Baden-Württembergs Hochschulen sind stark. Sie bieten ex zellente Forschung ebenso wie ein vielfältiges Lernangebot, das Studierende aus aller Welt anspricht. Wir wollen allen, die studieren wollen, ein Studium ermöglichen, denn junge wis sensdurstige Menschen sind unser wichtigstes Kapital, und deshalb sind abschreckende finanzielle Hürden wie Studien gebühren das falsche Signal, Herr Kollege Hauk. Wir werden die Studiengebühren deshalb abschaffen und den Hochschu len den Mittelausfall kompensieren. Das ist zugegebenerma ßen eine finanzpolitische Anstrengung, aber es ist eine Inves tition, die sich lohnt.
Wir werden dafür sorgen, dass trotz doppelten Abiturjahrgangs und der Abschaffung des Zivildienstes ausreichend Studien plätze für diejenigen zur Verfügung stehen, die studieren wol len. Wir werden die Defizite in der studentischen Mitbestim mung angehen und eine neue Beteiligungskultur etablieren, die Studierende und Mittelbau stärker an der Hochschulpla nung teilhaben lässt.
Meine Damen und Herren, Zeiten des Wandels sind Zeiten, in denen wir uns fragen, wie wir zukünftig leben wollen. Die se Frage ist immer auch eine Frage der Kultur. Kunst und Kul tur konfrontieren uns mit existenziellen Fragen, und sie ge ben Orientierung. Baden-Württemberg verfügt über eine bun te, breite, vielfältige und renommierte Kulturlandschaft. Die se wollen wir erhalten, stärken und befördern. Grundlage ist dabei die Kunstkonzeption „Kultur 2020“, die wir im Dialog mit den Kulturschaffenden umsetzen wollen.
Kulturförderung ist für die grün-rote Regierungskoalition ei ne wichtige Aufgabe. Deshalb wollen wir mit einem Zukunfts pakt für die kulturellen Einrichtungen Planungssicherheit schaffen. Wir setzen uns für nachhaltige Kulturpolitik ein, die die kulturelle Vielfalt widerspiegelt und Wert auf eine aktive Teilhabe der Bevölkerung legt.
Dabei haben wir in unserem Koalitionsvertrag den interkul turellen Austausch und die interkulturelle Kulturarbeit zum Förderschwerpunkt erklärt. Dieser Austausch bereichert. Er schafft Verständnis, wo Vorurteile herrschten, und ist die Grundlage für ein respektvolles Miteinander und damit für In tegration. Auch das ist nachhaltige Politik in Zeiten des Wan dels.
Für nachhaltige Politik sind Frauen unverzichtbar. Wir kön nen uns freuen, denn Frauen holen auf. Ein Drittel der im letz ten Jahr in Baden-Württemberg habilitierten Wissenschaftle rinnen und Wissenschaftler sind Frauen.
Die neue grün-rote Landesregierung ist da noch etwas weiter. Fast die Hälfte – sieben von 15 Regierungsmitgliedern – ist weiblich, und das ist gut so.
Wir werden dafür sorgen, dass kompetente Frauen auch in der Landesverwaltung, in landeseigenen Unternehmen, in Auf sichtsräten, Beiräten und Gremien stärker als bislang vertre ten sind.
Dass im jetzigen Landtag nur noch 18 % der Abgeordneten weiblich sind – in der letzten Legislaturperiode waren es im merhin 24 % –, ist wenig erfreulich. Frauen sind damit deut lich unterrepräsentiert. Deshalb werden wir mit einer Ände rung des Landtagswahlrechts dafür sorgen, dass sich in Zu kunft auch die Wählerinnen angemessen im Landtag vertre ten fühlen können.
Meine Damen und Herren, die Wirtschaft in Baden-Württem berg ist gut gelaunt. Es geht voran. Die Unternehmen verdie nen gutes Geld. Die Arbeitslosigkeit – Kollege Hauk hat es gesagt – ist zurückgegangen. Aber trotz der Konjunkturson ne gibt es Menschen, die im Schatten des Wohlstands leben und die den Glauben an die eigene Zukunft verloren haben. Ich spreche von denjenigen, die lange oder gar auf Dauer vom Erwerbsleben ausgeschlossen sind. Im reichen Baden-Würt temberg gab es im vergangenen April immerhin 70 000 Men schen, die länger als ein Jahr arbeitslos waren. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen steigt; dabei liegt der Frauenanteil bei über 50 %, obwohl der Frauenanteil bei den sozialversiche rungspflichtig Beschäftigten unter 40 % liegt.
All das muss uns nachdenklich stimmen, werte Kolleginnen und Kollegen. Die Landespolitik hat also allen Grund, sich wieder aktiv in die Arbeitsmarktpolitik einzumischen. Es kann nicht sein, dass Langzeitarbeitslosigkeit allein ein Thema von gemeinnützigen Organisationen oder Beschäftigungsgesell schaften bleibt. Auch wir sind hier in der Pflicht, Brücken und Wege in den Arbeitsmarkt zu bauen, meine Damen und Her ren.
Ich freue mich, dass der Ministerpräsident gestern von der So lidarität mit den Schwächeren gesprochen hat. Dies war ein gutes und wichtiges Signal, und es wird auch zukünftig unse re Arbeit in der Koalition prägen.
