Protocol of the Session on October 11, 2012

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal gilt auch mein Dank der SPD-Fraktion für diese Große Anfrage. Ich finde sie sehr spannend. Das gilt auch für die Art und Weise, wie Sie das abgefragt haben. Sie haben die Anfrage ganz logisch auf gebaut und nach oberflächennaher Geothermie und Tiefen geothermie gegliedert. Das fand ich sehr, sehr gut.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Was ist los mit Ihnen? – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Aber – und jetzt ist es leider mit dem Lob auch schon zu En de – mit der Beantwortung bin ich in dem einen oder anderen Punkt einfach nicht zufrieden. Herr Gruber – wo ist er? –, Sie haben vorhin gesagt, Sie wollten ganz klar die Risiken auf den Tisch gelegt bekommen. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: In den Antworten kommen mir die Bearbeitung der Risiken und auch die Abwägung der Risiken zu kurz. So werden z. B. die Risi ken der Tiefengeothermie eigentlich überhaupt nicht aufge führt.

Deshalb ist die Anfrage gut; allerdings bin ich mit der Beant wortung nicht ganz einverstanden.

Staufen, Leonberg: Es hat sich gezeigt, es bestand Handlungs bedarf. Daher ist es auch zu begrüßen, dass der Minister die Leitlinien Qualitätssicherung Erdwärmesonden herausgege ben hat. Gerade diese verschuldensunabhängige Versicherung sichert auch die Regulierung eines Schadensfalls. Insgesamt war die Resonanz auf diese Qualitätsoffensive ganz gut.

Aber trotzdem: Wir müssen natürlich zur Kenntnis nehmen, dass es seit dem Jahr 2011 deutlich weniger Erdwärmesonden gibt. Offensichtlich besteht bei den Menschen Verunsiche rung. Auch die Regeln Ihrer Qualitätsoffensive sind vielleicht nicht bekannt genug. Die Menschen klagen über mangelnde Transparenz.

So kommt es eben auch zu solchen Fällen: In Korntal-Mün chingen ist ein Geopark geplant. Laut dem Landratsamt gibt es dort keinen problematischen Untergrund, also weder An hydrit wie in Staufen noch eine zweite Grundwasserschicht wie in Leonberg. Daher wäre dies in Zeiten der Energiewen de eigentlich zu begrüßen. Trotzdem konnte man in der „Lud wigsburger Kreiszeitung“ vom 21. September lesen:

Tiefe Risse im Vertrauen zur Stadt... Die Anwohner wol len noch vor Baubeginn über die Gefahren der Erdwär mebohrungen... informiert werden, fühlen sich dabei aber von den Behörden ignoriert.

So steht es darin.

Die Menschen haben ganz klar ein Recht, darüber informiert zu werden. Man kann vielleicht von einem Informationsdefi zit zwischen einer Kommune und ihren Bürgerinnen und Bür gern sprechen, aber ich sage: Herr Minister, Ihre Qualitätsof fensive im Bereich Geothermie ist gut. Aber ich möchte doch betonen: Eine Qualitätsoffensive muss mit einer Informations offensive einhergehen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Nun zur Tiefengeothermie. Bei der Antwort auf die Große An frage ist interessant, dass der Beschreibung der Oberflächen

geothermie sechs Seiten eingeräumt werden; zur Tiefengeo thermie finden wir nur zwei Seiten. Der positive Grundtenor, den man in Bezug auf die Oberflächengeothermie gefunden hat, lässt sich bei den Ausführungen zur Tiefengeothermie nicht mehr finden. Die Umsetzung von Vorhaben zur Nutzung der Tiefengeothermie werde, so steht es darin, nur sehr ver halten anwachsen. Man teile die Einschätzung des ZSW, bis 2020 hätte man gerade einmal 30 MW installierte elektrische Leistung.

Es gibt darin auch nur einen kurzen Hinweis, dass das Lan desforschungszentrum Geothermie im Bereich der Tiefengeo thermie engagiert sei. Vom Landesamt für Geologie, Rohstof fe und Bergbau werden nur technische Fakten zitiert; aber es wird nicht mitgeteilt, dass da z. B. auch Forschung stattfindet. Es ist nichts darüber zu hören, dass das Landesamt für Geo logie, Rohstoffe und Bergbau die Erdbebenforschung durch führen möchte. Aber das ist extrem wichtig, wenn man be denkt, dass die Tiefengeothermie da besonders interessant ist, wo es geologische Verwerfungszonen gibt.

Mich wundert ein Hinweis auf das ZSW. Warum beziehen Sie sich in diesem Fall nicht auf das Landesforschungszentrum Geothermie? Dieses hat nämlich auf Rückfrage vorgerechnet, dass sich bei zehn genehmigten Bohrungen pro Jahr bei 80-prozentiger Fündigkeit innerhalb von zehn Jahren eine elektrische Leistung von 500 MW erreichen lasse. Das wäre realistisch.

Herr Murschel, ich darf Ihnen da komplett recht geben. Die Technik wäre so weit. Man muss lediglich an der gesellschaft lichen Akzeptanz arbeiten. Ich fordere die Politik auf, dem entsprechend Aufklärungsarbeit zu leisten, weil das hier gro ße Chancen birgt.

