Protocol of the Session on July 19, 2012

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, ich finde es gut, dass wir mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort transparent diskutieren. Das ist das Thema, lieber Kollege Rösler. Es ist richtig: National

park ist eine Landesangelegenheit. Aber – das sage ich in al ler Deutlichkeit – gegen den Willen der Bürgerinnen und Bür ger vor Ort in den angrenzenden Gemeinden kann man ein solches Projekt nicht durchsetzen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Deshalb bin ich – das sage ich gleich am Anfang ganz klar – der Meinung: Wir müssen die Bürgerinnen und Bürger in den angrenzenden Gemeinden aufgrund dessen, was von einem Nationalpark ausstrahlt, fragen, ob sie ihn wollen oder nicht. Wir hier in diesem Haus können nicht darüber bestimmen und den Bürgerinnen und Bürgern womöglich gegen ihren Willen eine Käseglocke überstülpen. Das darf nicht passieren, mei ne Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Ein Nationalpark ist keine Käseglocke!)

Anders als die Landesregierung sind wir – – Über Transpa renz und Bürgerbeteiligung ist hier schon vieles gesagt wor den. Ein paar grundsätzliche Dinge muss ich hier ansprechen. Wir von der FDP/DVP haben in der letzten Legislaturperiode ganz klar gesagt: Wir sind für weitere Großschutzgebiete, aber – um das deutlich zu sagen – nicht exklusiv für Nationalparks. Wir sehen vor allem in Biosphärenparks und in weiteren Aus weisungen und entsprechenden Maßnahmen viel größere Chan cen für die Wirtschaft, die Natur, den Tourismus. Dass das bei einem Nationalpark so wäre, ist noch gar nicht bewiesen. In manchen Gebieten, etwa im Bayerischen Wald, trifft gerade das Gegenteil zu.

Ich bin der Auffassung, dass wir in diesem Haus möglichst früh wissen müssen, Herr Minister, bis wann das Gutachten kommt. Ich habe an dieser Stelle schon einmal gesagt: Wir sollten jetzt einmal abwarten, bis das Gutachten vorliegt, und über das Gutachten dann mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort diskutieren. So, wie die Signale bis jetzt sind – Sie wohnen dort, Herr Minister; ich komme aber auch in diese Gegend –, sehe ich keine Begeisterung. Ich habe das Gefühl, dass eher 80 % anderer Auffassung sind. Wenn die Gutachten das Gegenteil besagen würden, dann muss man natürlich auch das akzeptieren.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP/DVP – Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Dr. Bullinger, gestat ten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Rösler?

Ein Wort zur Finanzierung. Herr Schmiedel, Sie haben ver kündet, dass sich die Landesregierung einen Nationalpark et was kosten lässt: rund 80 Millionen € – ich sage dazu: plus Dauerkosten –, 60 neue Personalstellen. Wenn man gleichzei tig 20 000 Stellen abbauen will, frage ich: Auf wessen Kos ten gehen diese Stellen? Ich habe als Vertreter des ländlichen Raums schon die große Sorge, dass dies – in der Landwirt schaftsverwaltung, in der Umressortierung der Kräfte in Ih rem Haus – auf Kosten gerade unserer Landwirte im ganzen Land geschieht. Das darf aber nicht passieren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Es macht auch keinen Sinn, neue Baustellen zu beginnen, wenn die alten Baustellen noch nicht entsprechend bedient sind. Wir brauchen zusätzliches Personal. Auf der Schwäbi schen Alb brauchen wir solches für den Biosphärenpark. Wir stehen auch dazu.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Das heißt Bio sphärengebiet!)

Ja, Biosphärengebiet. Ich weiß es.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Aber die Stellen braucht man trotzdem!)

Wir brauchen auch zusätzliche Mittel. Erst kürzlich haben Sie das Biosphärengebiet Südschwarzwald ausgerufen. Auch da zu braucht man Geld und Personal. Es macht keinen Sinn, et was Neues zu schaffen, wenn das Alte noch nicht bedient ist.

Ich fordere Sie, Herr Bonde, auf, die Betroffenen, die angren zenden Gemeinden mit einzubeziehen, die Auswertung der Gutachten mit der gesamten Bevölkerung vor Ort und in den angrenzenden Orten zu besprechen. Vor allem muss man sie fragen, ob sie die gewachsene Kulturlandschaft, die mit nach haltiger Forst- und Landwirtschaft entwickelt wurde und seit Jahrhunderten besteht, erhalten wollen oder ob sie den Wald umgestalten, abholzen und dort etwas Neues schaffen wollen.

Eines darf nicht sein: Dieser Nationalpark darf den Bürgerin nen und Bürgern vor Ort nicht übergestülpt werden. Gehört werden, meine Damen und Herren, ist für mich etwas ande res als das, was bisher landauf, landab von der neuen Regie rung praktiziert wird. Nutzen Sie also ganz im Sinne des Wor tes, das ich am Anfang genannt habe, die Talente in diesem Land, und entscheiden Sie mit den Bürgerinnen und Bürgern und nicht im Amtszimmer oder in der Hinterstube des NABU.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Glocke des Präsidenten)

Eine Frage des Kollegen Dr. Rösler.

