Wir treten nun in die Mittagspause ein. Mit Blick auf die Zeit, die wir verbraucht haben, schlage ich vor, eine kurze Mittags pause einzulegen. Ist es in Ordnung, wenn wir die Sitzung um 14:30 Uhr fortsetzen? –
(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Ja, ja! Das reicht für eine Wurst! – Abg. Georg Wacker CDU: Alla gut!)
Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Einführung einer Landesverfassungsbe schwerde – Drucksache 15/2153
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Allge meine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Frakti on festgelegt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Nach monatelangen Beratungen sind wir heute in der zweiten Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung zur Einfüh rung einer Landesverfassungsbeschwerde. Um es vorwegzu nehmen: Die CDU-Fraktion wird dem Gesetzentwurf mit gro ßer Mehrheit zustimmen.
Natürlich kann man hinterfragen, ob man 60 Jahre nach Grün dung des Landes Baden-Württemberg eine Landesverfas sungsbeschwerde braucht. Man hat sie bisher eigentlich nicht vermisst. Aber eines ist auch klar: Wir haben nach der Föde ralismusreform vor einigen Jahren jetzt auch grundrechtssen sible Bereiche. Dann ist es sicherlich gut, wenn wir auch un seren Bürgern dieses Instrument an die Hand geben. Wir se hen uns auch darin bestärkt, diesen Weg zu gehen, weil zehn von 16 Bundesländern über ein solches Instrument verfügen. Auch die anderen Bundesländer wollen es nach dem, was ich gehört habe, einführen. So gesehen ist das eine sinnvolle Er gänzung unseres Rechtssystems.
Meine Damen und Herren, ich darf den Minister nochmals bitten, die Kosten zu überprüfen. Wir wissen: Wenn man so etwas macht, braucht man auch Personal. Ich darf nochmals darum bitten, zu checken, ob der genannte Betrag auch aus reichen wird.
Unsere Fraktion wird die Sache sehr wohlwollend begleiten. Wir werden auch sehr gespannt verfolgen, wie sich das ent wickelt, wie viele Verfassungsbeschwerden eingereicht wer den.
Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen, sehr verehrte Damen und Herren! Wir sind nun am Ende des Verfahrens auf dem Weg zur Verab schiedung des Gesetzentwurfs der Landesregierung zur Ein führung einer Landesverfassungsbeschwerde angelangt. Das Gesetz sorgt dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger von Ba den-Württemberg auch in diesem Bereich nunmehr einen um fassenden, effektiven Grundrechtsschutz gewährleistet be kommen.
Das Gesetz wurde bei der Beratung im Ständigen Ausschuss – darauf hat auch Kollege Hitzler schon hingewiesen – mit großer Mehrheit dem Plenum zur Annahme empfohlen. In haltlich kann ich an meine Ausführungen bei der Ersten Be ratung anknüpfen. Bereits zehn der 16 Bundesländer – auch dies wurde schon erwähnt – haben die Möglichkeit einer Lan desverfassungsbeschwerde rechtlich verankert und somit ei nen Rechtsweg gegen Verletzungen der in der Landesverfas sung gesicherten Grundrechte und persönlichen Rechte ge schaffen. Baden-Württemberg holt in diesem Bereich auch auf, und es ist gut, dass dies nun so geschieht.
Spätestens seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 ist die Einführung dieses Rechtsmittels zur Wahrung des Rechtsstaat lichkeitsprinzips aus meiner Sicht unerlässlich. Die Länder kompetenzen wurden hier stark ausgeweitet. Hiermit geht je doch auch die Gefahr einher, dass Bürgerinnen und Bürger in ihren durch die Landesverfassung gewährten Grundrechten unmittelbar verletzt werden können.
Die Einführung der Landesverfassungsbeschwerde ist deshalb ein wichtiger und konsequenter Schritt der grün-roten Lan desregierung für mehr Bürgerrechte als elementarem Bestand teil einer Bürgergesellschaft. Die Landesgrundrechte werden gestärkt und treten aus dem Schatten des Grundrechtskatalogs des Grundgesetzes heraus und entfalten so auch eine identi tätsstiftende Wirkung für alle Bürgerinnen und Bürger des Landes Baden-Württemberg.
