Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Thema Integra tion ist uns, der FDP/DVP-Fraktion, sehr, sehr wichtig. Das hängt zum einen mit dem Freiheitsbewusstsein zusammen, das wir haben. Das hängt zum anderen damit zusammen, dass man an der Zuwanderung auch ein wirtschaftliches Interesse haben muss. Wir haben unser großes Interesse an Integration gezeigt, als Professor Goll dafür zuständig war.
Sie von der Landesregierung haben jetzt das Recht, es so zu managen, wie Sie wollen. Sie haben auch das Recht auf ein eigenes Integrationsministerium.
Aber dann müssen Sie sich gefallen lassen, dass Sie mit Ih rem Ministerium am Erfolg gemessen werden. Dann müssen neue Dinge kommen und kann es nicht sein, dass man immer nur argumentiert: „Das habt ihr doch früher auch schon ge macht. So schlecht war es dann vielleicht gar nicht.“ Sie müs sen Neues bringen, wenn Sie eine neue Struktur, eine teure Struktur haben wollen.
Sehr geehrte Frau Kollegin Grünstein, dieses Bild, dass der Weg des Ministeriums der Fahrt mit einem umherirrenden Tuk Tuk entspricht, gefällt mir sehr. Das lasse ich einfach einmal im Raum stehen.
Beim Thema Integration verschenken Sie den gleichen Inhalt. Sie haben lediglich die Paketgröße verändert.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Alle maßgeblichen – ich betone: alle maßgeblichen – politischen und gesellschaft lichen Kräfte sind sich einig: Integration ist und bleibt eine wichtige Zukunftsaufgabe. Dazu gibt es keine Alternative.
(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie Abgeord neten der CDU und der FDP/DVP – Abg. Hans-Ul rich Sckerl GRÜNE: Beifall im ganzen Haus! – Ge genruf des Abg. Andreas Glück FDP/DVP: Dass ich das heute noch erleben darf!)
Denn ohne Integration gibt es kein gerechtes Baden-Württem berg. Ohne Integration gibt es kein solidarisches Baden-Würt temberg. Ohne Integration gibt es kein weltoffenes und kein ökonomisch starkes Baden-Württemberg.
(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie Abgeord neten der CDU und der FDP/DVP – Abg. Daniel An dreas Lede Abal GRÜNE: Ein solcher Beifall darf aber nicht einreißen!)
Deshalb müssen wir die Potenziale unserer Migranten nutzen, müssen wir den sozialen und gesellschaftlichen Zusammen halt stärken. Damit erhalten wir die Wettbewerbsfähigkeit un seres Landes und bringen es weiter voran.
Es geht um gleichberechtigte staatsbürgerliche, soziale und kulturelle Teilhabe. Es geht um Chancengerechtigkeit. Es geht um Fairness. Es geht um Akzeptanz und gegenseitigen Res pekt.
(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen – Abg. Andreas Glück FDP/DVP: Die Rede hätte von uns sein können!)
Aber es geht auch um die Identifikation der Migranten mit den Werten und Normen unserer Verfassung und Rechtsordnung.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)
Schließlich geht es um eine menschenwürdige Flüchtlings- und Asylpolitik. Mit Blick auf unseren Haushalt will ich da mit beginnen.
Ich will mit denjenigen beginnen, die einen besonders schwe ren Stand in unserem Land haben. Asylbewerber und Flücht linge verursachen in den Augen vieler vor allem Kosten. Selbstverständlich muss es das Ziel sein, Fluchtursachen zu bekämpfen, damit die Menschen in ihren Ländern bleiben können und nicht fliehen müssen.
Das Grundgesetz verpflichtet uns aber, politisch Verfolgten Asyl zu gewähren und sie menschenwürdig zu behandeln. Da zu sind wir – wie übrigens alle anderen Bundesländer auch – verpflichtet.
Nun fanden wir eine Lage vor, die vom Abschreckungsgedan ken geprägt war. Verbesserungen der Standards waren und sind unbedingt erforderlich. Mit vorläufigen Regelungen ha ben wir bereits in diesem Jahr die Aufenthaltsbedingungen und die Unterbringung verbessert. Das kostet natürlich Geld. Deshalb sind im Doppelhaushalt zusätzliche Mittel vorgese hen.
Die Diskussion fokussiert sich im Moment sehr auf die Wohn- und Schlaffläche der Flüchtlinge. Es wurde schon gesagt: Bis lang stehen jedem Asylsuchenden nur 4,5 m2 Lebensraum zu. Das ist bundesweit ein Negativrekord. Wir streben eine stu fenweise Anhebung an. Genaue Festlegungen dafür werden wir in einem novellierten Flüchtlingsaufnahmegesetz treffen. Das gilt auch für weitere Lockerungen, z. B. beim Sachleis
tungsprinzip. Die Verhandlungen mit der kommunalen Seite führen wir bereits. Im Frühjahr werden wir den Entwurf in den Landtag einbringen.
Die Diskussionen über bessere Standards finden zu einem Zeitpunkt statt, der vielen ungelegen kommt. Im Moment ha ben wir es mit stark steigenden Flüchtlingszahlen zu tun, ins besondere aus den Ländern des westlichen Balkans. Im Jahr 2011 hatten wir mit 5 262 Asylsuchenden noch ein recht nied riges Niveau. Im Dezember sind wir für das Jahr 2012 bereits bei etwa 7 500 Asylbewerbern.
Der hohe und schnelle Anstieg der Zahl stellt das Land, aber auch die Kreise und Gemeinden vor schwierige Herausforde rungen. Bisher haben wir es geschafft, jedem Flüchtling eine Unterkunft anzubieten. Wir haben das auch deshalb geschafft, weil die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kommunen, aber auch in der Landesaufnahmeeinrichtung in Karlsruhe zu sätzliche Belastungen auf sich genommen haben. Deshalb gilt ihnen mein persönlicher und herzlicher Dank.
