In Vorbereitung ist jetzt die Änderung des Transsexuellenge setzes, das über 30 Jahre alt ist und das inzwischen medizi nisch-wissenschaftlich nicht mehr aktuell und entsprechend zu überarbeiten ist.
Auf der Homepage des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland – im August habe ich diese Homepage zuletzt besucht – wird anerkannt, dass die Gleichstellung Homose xueller in Deutschland in Ordnung ist. Eine Ausnahme hier von bilden die Themen Ehegattensplitting und Adoptionsrecht. Das sind die beiden Punkte, die Frau Kollegin Lösch erwähnt hatte.
Ich habe Verständnis, wenn die CDU derzeit sagt: „Wir wol len die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im nächsten Jahr zum Thema Ehegattensplitting für eingetrage ne Lebenspartnerschaften abwarten.“ Das Ehegattensplitting ist ein komplexes Thema. Schon 1998 hatte das Bundesver fassungsgericht – das können Sie übrigens auf der Homepage der Friedrich-Ebert-Stiftung, sicherlich keine ausgewiesen li berale Stiftung, nachlesen – geschrieben, dass das Ehegatten splitting aufgrund ungleicher Verteilungswirkungen und der Anknüpfung an die Ehe nicht als Familienförderung zu recht fertigen ist. Das war 1998. Meines Wissens haben von 1998 bis 2005 nicht CDU und FDP regiert, sondern das war eine Koalition aus SPD und Grünen. Sieben Jahre lang ist bei die sem Thema nichts passiert.
Man muss einfach noch einmal feststellen: Das ist ein kom plexes Thema. Als das Ehegattensplitting vor etwa 50 Jahren eingeführt wurde, war dies durchaus sinnvoll; das ist gar kei ne Frage. Wenn wir uns aber einmal die Statistiken daraufhin anschauen, wie sich die Familien zusammensetzen, sehen wir, dass dieses Instrument nicht geeignet ist, Familien mit Kin dern zu fördern. Aber auch ein Familiensplitting wäre nicht das einzig glückselig machende Instrument; denn das Fami liensplitting würde dazu führen, dass Eltern mit höheren Ein
Deswegen bedarf es einer Kombination aus Familiensplitting und direkter Familienförderung. Da dies alles nicht so einfach ist, ist es, glaube ich, wichtig, dass das Bundesverfassungsge richt auch hier eine entsprechende Position zum Ausdruck bringt. Denn wir müssen heute den Fokus sicherlich weniger auf die Frage richten, ob es sich jeweils um ein Zusammenle ben gleichgeschlechtlicher oder gemischtgeschlechtlicher Part ner handelt, sondern wir müssen gerade im Hinblick auf die demografische Entwicklung den Fokus auf Familien mit Kin dern richten. Das sollte meines Erachtens im Vordergrund ste hen.
Bei der Diskussion vermisse ich immer wieder einmal – des halb wollen wir von der FDP hier auch Brücken bauen –, dass wir neben der Novellierung des Ehegattensplittings auch den Fokus auf eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf legen. Denn nur, wenn wir die Förderung so ausgestalten, dass Frauen verstärkt berufstätig sind, ermöglichen wir ökonomi sche Sicherheit sowie eine längerfristige verlässliche Absi cherung. Das lässt sich nur mit einer entsprechenden Erwerbs tätigkeit erreichen. Hierzu gibt es eine Vielfalt von Aktivitä ten, die ich hier gar nicht im Einzelnen ausführen will. Aber ich glaube, die FDP wird dabei sehr gebraucht werden, um die Brücken zu bauen. Das tun wir auch im Landtag sehr gern.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Wissenschaft widmet sich schon seit Jahrzehnten der Frage, ob Zeitreisen möglich sind. Die CDU ist da schon viel weiter. Sie braucht nicht einmal, wie Marty McFly, einen DeLorean, um in die Vergangenheit zu reisen. Nein, wo andere Zeitma schinen brauchen, braucht die CDU Parteitage. Denn sie hat in den letzten Wochen bewiesen, dass sie Beschluss für Be schluss in die Fünfzigerjahre zurückkehrt. Das Motto scheint zu lauten: Außen Mutti, innen Mief.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Thaddäus Kunzmann CDU: Das Ministeramt verlangt mehr Niveau!)