Es entsteht der Eindruck, die Landesregierung traue sich nicht ganz an das Thema Tiefengeothermie heran. Für den Fall, dass jetzt noch von Ihnen der Hinweis kommen sollte – ich bin gleich fertig –, alles das wäre auch irgendwo Bundespolitik, lassen Sie sich sagen: Die Vergütungssätze für die Stromge winnung aus Tiefengeothermie sind deutlich angehoben wor den. Das ist das eine. Das andere, was wir uns in Baden-Würt temberg gefallen lassen müssen, ist: Tiefengeothermie ist ge rade in unserem Bundesland sehr interessant. Sie spielt in an deren Bundesländern fast keine Rolle. Wie gesagt: Aufgrund unserer geologischen Strukturen ist Stromgewinnung aus Tie fengeothermie bei uns ganz besonders interessant.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Ja, gerade bei uns!)

Deswegen: Wenn wir nicht daran forschen, tut es niemand.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister für Umwelt, Klima und Energie wirtschaft Untersteller das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Kolle ginnen und Kollegen! Lieber Kollege Nemeth, zunächst ein mal zu dem Punkt Energieagenturen. Ich bitte Sie, bei der

Wahrheit und bei den Fakten zu bleiben. Was sind die Wahr heit und die Fakten? Unter meiner Vorgängerin im Amt wur de entschieden, dass der Aufbau der Energieagenturen in Ba den-Württemberg über drei Jahre mit einem Betrag von 100 000 € gefördert wird. Pro Jahr kommen wir beim Aufbau der Energieagenturen auf etwa 30 000 €.

(Abg. Paul Nemeth CDU meldet sich.)

Ich lasse nachher Fragen zu. Jetzt rede ich aber erst einmal.

(Abg. Paul Nemeth CDU: Bei der Podiumsdiskussi on heute Abend!)

Unter meiner Vorgängerin war immer klar, dass es eine An fangsfinanzierung gibt, weil man der Auffassung war, dass die regionalen Energieagenturen nach der Anfangsphase wirt schaftlich selbstständig zurechtkommen können. Diese Auf fassung habe ich immer geteilt, auch zu meinen Oppositions zeiten – um das einmal deutlich zu sagen.

(Zuruf von der CDU: Das stimmt nicht!)

Das stimmt, auch wenn es in Ihrer Heimatzeitung anders steht. Den Artikel habe ich auch gelesen. Sie werden keinen Antrag von mir aus Oppositionszeiten finden, der eine Dau erfinanzierung der Energieagenturen fordert. Ich habe es im mer für richtig gehalten, in diesem Zusammenhang die regi onale Wertschöpfung zu betonen und dass die Regionen dann selbst mit in die Finanzierung einsteigen, seien es die Land kreise, die Gemeinden, die Kreissparkassen, die Volksbanken, die Handwerkerinnungen etc.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Mit wenigen Ausnahmen funktioniert das im Großen und Gan zen. Eigentlich haben wir heute in Baden-Württemberg eine gute Struktur. Diese Auffassung habe ich bereits in unserer Oppositionszeit vertreten, und an dieser Auffassung halte ich auch in unserer Regierungszeit weiter fest. Ich werde nicht in eine Dauerfinanzierung, in eine Grundfinanzierung der Ener gieagenturen einsteigen.

Was wir aber machen – das hat bereits Tanja Gönner getan, und ich setze das fort und verstärke das –, ist, dass wir die Energieagenturen zunehmend über Projekte unterstützen. Die sen Ansatz haben wir bereits in den vergangenen Jahren ver folgt, und wir werden das auch weiter tun.

Warten Sie einmal ab, bis die EFRE-Förderung steht. Dann werden Sie feststellen, dass auch in diesem Zusammenhang an manches gedacht worden ist. Aber einfach zu behaupten, ich würde die Energieagenturen kaputt machen, weil ich die Finanzierung kappe, das hat doch nichts mit den Realitäten zu tun. Das ist einfach daneben.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Jetzt zum Thema. Zunächst einmal bin ich dankbar dafür, dass Einigkeit hinsichtlich der Grundeinschätzung besteht, was Geothermie leisten kann, sei es oberflächennahe Geothermie oder Tiefengeothermie. Ich bin froh, dass es einen Grundkon sens darüber gibt, dass in diesem Land beides sinnvoll ist.

Vielleicht zunächst einmal grundsätzlich vorweg: Beim The ma Geothermie kommt es oft zu Missverständnissen bei der Unterscheidung zwischen Tiefengeothermie und oberflächen naher Geothermie. Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun, abgesehen davon, dass es in beiden Fällen um Umweltwärme geht. Dabei reden wir über völlig verschiede ne Technologien. Die Methoden sind anders. Die Verfahren sind anders. Planer und Ausführende sind auch nicht diesel ben. Kurzum: Bei der Nutzung der Geothermie gibt es zwei Welten.