Die gestiegene Zahl der Zugänge hat zwangsläufig Auswir kungen auf den entsprechenden Haushaltsansatz. Zudem müs sen wir das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Juli dieses Jahres zum Asylbewerberleistungsgesetz umsetzen. Das führt zu einer deutlichen Anhebung der Leistungen. Bei diesen Mehrkosten streben wir natürlich einen fairen Aus gleich zugunsten der Stadt- und Landkreise – möglichst noch im Vorfeld der Novellierung des Flüchtlingsaufnahmegeset zes – an.
Zwei Dinge dürfen wir nicht miteinander verwechseln: Ne ben den Asylbewerberzugängen haben wir auch hohe Migra tionsbewegungen innerhalb der EU. Wir alle kennen die Be richte über die Zuzüge aus Bulgarien und Rumänien. Da es sich hierbei aber um Bürger der EU handelt, werden diese, an ders als die Asylbewerber, nicht auf die Bundesländer und in nerhalb eines Landes verteilt. Deshalb konzentrieren sich die Zuzüge im Wesentlichen auf 15 bis 20 Großstädte, beispiels weise Mannheim.
Wir werden diese Stadt natürlich unterstützen, genauso wie wir Pforzheim unterstützen werden. Alle Gemeinden, die be sondere Belastungen haben und schultern müssen, werden wir besonders fördern.
Aber die Probleme sind vielschichtig. Wir können sie nicht nur auf Landesebene und nicht nur im Integrationsministeri um allein lösen. Die Probleme müssen vom Bund und vor al lem auf EU-Ebene angegangen werden. Es geht nämlich da rum, die Fluchtursachen zu bekämpfen, damit die Menschen keinen Grund zur Flucht haben.
Meine Damen und Herren, ich habe Problembereiche aufge zeigt. Die Probleme müssen wir sehen, damit wir sie lösen können. Sie dürfen uns aber nicht die Sicht auf die Potenzia le der Migranten verstellen, die wir bei einem Anteil der Mi granten an der Gesamtbevölkerung von 26 % noch besser er schließen müssen.
Dies gilt z. B. für die Anerkennung von im Ausland erworbe nen Abschlüssen. Interessierte fragen zu Recht, wo das Lan desanerkennungsgesetz bleibt. Mein Haus hat einen Entwurf dazu erarbeitet. Ich habe ihn dabei. Er wird gerade mit den anderen Ressorts abgestimmt. Diese Abstimmung ist aufwen dig, weil es nicht nur um das eigentliche Anerkennungsgesetz geht, sondern weil es in weiteren Artikeln auch um Änderun gen von Fachgesetzen geht, z. B. um Änderungen des Lan desbeamtengesetzes, des Ingenieurgesetzes, des Architekten gesetzes oder des Gesetzes über die freiwillige Gerichtsbar keit.
Außerdem ist derzeit noch die Kultusministerkonferenz mit der Frage befasst, in welchem Umfang und im Hinblick auf welche Berufe die Zentralstelle für ausländisches Bildungs wesen zentral – also bundesweit – für die Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen zuständig werden soll. Das wird natürlich auch Auswirkungen auf die Zuständigkeits regelungen nach dem Landesanerkennungsgesetz haben.
Andere Länder haben die Beratung bereits abgeschlossen. Es kann aber sein, dass diese dann Nachbesserungen in ihren Ge setzen vornehmen müssen. Dafür ist es uns gelungen, eine flä chendeckende Struktur für die Erstberatung auf die Beine zu stellen. Wir haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Migrationsberatungsstellen geschult, damit sie eine erste weg weisende Beratung durchführen können.
Neben den vom Bund geförderten Kompetenzzentren in Mannheim und Stuttgart haben wir zwei weitere, eines in Ulm und eines in Freiburg, eingerichtet. Das Kompetenzzentrum in Stuttgart wird personell verstärkt. Somit haben wir in allen vier Regierungspräsidien Kompetenzeinrichtungen, die die Arbeit der Migrationsberatungsdienste vor Ort unterstützen.
Meine Damen und Herren, das Land und die Kommunen ar beiten auch bei der Integrationsförderung von Zuwanderern eng zusammen. Herr Dr. Lasotta, Integration findet vor allem vor Ort statt. Wir wollen deshalb auch in den Haushaltsjahren 2013/2014 den Stadt- und Landkreisen 2 Millionen € für ei ne zielgerichtete kommunale Integrationsarbeit zur Verfügung stellen. Damit knüpfen wir an die Erhöhung des Fördervolu mens für das Jahr 2012 an.
Land und Kommunen finanzieren die Integrationsprojekte bis her je zur Hälfte. An diesem Modell wollen wir festhalten. Mit der Erhöhung des Fördervolumens im Jahr 2012 haben wir verbindliche Integrationsschwerpunkte vorgegeben. Damit bringen wir die integrationspolitischen Ziele des Landes in die Fläche.
Wir brauchen aber auch Strukturverbesserungen – auch das wurde angesprochen –, um Integrationsarbeit noch wirkungs voller und nachhaltiger gestalten zu können. Deshalb werden wir ein Förderprogramm zur Stärkung der kommunalen Struk turen im Integrationsbereich starten. Es geht um zentrale An sprechpartner auf Kreisebene, um die Erstellung und Fort schreibung von Integrationskonzepten und um die Vernetzung der Akteure vor Ort.
Meine Damen und Herren, 88 % der Baden-Württemberger sind der Ansicht, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. In Einwanderungsländern ist es normal, dass Menschen,
die einwandern, von Anfang an eine langfristige Perspektive bekommen – auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung.