Aber der Gedanke der Resozialisierung zieht sich auch durch den allgemeinen Strafvollzug; das gilt insbesondere auch für den Jugendstrafvollzug. Ich bin deshalb dankbar, dass wir auch in diesem Haushalt eine Reihe von Maßnahmen realisie ren können, z. B. die Verstetigung des Projekts „Schwitzen statt Sitzen“. Das vermeidet Haft.
Wir haben mit dem Projekt hervorragende Erfahrungen ge macht und werden es auch in Zukunft fortsetzen. Ich bin froh, dass die Fraktionen uns hierin unterstützt haben und entspre chende Mittel bereitgestellt werden.
Ich bin auch froh darüber, dass wir das Nachsorgeprojekt „Chance“ verstetigen können und insbesondere auch das Ge walt- und Sexualstrafpräventionsprojekt BIOS-BW neu in den Haushalt aufnehmen konnten.
Die vielfältige Arbeit der Straffälligenhilfe ist bereits skizziert worden. Dort wird hervorragende Arbeit geleistet. Da gilt mein Dank all denjenigen, die sich in diesem Bereich enga gieren.
Wir wollen auch die Zahl der Häuser des Jugendrechts ver mehren. Wir haben in Pforzheim in diesem Jahr das Haus des Jugendrechts eröffnen können, und wir haben in diesem Haus halt ein weiteres Haus ins Auge gefasst.
Natürlich haben wir auch die Opfer von Straftaten im Blick. Deshalb war es uns ganz wichtig, die Stiftung Opferschutz weiterführen zu können und jetzt regulär über den Haushalt zu finanzieren. Ich habe zusammen mit der Kollegin Altpeter und dem Kollegen Gall eine Opferschutzkommission gegrün
det, die sich vor allem mit der Frage beschäftigt, wie wir Op fern von Straftaten auf Dauer über rein finanzielle Zuwendun gen hinaus – dafür gibt es ja Instrumente – helfen können. Das ist ganz wichtig, weil häufig in der öffentlichen Diskussion der Eindruck entstehen konnte, dass wir zu sehr auf die Tä terseite schauen und die Opfer zu wenig in den Blick nehmen. Diese Landesregierung schaut auch gezielt auf die Opfer.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Karl Zimmermann CDU und Dr. Ul rich Goll FDP/DVP – Abg. Karl Zimmermann CDU: Deshalb begrüßen wir auch die Revision, Herr Mi nister!)
Zum Thema „Wirtschaftlichkeit und Strafvollzug“ muss ich jetzt natürlich auf Offenburg eingehen. Ich bin froh, Herr Dr. Goll, dass Sie sich so differenziert und gleichzeitig sehr sach lich mit dem Thema auseinandergesetzt haben, weil Sie in der Tat früher eine andere politische Richtung verfolgt haben, was die Teilprivatisierung angeht. Sie haben das begründet. Ich nenne das jetzt der Einfachheit halber Teilprivatisierung.
In einem kann ich Ihnen allerdings nicht folgen, nämlich wenn Sie sagen, dass wir aus ideologischen Gründen diese Rück führung in den staatlichen Bereich vornähmen. Wir haben ei ne teilprivatisierte Haftanstalt in Baden-Württemberg; in ganz Deutschland gibt es drei. Es gibt Hunderte von Strafanstalten – zum Teil große Strafanstalten –, die in staatlicher Hand sind. Ich kann nicht erkennen, was an dem Weg der Landesregie rung ideologiebehaftet sein soll. Wir machen den Normalfall. Das hat mit Ideologie nichts zu tun.
Es gibt allerdings sachliche Gründe für diese Zielsetzung, die wir schon im Koalitionsvertrag niedergelegt haben. Wir sind der festen Überzeugung: Strafvollzug ist eine ureigene staat liche Aufgabe und ist deshalb durch staatlich Bedienstete wahrzunehmen. Davon rücken wir nicht ab.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Der hört ja gar nicht mehr auf!)
Dass dies nicht zum Nulltarif zu haben ist, wie manche viel leicht meinen, ist doch klar. Wir haben jetzt eine Firma, die den teilprivatisierten Betrieb in Offenburg betreibt. Sie arbei tet dort mit 100 fremden Arbeitnehmern. Was mich zutiefst bewegt, ist: Wir arbeiten in unseren Strafvollzugsanstalten mit ausgebildetem und ausgesuchtem Personal, Personal, das wir aussuchen, schulen und einsetzen. Wir haben dagegen keinen Einfluss auf die Arbeitnehmer, die uns ein privater Arbeitge ber stellt und die dann quasi hoheitliche Aufgaben im Straf vollzug wahrnehmen. Das sind vor allem Aufgaben, die einen ganz engen Kontakt mit Gefangenen mit sich bringen.