Kommen wir zunächst einmal zur oberflächennahen Geother mie. Heute haben wir in Baden-Württemberg rund 27 000 Erd wärmesonden. Im Jahr 2005 gab es erstmals mehr als 1 000 Erdwärmesondenbohrungen. Im Jahr 2010 haben wir den Hö hepunkt der Zahl der erdgekoppelten Erdwärmepumpen mit bis zu 4 000 Erdwärmesondenbohrungen erreicht. Dann zeich neten sich aber schnell Defizite in diesem Bereich ab. Dras tisch zeigten sich diese Defizite durch die nahezu dramati schen Auswirkungen, die wir in Staufen, in Schorndorf, in Le onberg und in Renningen erlebt haben.

Insbesondere die Vorkommnisse in Leonberg und Renningen haben mich veranlasst, im Sommer 2011 zu sagen: So kann es beim besten Willen nicht weitergehen; denn dadurch wird das Vertrauen in diese wichtige Technologie zerstört. Auch wenn dies nur wenige Fälle waren, war das Vertrauen in die se Technologie weg.

Deswegen habe ich verfügt, dass ab Sommer 2011 die Tiefe für Erdwärmesondenbohrungen auf den ersten Grundwasser leiter beschränkt wird. Gleichzeitig habe ich die Verbände und die Branche an einen Tisch gebracht und diese mit meinen Forderungen nach einer tragfähigen Versicherungslösung, nach Schulungsmaßnahmen für Geräteführer und nach einer externen Bauüberwachung durch einen Bausachverständigen konfrontiert. Es gab mehrere Verhandlungsrunden, die nach dem Sommer 2011 in ein positives Ergebnis mündeten.

Im Herbst vergangenen Jahres wurden dann die Leitlinien Qualitätssicherung Erdwärmesonden in Baden-Württemberg eingeführt. Mit diesen Regelungen haben wir neue Maßstäbe bei den Erdwärmesondenbohrungen gesetzt, die bundesweit – ich betone: bundesweit –, aber auch im benachbarten Aus land, in Österreich und in der Schweiz, große Beachtung ge funden haben.

Die Geothermiebranche nimmt die neuen Maßstäbe zur Qua litätssicherung an und setzt für die Zukunft verstärkt auf Qua lität. Deshalb können wir die oberflächennahe Geothermie heute mit gutem Gewissen als Bestandteil der Energiewende einplanen.

Durch unsere Maßnahmen sowie die Maßnahmen der Verbän de und der Branche ist das Risiko für künftige Schadensfälle deutlich gesunken. Wir haben versucht, das verbleibende ge ringe Restrisiko – letztlich kann ich nicht ausschließen, dass es einmal zu menschlichen Fehlhandlungen kommt – mit der von uns eingeführten verschuldungsunabhängigen Versiche rung abzudecken. Ich denke, auch das war ein richtiger Weg. Übrigens: Diese Versicherungslösung entwickelt sich gerade zum Exportschlager. Einige Bohrfirmen werben damit bun desweit.

Wir werden uns auf diesen neuen erreichten Standards, Herr Kollege Nemeth, nicht ausruhen. Wichtige Forschungs- und Entwicklungsprojekte zu Baustoffen für Erdwärmesonden und zum Rückbau- und Sanierungsverfahren für Erdwärmeson den werden derzeit in meinem Haus auf den Weg gebracht. Denn gerade bei der Sanierung in solchen Fällen, wie wir sie in Leonberg, Staufen und Renningen erlebt haben, standen und stehen wir am Anfang. Vieles ist noch nicht entwickelt. Wir sehen es mit als eine der zentralen Aufgaben an, dies zu tun. Denn ich kann nicht ausschließen, dass aufgrund der äl teren Bohrungen, die in den letzten Jahren gemacht wurden, in den kommenden Jahren vielleicht noch ein Schadensfall auftritt.

Was die neuen Bohrungen betrifft, können wir sicher sein, dass wir hierbei höhere Qualitätsstandards haben. Dennoch ist es wichtig, dass wir solche Sanierungsverfahren entwi ckeln, um dann, wenn Komplikationen auftreten, besser ge wappnet zu sein, als wir das in der Vergangenheit waren.

Damit zum Thema Tiefengeothermie. Herr Kollege Glück, ich war schon hier im Haus – damals noch als Berater –, als es ei nen Staatssekretär im Wirtschaftsministerium namens Mehr länder gab.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Netter Mann!)

Das damalige Wirtschaftsministerium hat im Jahr 2003 oder 2004 einen Fachkongress zum Thema Tiefengeothermie durchgeführt. Ich kann mich noch wie gestern daran erinnern, dass der damalige Staatssekretär dabei gesagt hat: „Ab sofort jedes Jahr zwei neue Projekte mit Tiefengeothermie.“ Heute, acht Jahre später, ist nichts davon zu sehen. Warum? Das hat einen ganz einfachen Grund. Wir hatten in den letzten Jahren mehrere gravierende Schadensfälle. Einer davon war in Ba sel.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Und in Urach!)

Ich will diesbezüglich nicht von Erdbeben sprechen, aber durchaus von Erdbewegungen, die dort dazu geführt haben, dass dieses Projekt sofort gestoppt wurde.