Die Ausgestaltung im Gesetzentwurf schließt Popular- und damit Verbandsklagen aus. Das ist auch konsequent, weil sich das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf individuelle Rechts schutzgüter beschränkt.
Der Entwurf sieht grundsätzlich eine vorherige Ausschöpfung des Rechtswegs vor; auch das wird letztendlich der Situation entgegenwirken, dass sehr viele Beschwerden eingehen. Auch die Subsidiaritätsregelung gegenüber einer bereits beim Bun desverfassungsgericht eingereichten Verfassungsbeschwerde wird das Ihre dabei tun. Deswegen glaube ich nicht, dass ei ne große Flut von unbegründeten und unzulässigen Beschwer den eingehen wird. Im Übrigen wird auch die Gebührenvor schussregelung in diese Richtung wirken.
Die Anzahl der Klagen wird auf 150 Fälle pro Jahr prognos tiziert. Das halte ich für eine ganz realistische Größenordnung. Auch die Personal- und Sachkosten dürften nicht wesentlich über oder unter dem hierfür angesetzten Betrag von 300 000 € liegen. Ich denke, auch diese Messgröße ist richtig gewählt.
Trotz aller Haushaltszwänge ist dieses Geld für mehr Bürger rechte gut investiertes Geld. Ein moderner Rechtsstaat hat sei nen Preis. Hierauf wollen und werden wir nicht verzichten.
Der Gesetzentwurf der Landesregierung lässt Baden-Würt temberg auch an einer europäischen und internationalen Ent wicklung für den Ausbau des Grundrechtsschutzes teilneh men. Hierzu gehören auch die Möglichkeit der Gewährung der Prozesskostenhilfe und die sogenannte Verzögerungsbe schwerde. Letztere bedeutet, dass bei langen Verfahren auch eine Entschädigung gewährt werden kann.
Lassen Sie uns durch eine breite Zustimmung zu diesem Ge setzentwurf ein Zeichen für dieses wichtige Anliegen setzen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Ich darf heute in der Zweiten Beratung des Gesetzes zur Einführung einer Landesverfas sungsbeschwerde voranschicken, dass die SPD-Landtagsfrak tion stolz ist, dass vom Justizministerium dieser Gesetzent wurf eingebracht wurde, der in diesem Haus heute auch mit großer Mehrheit beschlossen werden wird.
Baden-Württemberg war bis zum heutigen Tag, was das The ma Landesverfassungsbeschwerde angeht, ein weißer Fleck auf der Landkarte. Wie der Kollege Hitzler bereits erwähnt hat, hat eine große Zahl von Bundesländern dieses Instrument der Landesverfassungsbeschwerde bereits eingeführt.
Ich glaube, dass die Einführung der Landesverfassungsbe schwerde vor allem aus einem Grund sehr wichtig ist: Wir ha ben in Baden-Württemberg einen Staatsgerichtshof, zu dem der einfache Bürger bislang keinen Zugang hat, da dieser nur dazu da ist, über landesverfassungsrechtliche Streitigkeiten zwischen Staatsorganen zu entscheiden.
Ich halte es für sehr wichtig, gerade auch um die Landesver fassung stärker in den Blickpunkt der Menschen zu rücken – ich glaube, das steht uns im 60. Jahr des Landes Baden-Würt temberg gut zu Gesicht –, dass wir es schaffen können, durch Entscheidungen des Staatsgerichtshofs stärker deutlich zu ma chen, dass Baden-Württemberg auch hinsichtlich des Verfas sungsrechts eine eigene Identität hat, auf die das Land stolz sein kann.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, deswegen halte ich es für wichtig, dass der Staatsgerichtshof in Baden-Württem berg künftig auch Entscheidungen zu grundrechtlichen Fra gen in Baden-Württemberg trifft, die für die Menschen in un serem Land von elementarer Bedeutung sein können.