Das Frauenbild, das Gesellschaftsbild der CDU beruht auf dem Bild der Frau als Heimchen am Herd. Deshalb wird das Betreuungsgeld als „Herdprämie“ genau dieses Gesellschafts bild zementieren.
Im Steuerrecht folgen Sie der gesellschaftlichen Entwicklung nicht, nein. Beim Ehegattensplitting, bei der Frage der Fami lienförderung über das Steuerrecht ist für Sie immer noch der Trauschein das Entscheidende und nicht die Frage, ob Kinder da sind. Auf Ihrem Bundesparteitag haben Sie erneut be
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das stimmt! Ge nau so ist es! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/ DVP: Schwacher Beifall bei der SPD!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dass solche Debat ten auf Bundesparteitagen der CDU, im Bundestag und, wie gestern, auch im Vermittlungsausschuss des Bundesrats im mer noch geführt werden müssen, ist kein Zeichen von Kon servativismus – es ist nicht einmal konservativ –, sondern es ist katastrophal. Es ist eine Schande für eine moderne Gesell schaft im Jahr 2012.
Folge dieser Debatten ist nicht nur, dass eine große Volkspar tei bei Wahlen eine Großstadt nach der anderen verliert – das könnte uns ja egal sein –,
(Abg. Thaddäus Kunzmann CDU: Damit habt ihr ja Erfahrung! – Abg. Klaus Herrmann CDU: Ihr habt da viel mehr Erfahrung als die CDU! 15 % in Stuttgart!)
sondern Sie setzen damit den Zusammenhalt der Gesellschaft aufs Spiel. Sie riskieren, dass die gesellschaftlichen Gruppen weiterhin auseinanderdividiert werden, dass Minderheiten ausgegrenzt werden. Wir, die Landesregierung von BadenWürttemberg, wollen das gesellschaftliche Miteinander nicht aufs Spiel setzen, wir wollen die Gesellschaft nicht weiter aus einandertreiben, sondern wir wollen dieses Miteinander be fördern. Darum geht es, auch in der heutigen Debatte.
Deshalb ist für die Landesregierung klar: Gleichstellung ist ein Bürgerrecht. Für uns gibt es keine Liebe erster oder zwei ter Klasse. Für uns ist eine homosexuelle Partnerschaft auch nicht ein Lebensentwurf oder gar ein bloßer Lifestyle. Nein, es ist gelebtes Leben von Menschen in diesem Land. Deshalb wollen wir auch im Einkommensteuerrecht Schluss mit der Diskriminierung machen.
Wir haben direkt nach dem Wechsel begonnen, hier im Land zu handeln. Wir haben die Standesämter für eingetragene Le benspartnerschaften von Homosexuellen geöffnet. Damit ha ben wir mit der entwürdigenden Praxis von Schwarz-Gelb, dass sich Liebende auf einer Kfz-Zulassungsstelle das Jawort geben müssen, endlich Schluss gemacht.
(Abg. Klaus Herrmann CDU: Die beiden wollten das! – Abg. Matthias Pröfrock CDU: So ein Quark! – Ge genruf des Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist kein Quark! Tatsache!)
Wir haben unter Federführung des Sozialministeriums einen Aktionsplan für Toleranz und Gleichstellung in Arbeit, mit dem wir Vorurteile gegenüber Lesben, Schwulen, Bisexuel len, Intersexuellen und Transgendern abbauen wollen. Wir wollen Baden-Württemberg zu einem Vorreiter in Sachen Of fenheit gerade auch gegenüber diesen Menschen machen.
Dieser Aktionsplan wird zusammen mit einem Beirat erarbei tet. Über 40 Vereine und Initiativen aus Baden-Württemberg sind beteiligt, weil wir von Anfang an in allen Feldern des Zu sammenlebens, angefangen in der schulischen Bildung, in der Arbeitswelt und natürlich auch im öffentlichen Dienst, dafür werben wollen, das Füreinander-Eintreten hochzuhalten, egal, welchen Geschlechts die einander Liebenden sind. Es ist ein wichtiges Signal, dass wir in Baden-Württemberg mit dieser Regierung die gesellschaftliche Modernisierung des Landes voranbringen.
Wir haben außerdem im Besoldungsrecht den Familienzu schlag für verpartnerte Beamtinnen und Beamte eingeführt und endlich umgesetzt. Wir wollen auch im Einkommensteu errecht die Diskriminierung von Homosexuellen endlich be enden. Das heißt, die Gleichstellung von eingetragenen Le benspartnerschaften mit der Ehe im Steuerrecht ist unser Ziel.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist nicht nur ei ne Frage der grundrechtlichen Gleichstellung nach der Ver fassung. Es ist auch eine logische Folge aus dem zivilrechtli chen Einstehen von Lebenspartnern füreinander. Dort sind sie gleichgestellt, dort werden wechselseitige Unterhaltsansprü che festgehalten. Welche Rechtfertigungsgründe für eine steu erliche Ungleichbehandlung kann es denn dann noch geben? Für uns ist klar: Wer gleiche Pflichten hat, dem kann man auch die gleichen Rechte nicht länger verwehren.
All jenen, die sich jetzt um den besonderen Schutz der Ehe Sorgen machen, kann ich nur zurufen: Keine Ehe in diesem Land wird durch diese Gleichstellung auch nur im Gerings ten tangiert. Deshalb will ich sagen: Jawohl, wir richten uns an der Verfassung aus. Das ist die Richtschnur, die wir haben. Sie spricht eine deutliche Sprache; sie verlangt diese Gleich stellung auch im Einkommensteuerrecht.
Deshalb sage ich Ihnen, liebe Kollegen von der CDU: Hören Sie damit auf, Politik auf dem Rücken von Minderheiten zu betreiben. Beenden Sie Ihren Irrweg zurück in den gesell schaftlichen Mief der Fünfzigerjahre, und folgen Sie vielleicht Ihrem Landesvorsitzenden Thomas Strobl, der zumindest in diesem Punkt Erkenntnisfähigkeit gezeigt hat.
Wenn Sie jetzt, lieber Kollege Kunzmann, bejubeln, auf ei nem CDU-Bundesparteitag sei 90 Minuten lang über das The ma diskutiert worden,
dann muss ich fragen: Ist es jetzt der Maßstab für offene De batten bei der CDU, dass man 90 Minuten offen über ein The ma diskutiert?
Danach sagte Herr Strobl, die Debatte sei ein Wert an sich ge wesen, die Partei habe sich bei diesem Thema geöffnet. Wie lange sollen wir denn warten, bis die CDU bei diesem Thema endlich handelt, meine sehr verehrten Damen und Herren?
Wo war denn Herr Strobl gestern bei der Sitzung des Vermitt lungsausschusses, als es – auch auf Antrag des Landes BadenWürttemberg; denn wir, die Landesregierung, engagieren uns auch in der Bundespolitik für die Gleichstellung der gleich geschlechtlichen Lebenspartnerschaften – zum Schwur kam? Wo war Herr Strobl als Vorsitzender der CDU Baden-Würt temberg, als es darum ging, dieses wichtige Anliegen im Steu errecht endlich zu einem Ergebnis zu bringen? Nichts war von ihm zu sehen. Die CDU Baden-Württemberg und ihr Vorsit zender Thomas Strobl haben sich in diesem Punkt überhaupt nicht engagiert. Damit ist erneut eine Chance verpasst wor den, diese Gleichstellung endlich voranzubringen.
Deshalb sage ich Ihnen, sehr verehrte Damen und Herren, lie be Kolleginnen und Kollegen von der CDU: Diese Landesre gierung ist angetreten, um Vielfalt in der Gesellschaft nicht als Gefahr, sondern als Chance zu sehen. Ich fordere Sie auf: Sehen auch Sie Vielfalt in der Gesellschaft nicht weiter als Bedrohung, sondern als Chance für solidarisches Miteinan der.
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Herr Kunzmann, es wird Sie nicht wun dern, dass ich von Ihrem Wortbeitrag doch enttäuscht bin. – Wo ist er denn?
Ach da. – Sie sprachen davon, dass die 90-Minuten-Debat te eine Sternstunde des Parteitags gewesen sei. Ich möchte gern auf das hinweisen, was ein CDU-Mitglied, Herr Ronny Pohle, nach dieser Debatte gesagt und getan hat. Was er ge tan hat, war: Er ist aus der CDU ausgetreten.