Wir wollen ein Landesarbeitsmarktprogramm auflegen, um die Integration in den ersten Arbeitsmarkt zu unterstützen. Wir wollen zur Finanzierung zielgruppenspezifischer Programme beitragen und unabhängige Beratungsstellen für Arbeitslose unterstützen. Hierbei haben wir Frauen und Alleinerziehende besonders im Blick.
Unser Ziel ist klar: Wir werden alles tun, um die Zahl der Menschen, die über lange Zeit vom Arbeitsmarkt ausgeschlos sen sind, deutlich zu senken.
Meine Damen und Herren, die Politik des Dialogs wird auf kommunaler Ebene häufig praktiziert. Wir wollen diese Poli tik des Dialogs auch in das Landesparlament, in die Landes verwaltung tragen, und wir wollen die Rolle der Bürgerschaft stärken.
Ein wichtiger Punkt ist der Zugang zu Informationen. Mit ei nem Informationsfreiheitsgesetz werden wir dem Beispiel an derer Bundesländer folgen. Sie von CDU und FDP/DVP ha ben leider jahrelang das Anliegen blockiert, allen Bürgern ga rantierten Zugang zu amtlichen Informationen zu gewähren. Wir werden das umsetzen.
Wir wollen das Petitionswesen um die Möglichkeit der On linepetition erweitern, und wir werden uns Impulse und Mög lichkeiten überlegen, wie wir das Berichterstatterwesen in den Ausschüssen neu beleben können. Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, dass sich die Bürgerinnen und Bürger von uns, vom Landtag, von den gewählten Repräsentantinnen und Re präsentanten, gut vertreten fühlen. Denn eine starke Bürger gesellschaft braucht auch ein starkes Parlament.
Deshalb wollen wir ein Selbstbefassungsrecht der Ausschüs se etablieren. Wir wollen die Möglichkeit schaffen, dass in den Ausschüssen nicht nur über Menschen, sondern auch mit den jeweils betroffenen Menschen gesprochen wird. Das war bislang leider nicht der Fall, und das ist ein wichtiger Schritt für unsere parlamentarische Stärkung.
Wir wollen aber auch Bürgerbeteiligung erleichtern. Herr Kol lege Hauk, Sie haben das Thema angesprochen. Wir haben schon vor Jahren Anträge eingebracht, um die direkte Demo kratie auch in Baden-Württemberg zu stärken und mehr Mög lichkeiten zu schaffen. Wir finden, dass es unabhängig von den jeweiligen Themen allerhöchste Zeit wird, dass Volksab stimmungen auch in Baden-Württemberg möglich werden
und dass damit auch die direkte Einflussnahme der Bürgerin nen und Bürger bei einzelnen entscheidenden Themen mög lich wird.
Ihr Generalsekretär und designierter Landesvorsitzender Strobl hat kürzlich auch einige Punkte in die offene Debatte einge bracht, wie sich die CDU weiterentwickeln soll. Ein Punkt war: Er hat gefordert, die CDU müsse bei gesellschaftlichen Änderungen mitgehen. Ich finde, mehr Demokratie zu ermög lichen wäre ein Punkt, bei dem Sie genau das unter Beweis stellen könnten.
Klar ist für uns: Einmischung ist ausdrücklich erwünscht. Ver besserungsvorschläge begrüßen wir. Deshalb freuen wir uns, dass es eine Staatsrätin für Zivilcourage und Bürgerbeteili gung gibt.
Wir werden sie bei ihrer Aufgabe unterstützen, diese neue Be teiligungskultur auf den Weg zu bringen. Ich lade Sie alle ein, meine Damen und Herren, dies auch zu tun.
Die Landesverwaltung ist ein Dienstleistungsunternehmen, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind unser wichtigs tes Kapital. Wir wollen allen Beschäftigten des Landes, Be amten wie Angestellten, ein verlässlicher Partner sein. Wir ha ben daher im Koalitionsvertrag vereinbart, eine Personalpla nung 2020 zu entwickeln, die nicht nur die finanzielle Projek tion für den Haushalt bildet, sondern auch eine klare Orien tierung über berufliche Chancen und Möglichkeiten eröffnet. Das werden wir zusammen mit den Vertreterinnen und Ver tretern der Beschäftigten entwickeln. Ich möchte, dass wir auf unsere Landesverwaltung zählen können, dass aber auch die Landesverwaltung auf uns zählen kann.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal auf das Thema Fi nanzen zurückkommen. Finanzpolitik bzw. die Verabschie dung des Haushalts ist das Königsrecht des Parlaments. Wir haben deshalb das Recht, aber auch die Pflicht, die Finanzen des Landes so in Ordnung zu halten, dass wir sie guten Ge wissens zukünftigen Generationen übergeben können. Wir tre ten seit Langem für eine nachhaltige Finanzpolitik ein.
Aber das Problem, das wir heute haben, ist, dass Ihre finanz politische Bilanz, Herr Kollege Hauk, die finanzpolitische Bi lanz von CDU und FDP/DVP,
Wir haben ein strukturelles Defizit im Haushalt. Das heißt, tendenziell geben wir jedes Jahr mehr aus, als wir einnehmen: zwischen 1,3 und 1,5 Milliarden €.
Es kommt natürlich auch darauf an, ob wir gerade in einer Phase der Krise oder in einer Phase des konjunkturellen Hochs sind.