Wir haben bereits in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs darüber gesprochen, in welchen Fällen der Staatsgerichtshof über die ihm vorgetragenen Fälle entscheiden wird. Es wird Fälle geben, bei denen der Weg zum Bundesverfassungsge richt bislang insoweit ausgeschlossen war, als es um landes verfassungsrechtliche Grundrechte ging, die nicht gleichzei tig Rechte gemäß dem Grundgesetz sind.
Im Übrigen verweist unsere Landesverfassung bezüglich des Grundrechtskatalogs ergänzend auf die Normen, die im Grundgesetz stehen. Deswegen halte ich es auch aus rechtli
cher Sicht für sehr spannend, wenn der Staatsgerichtshof in Baden-Württemberg auch zu Fragen, die die Grundrechte der Menschen in diesem Land betreffen, seine Meinung kundtun und Urteile fällen kann. Ich glaube, es ist für die staatliche Identität in Baden-Württemberg wichtig, dass der Staatsge richtshof diese Rolle zukünftig einnehmen kann.
Was die Frage der Kosten, was die Frage der Prognose, wie viele Fälle vor den Staatsgerichtshof getragen werden, aber auch was die Frage eines möglichen Missbrauchs dieses Instruments angeht, muss ich sagen, dass sich daraus kein Ar gument ergibt, um eine Landesverfassungsbeschwerde nicht einzuführen. Vielmehr ist das ein Grund für uns, sehr genau danach zu schauen, wie das Instrument der Landesverfas sungsbeschwerde in Zukunft genutzt wird. Falls eine Nach besserung notwendig ist, beispielsweise wenn sich zeigt, dass man die Hürden höher setzen und hierzu etwa mit einer Miss brauchsgebühr arbeiten muss, dann wird dieses Haus sicher lich darüber entscheiden können.
Ich halte die Entscheidung zur Einführung einer Landesver fassungsbeschwerde in Baden-Württemberg für eine sehr gu te Entscheidung, die uns im 60. Jahr des Landes Baden-Würt temberg sehr gut zu Gesicht steht.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Ich möchte ein Bekenntnis an den An fang meiner Rede stellen: Die FDP/DVP-Fraktion bekennt sich zu einem Rechtsstaat auf hohem Niveau. Diese Haltung haben Liberale bereits bei vielen Gelegenheiten unter Beweis gestellt. Wir sind für einen Rechtsstaat auf hohem Niveau.
Wir sind uns auch darüber im Klaren, dass der alte Spruch nach wie vor gilt, dass es nicht reicht, recht zu haben, sondern man muss auch recht bekommen. Recht haben und recht be kommen ist bekanntlich nicht das Gleiche. Wenn ich ein Recht habe, es aber nicht durchsetzen kann, nutzt mir das Recht nichts.
In diesem Fall geht es um Rechte gegenüber dem Staat. Wir haben es mit Verfassungen zu tun. Es geht um die Möglich keit, sich gegen staatliches Handeln zu wehren. Natürlich muss die Gelegenheit gegeben sein, sich gegen staatliches Handeln zu wehren. Zudem muss die Möglichkeit gegeben sein, staatliches Handeln zu überprüfen.
Meine Damen und Herren, wir sind nach einer gründlichen Abwägung und Diskussion in der Fraktion zu dem Schluss gekommen – daran hat sich seit der ersten Lesung nichts ge ändert –, dass die derzeitigen Möglichkeiten in Baden-Würt temberg, staatliches Handeln zu überprüfen und sich gegen staatliches Handeln zu wehren, ausreichend sind. Wir sind der Meinung, dass wir in Baden-Württemberg einen Rechtsstaat haben, der in einem sehr hohen Maß und damit auch genü gend ausgebaut ist.
In den vergangenen Jahren ist eine Möglichkeit hinzugekom men, sich zu wehren. Diese Möglichkeit gibt es zwar schon