Herr Kollege Heiler, im Gegensatz zu Ihnen darf ich das machen. Sie dürfen das aber nicht, sonst erteilt der Präsident Ihnen einen Ordnungsruf.
Okay. – Sehr geehrter Herr Präsi dent, meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Herr mann, ich stimme Ihnen zu. Sie haben in allen Punkten recht. Es ist nur schade, dass Sie diese Rede hier nicht im Jahr 2003 gehalten haben.
(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Claus Schmiedel SPD: Genau! – Abg. Klaus Herrmann CDU: Da haben wir die Ergebnisse noch nicht ge kannt!)
Ich erinnere an den italienischen Regisseur Federico Fellini, der einmal gesagt hat: „Für jeden kommt der Zeitpunkt, an dem er von seinem Gewissen eingeholt wird.“
Genau das ist bei Ihnen nun nach neun Jahren eingetreten. Ich kann es Ihnen nicht ersparen, einige Zitate aus der Rede des Vertreters der CDU aus dem Jahr 2003 vorzulesen:
Aber wir sollten die Problematik mit etwas mehr Sach lichkeit betrachten und auf die Ebene der Realität herun terholen.... Es geht um die Aufhebung der Wohnortbin dung. Und damit können Sie sich doch wirklich einver standen erklären.... Es geht nur darum, dass eine Bewer berin oder ein Bewerber... auch innerhalb eines anderen Wahlkreises des Landkreises sich auf der gleichen Liste bewerben kann.... Das sind doch Punkte, die man, rea listisch betrachtet, durchaus akzeptieren kann.... Ich mei ne, es wird am Schluss eine gute Sache für die Zukunft.
Doch, Herr Herrmann, genau das wollen Sie ändern. Des halb – wie gesagt –: Schade, dass Sie diese Rede nicht vor neun Jahren gehalten haben. Jetzt hat Sie offensichtlich Ihr Gewissen im fellinischen Sinn eingeholt, denn das, was Sie damals gemacht haben, war natürlich Murks, von dem Sie heute nichts mehr wissen wollen. Sie zeigen sozusagen tätige Reue,
wollen Geschehenes künftig nicht mehr geschehbar machen, und ich denke, das ist aller Ehren wert, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ernst Freiherr von Feuchtersleben – er war Arzt und Schrift steller – hat zwar einmal gesagt: „Reue ist Verstand, der zu spät kommt.“ Aber da halten wir es lieber mit Johann Wolf gang von Goethe: „Es freut sich die Gottheit der reuigen Sün der.“
Nicht nur die Gottheit, sondern wir alle, Herr Kollege Herr mann, freuen uns, dass Sie jetzt auf den Boden der Tatsachen zurückgekommen sind.
Im deutschen Strafrecht kennt man den Begriff der tätigen Reue. Die tätige Reue setzt voraus, dass der Täter nach Be ginn seiner Tathandlung wieder Abstand von seiner Tat neh men will.
(Abg. Thomas Blenke CDU: Also, das Thema hat schon etwas mehr Ernsthaftigkeit verdient, Herr Kol lege!)
Versucht der Täter, den Erfolg seiner Tat abzuwenden, gibt es bei gewissen Delikten die Möglichkeit, dies durch Strafmil derung zu honorieren.
Wir befinden uns jetzt allerdings nicht im Strafrecht, sondern in einer Diskussion über einen Gesetzentwurf der CDU. Des halb stellt sich hier nicht die Frage nach einer Strafmilderung, sondern es stellt sich die Frage, wie das Verhalten der CDU zu würdigen ist.
Ich denke, dem reuigen Sünder, der dann auch noch tätige Reue durch die Einbringung eines Gesetzentwurfs zeigt, also tätig wird, gebührt Respekt und Anerkennung.
Kollege Schwarz hat es gesagt: Es wird einen Gesetzentwurf mit vielen Punkten geben. Den werden wir hier übrigens so rechtzeitig einbringen, dass er zu den Kommunalwahlen 2014 Wirkung entfalten kann.
Dieser Gesetzentwurf wird viele Punkte haben, u. a. natürlich den Punkt, dass die Möglichkeit, bei Kreistagswahlen in zwei Wahlkreisen zu kandidieren, wieder abgeschafft wird. Wir la den Sie von der CDU dann herzlich ein, unserem Gesetzent wurf zuzustimmen.
Das geschieht ganz im Sinne von Ludwig Marcuse alias Heinz Raabe, der einmal gesagt hat – das ist der Sinn unserer Einla dung –:
Wer bereut, hat die Chance, dass er eine Gegenwart ha ben wird, derer er sich in Zukunft nicht zu schämen braucht.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und Abgeordne ten der Grünen – Abg. Thomas Blenke CDU: Das Protokoll dieser Rede möchte ich haben!)