Das gesamte Arbeitswesen wird in Offenburg durch diese pri vate Firma organisiert und gestaltet. Das heißt, die meiste Zeit des Tages verbringen Häftlinge mit externen Mitarbeitern – über deren Qualität ich jetzt nichts sagen will, auch nichts Ne gatives. Aber es kann nicht der Weg sein, dass uns sozusagen die Herrschaft in einer Strafanstalt in private Hände entglei tet. Das kann nicht das Ziel sein.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl Zimmermann CDU: Alle Unternehmerbetriebe sind privat! Ich kenne auch keinen staatlichen Zahnarzt in der JVA! – Unruhe – Glocke des Präsidenten)
Wir können ja auch weiß Gott nicht sagen, dass wir durch die sen teilprivatisierten Betrieb auf Dauer Geld sparen. Die Zah len – sie wurden vorhin genannt – sprechen eine andere Spra che. Auch die Stellungnahme des Rechnungshofs sprach eine andere Sprache.
Ich möchte allerdings auch sagen, dass wir beim Strafvollzug natürlich ebenfalls einem ständigen Wandel unterworfen sind. Es gibt Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und der Rechtsprechung, wie Hafträume auszugestalten sind und wel che Therapieangebote zu machen sind. Da brauchen wir ent sprechende bauliche Gegebenheiten, in denen wir das reali sieren können. Unsere Haftanstalten sind in der Tat zum Teil sehr alt; das wurde zutreffend beschrieben. Sie haben teilwei se recht musealen Charakter. Manche stammen aus einer Zeit, die 100 Jahre zurückliegt. Diese Haftanstalten können wir nicht mehr wirtschaftlich betreiben, insbesondere nicht mehr die kleinen Haftanstalten. Wir können sie auch nicht richtig sanieren; man denke nur einmal an die Notwendigkeit einer energetischen Sanierung.
Deshalb müssen wir unser Haftentwicklungsprogramm fort schreiben und werden nach wie vor am Neubau einer Haftan stalt im südlichen Teil des Landes festhalten.
Die Standortfrage befindet sich derzeit in der Klärung und Ab stimmung zwischen den Ressorts und den Regierungsfrakti onen. Aber wir brauchen den Neubau, weil wir trotz zurück gehender Haftzahlen mehr Platz für die einzelnen Zellen und für entsprechende Angebote benötigen.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD sowie des Abg. Karl Zimmermann CDU – Abg. Karl Zimmermann CDU: Da muss ich anfangen zu applau dieren!)
Zu Recht wurde darauf hingewiesen, dass der Justizhaushalt ein Personalhaushalt ist und wir uns unsere Aufgaben nicht aussuchen können. Die Zahl der Verfahren haben wir nicht selbst in der Hand. Deswegen bin ich froh, dass wir trotzdem strukturell zur Konsolidierung des Haushalts beitragen kön nen. Ich habe das bezüglich der Notariats- und Grundbuch amtsreform bereits anklingen lassen.
Wir werden da à la longue etwa 1 000 Stellen über die nächs ten Jahre einsparen. Das ist, meine ich, ein ganz erheblicher struktureller Beitrag, der dann auch entsprechende Begleit maßnahmen, was die Modernisierung angeht, erfordert.
Wir haben es geschafft, zusammen mit Frau LeutheusserSchnarrenberger eine Regelung zu erarbeiten, durch die wir mehr Gebühren einnehmen, die in den Haushalt fließen kön nen. Das war ein harter Kampf zwischen dem Bundesrat und der Bundesregierung. Aber ich glaube, dieser Kampf lohnt sich im Interesse der Stärkung unseres Haushalts.
Ich weiß natürlich, dass die Bediensteten in unserer Justiz, ob Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwäl te, Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger oder Servicekräfte, einen hervorragenden Dienst unter schwierigen Bedingungen leisten.
Wir versuchen natürlich, die Arbeitsbedingungen mit den Maßnahmen, die ich aufgezeigt habe, entsprechend positiv zu gestalten.
(Anhaltende Unruhe – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU zu Grünen und SPD: Jetzt hört einmal eurem Minister zu! – Glocke des Präsidenten)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um Aufmerksamkeit. Sonst muss ich lau fend mit der Glocke läuten.
Vielen Dank. – Ich ge he davon aus, dass dem Kollegen Rau und der Kollegin Ra zavi die Verfassung in diesem Punkt geläufig ist.
Aber ich muss auch sagen, Herr Hitzler, dass ich Ihre Kritik in einem Punkt nicht teilen kann. Sie haben weder im Finanz ausschuss noch heute in den Haushaltsberatungen auch nur einen einzigen Antrag gestellt, der von unserem Haushalt ab weichen würde. Sie wissen genau, dass sich die Richterbesol dung immer im Einklang mit der Beamtenbesoldung insge samt befunden hat und wir auch da in einem gemeinsamen Boot sitzen, was die Aufgabe angeht, den Haushalt zu konso lidieren.