landesregie rung dieses Projekt nach Recht und Gesetz ab. Selbstverständ lich arbeiten die Regierungspräsidien in Tübingen oder in Stuttgart an diesem Planfeststellungsverfahren. Das ist über haupt keine Frage. Ich kann Ihnen versichern, dass niemand in der Landesregierung beschleunigend oder verlangsamend eingreift. Dort wird nach Recht und Gesetz auftragsgemäß ge arbeitet.

(Abg. Peter Hauk CDU: Und wie verhält es sich mit dem Thema Umweltministerium?)

Zum Thema Projektförderungspflicht kann ich nur sagen: Da zu haben wir auch klare Aufträge aus dem Landtag bekom men. Als der Landtag dieses Projekt beschloss, hat er gesagt: Ihr habt als Regierung die Aufgabe und die Verpflichtung, ei ne ganz strenge Finanzkontrolle zu fahren, zu schauen, ob die ses Projekt noch durchfinanziert ist, ob es reicht oder ob etwa die Baurisiken steigen und die geplanten Baukosten über schritten werden. Da müsste man einmal nachfragen. Das se he ich als eine ganz wichtige Verpflichtung an.

Es ist doch selbstverständlich, dass ein Land, das so viele Mil lionen in ein Projekt steckt mit dem Ziel, mehr Schienenver kehr zu ermöglichen, mehr Menschen in die Bahn zu bringen, immer wieder fragen muss: Dienen die Millionen, die wir da hineinstecken, auch tatsächlich dem Ziel, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen? Oder wird nur viel Geld verbaut, oh ne dass sich ein verkehrlicher Nutzen ergibt?

Noch etwas: Wir sind dem Haushaltsgesetzgeber gegenüber auch verpflichtet, sparsam mit dem Geld umzugehen, genau zu schauen, was mit dem Geld geschieht, damit es nicht in Be reichen verschwindet, für die es vom Zweck her eigentlich nicht vorgesehen ist.

Was heißt das sonst noch? Wir Grünen wohlgemerkt haben den Schlichtungsprozess mit angestoßen. Uns war es wichtig, aus dieser verfahrenen Situation herauszukommen, zu errei chen, dass die Leute, die gegeneinanderstehen, sich an einen Tisch setzen, dass sie sich über die Fakten und die Zahlen ver ständigen.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Das wissen wir doch al les! Wann beantworten Sie meine Fragen?)

Am Ende dieses Schlichtungsverfahrens hat Heiner Geißler einen klaren Spruch getroffen, der da lautet: Für dieses Pro jekt muss in einem Stresstest nachgewiesen werden, dass es in der Spitzenstunde mindestens 30 % mehr leisten kann, dass also mehr Züge fahren können als aktuell im Kopfbahnhof.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist alles be kannt!)

Er hat aber auch noch gesagt: „Dazu gehört auch ein Notfall konzept.“ Ein solches Notfallkonzept liegt bis heute überhaupt nicht vor. Darauf warten wir noch.

Heiner Geißler hat eine ganze Latte weiterer Auflagen ge macht, die das Projekt verbessern sollen: Barrierefreiheit, mehr Sicherheit, breitere Bahnsteige, neuntes und zehntes Gleis – alles sehr aufwendige und sehr teure Punkte.