(Abg. Konrad Epple CDU: Mit Kronzeugen! – Abg. Arnulf Freiherr von Eyb CDU: Im Namen des Vol kes, Amen!)
(Abg. Thomas Blenke CDU: Die Rede wird bestimmt noch öfter zitiert werden! – Zuruf von der CDU: Man sieht sich immer zweimal im Leben! – Abg. Thomas Blenke CDU: Genau, man sieht sich immer zweimal im Leben, Herr Heiler!)
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Sehr wohl in dem Bewusstsein, dass der damalige Vorschlag aus der FDP kam, frage ich jetzt am Anfang doch, ob wir diesen Punkt nicht etwas arg hoch hän gen. Das gilt sowohl, was den mutigen Vorstoß der Freunde von der CDU angeht – ob sich daran die erfolgreiche Oppo sitionsarbeit beweist? –, als auch in Bezug auf die Rede gera de eben vom Kollegen Heiler, bei der vielleicht bei der Ein stufung der Bedeutung zwei Stufen zu hoch gegriffen wurde. Ob sich da Gewissensfragen und Ähnliches klären – –
(Abg. Thomas Blenke CDU: Slapstick! – Abg. Bri gitte Lösch GRÜNE: Es waren viele Zitate! – Zuruf der Abg. Rita Haller-Haid SPD)
Meine Damen und Herren, was haben wir denn damals ge macht? Wir haben das Wahlrecht bei der Kreistagswahl ein kleines Stück an das Landtagswahlrecht angenähert, bei dem es ohnehin selbstverständlich ist, dass man in zwei Kreisen kandidieren kann. Dafür, dass man das macht, spricht immer hin, dass bei der Kreistagswahl ebenfalls Wahlkreise gebildet werden, dass sie in dieser Hinsicht also durchaus mit einer Landtagswahl vergleichbar ist, und dass sich dadurch partei politische Elemente vielleicht auch wieder ein bisschen stär ker bemerkbar machen als bei der Gemeinderatswahl.
Eigentlich ist das eine Sache, bei der man, wenn man es oh ne Zorn und Eifer betrachtet, feststellen kann: Man kann es so oder so machen. Beides hat Vor- und Nachteile.
Die Nachteile der Zulassung von Doppelkandidaturen, lieber Herr Herrmann, scheinen sich ausweislich der Zahl der erfolg reichen Bewerber zwangsläufig in Grenzen zu halten; denn Sie haben selbst geschildert, wie viele dieser Doppelkandida turen erfolgreich waren. Ich weiß nicht, ob ich nun wegen ei nes einzigen Vertreters einer rechten Partei im ganzen Land anfangen würde, die ganze Sache wieder umzudrehen.
(Abg. Thaddäus Kunzmann CDU: Da sind auch noch die Republikaner! – Abg. Klaus Herrmann CDU: Von rechts und von links!)
Natürlich ist das misslich – das ist klar –, aber vielleicht ist es doch kein Grund dafür, alles wieder rückgängig zu machen und das Rad der Geschichte zurückzudrehen.
Denn – jetzt kommen wir zum nächsten Punkt – die damals geschaffene Regelung hat natürlich auch Vorteile. Ich möch te jetzt fast schon prophezeien, dass unter denjenigen, die jetzt darangehen und das rückgängig machen wollen, auch welche sind, die es eines künftigen Tages bereuen werden, wenn sie sich bestimmter Gestaltungsmöglichkeiten beraubt haben.
Zunächst haben wir übrigens damals das Wohnsitzprinzip ge lockert bzw. abgeschafft. Da wollen Sie interessanterweise nicht heran, weil offenkundig ist, dass es für manche günsti ger ist, dort zu kandidieren, wo sie arbeiten, als dort, wo sie wohnen. Das war sicher eine sinnvolle Regelung. Ich weiß nicht, ob Sie diese auch wieder abrasieren wollen.
Dann gibt es noch die Doppelkandidatur. Die Doppelkandi datur schafft in der Tat zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten. Meine Damen und Herren, wir wollen bei der Kommunalwahl attraktive Listen bieten. Das ist wichtig, und das ist im Sinne aller. Ich finde es überhaupt nicht schlimm, wenn eine Persön lichkeit einer Partei in zwei Wahlkreisen auftaucht, wie dies bei einer Landtagswahl auch der Fall sein kann. Was soll da ran schlimm sein? Die Wählerinnen und Wähler sehen eine Person, die sie mit einer bestimmten Richtung identifizieren. Sie sehen diese Person auch in einem anderen Wahlkreis, in dem sonst vielleicht zu wenige Kandidatinnen und Kandida ten aufgestellt würden – was übrigens den Wählerwillen un ter Umständen auch verfälschen kann.
Zum Schluss nenne ich noch einen Punkt, der Sie vielleicht überraschen mag. Ich bitte Sie aber, über diesen Punkt noch einmal nachzudenken. Wir haben uns kürzlich mehrfach zu