Es geht darum, auch in Zukunft Strukturpolitik zu machen so wie die Synergieeffekte, die Stadt, Ballungsräume und Land bieten, zu nutzen. Nur dann werden wir eine Chance haben.
Früher sind wir mit der Gießkanne über das Land gezogen und haben mit viel Geld hier ein Projekt und dort ein Projekt un terstützt, ohne aber dadurch eine Strukturwirkung oder eine Lenkungswirkung zu erzielen. Das werden wir uns in Zukunft sicher nicht mehr leisten können.
Ich möchte die wichtigen Punkte stichwortartig anführen. Zu nächst zur Energiewende: Meine Damen und Herren, wo fin det die Energiewende statt? Die Energiewende findet doch nicht im Zentrum von Stuttgart statt.
Vielmehr findet die Energiewende in den ländlichen Räumen statt. Wir brauchen die ländlichen Räume für die Energiewen de. Wir werden Windkraftanlagen an exponierten Stellen im ländlichen Raum errichten, ohne dass die Menschen dort im Übermaß tangiert werden.
Deshalb soll die Wertschöpfung auch im ländlichen Raum lan den. Handwerk und Mittelstand werden die Gewinner unse rer Aktivitäten sein, wenn wir die Windkraft ausbauen.
Sie haben es geschafft, innerhalb von Jahrzehnten einen An teil der Windkraft von 0,8 % zu erreichen. Diesen Anteil wer den wir auf 10 % erhöhen. Das wird einen äußerst intensiven Wohlstandsschub auch im ländlichen Raum zur Folge haben.
Dort werden wir – ich glaube, dabei sind wir uns schon ein Stück näher gekommen – in ökologisch verträglicher Weise Biomasse und Bioenergie ausbauen. Wir werden auf all die Dinge verzichten, die ökologisch sinnlos sind, also z. B. auf Biosprit. Wir werden hingegen auf die effizienten Maßnah men umschwenken, die für unsere Landwirte als Standbein wichtig sind, die aber auch mit einem ökologisch vertretba ren Fußabdruck verbunden sind.
Noch ein Stichwort: Wir müssen die Frauen im ländlichen Raum halten. Wir haben uns bereits darüber unterhalten. Aus dem ländlichen Raum ziehen überproportional mehr Frauen als Männer weg. Wenn Frauen wegziehen, dann ziehen auch die Männer weg, dann ziehen die Familien weg, dann findet überhaupt keine Familienbildung mehr statt. Die Frauen blei ben aber im ländlichen Raum, wenn es Bildungsmöglichkei ten für Kinder gibt, wenn es Schulen und Ähnliches gibt.
(Der Redner hält eine Zeitungsseite hoch. – Zuruf von der CDU: Die Todesanzeigen! – Heiterkeit – Der Redner dreht die Zeitungsseite um.)
Die „Stuttgarter Zeitung“ hat eine wunderbare Zusammen stellung hinsichtlich der ärztlichen Versorgung gemacht – aber nicht über Todesanzeigen –, aus der hervorgeht, wie die Haus ärzte in Deutschland verteilt sind: Die meisten Hausärzte gibt es am Starnberger See. Je reicher die ländlichen Regionen sind, desto mehr Hausärzte finden Sie dort. Das ist eine her vorragende Ausgangschance für Bayern. In dieser Hinsicht müssen wir noch einiges nachholen.
Ich sage Ihnen: Die weichen Faktoren, die Standortfaktoren im ländlichen Raum, die die Familien anziehen, sind die Punk te, die wir angehen müssen. Dann werden wir auch die länd lichen Räume in Zukunft attraktiv halten und werden Stadt und Land verzahnen.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Unser Land wird nicht nur durch große Städte geprägt, sondern auch durch un
sere vielen mittelgroßen und kleineren Gemeinden. Diese Vielfalt muss durch Infrastruktur am Leben gehalten werden. Dies ist Aufgabe der Landespolitik, dies ist Ziel unserer Re gierung.
Insoweit betrifft die demografische Entwicklung auch den ländlichen Raum, und insoweit ist Ihre Große Anfrage auch berechtigt. Aber die Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft sind ganz andere, als sie durch die Fragen in Ihrer Anfrage vorgegeben werden.
Der Breitbandausbau und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind neben den bildungspolitischen Weichenstellungen die Schlüsselthemen für die Zukunft des ländlichen Raums in Baden-Württemberg. Unser ländlicher Raum ist, anders, als dies z. B. in weiten Teilen Ostdeutschlands der Fall ist, kein öder, wirtschaftlich unterentwickelter Raum, sondern ist ge prägt von einem starken Mittelstand auch in der Fläche.
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Durch die CDU-Re gierung! – Gegenruf des Abg. Walter Heiler SPD: Ach, Zimmermann!)
Nur dort, wohin neben klassischer Infrastruktur auch die Da tenautobahn abzweigt, wird es künftig auch dauerhaft Wirt schaftswachstum und gute Arbeitsplätze geben.
Nur dort, wo die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gelingt, werden sich junge Familien und Fachkräfte niederlassen.
Als vorteilhaft für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gelten familienfreundliche Arbeitszeiten, ein bedarfsgerech tes Betreuungsangebot für Kinder aller Altersgruppen,
Ganztagsschulen, Regelungen zur Elternzeit mit Rückkehrga rantien und mit einem Anspruch für Väter sowie die individu elle Besteuerung der Erwerbseinkünfte der Eltern.
In der heute schon vielfach zitierten IREUS-Studie – IREUS ist das Institut für Raumordnung und Entwicklungsplanung der Universität Stuttgart – wird treffend festgehalten: Fach kräftemangel ist ein Wachstumshemmnis, wenn nicht sogar das größte Hemmnis überhaupt.
Gute Wirtschaft braucht gute Bildung. Genau dies hat sich die neue Landesregierung vorgenommen, und genau dies setzt sie auch tatkräftig um.
Diese Punkte, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Libe ralen, vergessen oder vernachlässigen Sie in Ihrer Anfrage.
Die bildungspolitischen Herausforderungen streifen Sie nur. Der Breitbandausbau und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf spielen bei Ihnen keine große Rolle. Sie sind nicht – so möchte ich festhalten – auf der Höhe der Zeit. Eine zeitgemä ße Anfrage – –
Herr Kollege, ich habe viel Verständnis dafür, dass Sie Ihre Rede vortragen. Aber wenn Sie mir vorhin zugehört hätten, dann hätten Sie festgestellt, dass alles abgedeckt gewesen ist.