Herr Dr. Bullinger, ich habe zwei Fragen an Sie. Die erste Frage betrifft Ihre Aussa ge bezüglich Tourismus und Bayerischer Wald. Ist Ihnen be kannt, dass in den Kommunen, die direkt an den Nationalpark angrenzen, der Rückgang des Tourismus geringer war als in den anderen Kommunen der Landkreise der Region, was be deutet, dass der Tourismus in der Nationalparkregion selbst besser und sicherer ist? Ist Ihnen das bekannt, und, wenn ja, warum behaupten Sie dann das Gegenteil? Sie tun zumindest so, als wäre im Bayerischen Wald ein Tourismusproblem im Zusammenhang mit dem Nationalpark vorhanden.

Meine zweite Frage betrifft Ihre Aussagen zum Thema „Fi nanzierung von Personal“. Angenommen, Sie würden am En de des Prozesses sagen: „Die Gutachten, die Beteiligungen haben ergeben, dass es sinnvoll ist, einen Nationalpark einzu richten“ – bezüglich des Biosphärengebiets im Südschwarz wald und des Biosphärengebiets Schwäbische Alb gilt dies ebenso –, sind Sie dann auch bereit, im Zuge der Haushalts debatten entsprechende Anträge zu stellen oder Anträge, die von uns kommen, zu unterstützen, die beinhalten, dass wir zu

sätzliches Personal für diese Schutzgebiete benötigen? Sind Sie dazu bereit?

Letzteres werden wir sicherlich im Rahmen der nächsten Haushaltsberatungen besprechen. Ich nehme an, dass das Gutachten und die Er kenntnisse so rechtzeitig vorliegen, dass wir das dann bespre chen können.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Nein!)

Wenn das nicht der Fall ist, wird es natürlich schwierig. Dann werden wir wahrscheinlich im Rahmen eines Nachtragshaus halts darüber diskutieren müssen, wenn zusätzliches Personal benötigt wird.

Aber ich sage noch einmal: Eine Landesregierung hat auch die Aufgabe, bei Bedarf umzuressortieren. Es gibt genügend Beispiele – ich möchte die Beispiele nicht immer wiederho len –, bei denen ich sagen kann: Mit dem Personal, das in den Ministerien teilweise aufgebläht worden ist, ließe sich sicher etwas umressortieren.

Nun zu der Frage, was den Tourismus angeht. Ich weiß eines: Das Armenhaus Bayerns – die zwei ärmsten Landkreise – be findet sich dort, wo der Nationalpark installiert wurde. Das spricht Bände. Ferner gibt es dort auch eine Überalterung der Bevölkerung. In einzelnen Gemeinden mag es einzelne Peaks nach oben geben, aber insgesamt sind die dortigen Landkrei se die ärmsten in Bayern. Das spricht nicht unbedingt für ein solches Vorhaben.

Für die Landesregierung spricht Herr Minister Bonde.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Da men und Herren! Herzlichen Dank für die Gelegenheit, heu te noch einmal darüber zu berichten, welchen sehr ausgiebi gen Beteiligungsprozess die Landesregierung seit einem Jahr im Zusammenhang mit den Überlegungen zur Einrichtung ei nes Nationalparks im Nordschwarzwald unternimmt.

Lassen Sie mich aber zu Beginn kurz darauf hinweisen, dass wir in der öffentlichen Debatte über die Frage des National parks gerade in den letzten Wochen ein paar spannende öf fentliche Äußerungen zu verzeichnen hatten. Zum einen hat eine Gruppe von über 50 Hochschullehrern und Wissenschaft lern aus Baden-Württemberg den Ministerpräsidenten und mich angeschrieben und aufgefordert, den Prozess zur Grün dung eines Nationalparks voranzutreiben, sowohl unter wis senschaftlichen Gesichtspunkten als auch unter Gesichtspunk ten des Naturschutzes und des Artenschutzes.

Die zweite spannende öffentliche Äußerung stammt von der Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz, die in den letz ten Tagen noch einmal sehr eindringlich dafür plädiert hat, in Deutschland Großschutzgebiete und insbesondere National parke weiter voranzubringen, weil ihres Erachtens solche Flä chen unverzichtbare Freiluftlabore der Natur, Zentren der Um weltbildung und Räume der naturnahen erlebnisreichen Erho lung sind. Ferner hat sie – auch das ist spannend – anhand von Zahlen zu den bestehenden Nationalparken in Deutschland dargestellt, dass Nationalparke Motoren der Regionalentwick

lung sind und gerade die Entwicklung der Beschäftigung und des Lohnniveaus in den betroffenen Regionen dafür spricht, solche Initiativen, klug angelegt, anzugehen. Außerdem be stätigt sie den naturschutzfachlichen Mehrwert der National parke.

Kollege Bullinger, das ist übrigens genau der Grund, weshalb sich unsere Nachbarn in Bayern – auch damals schon CSUgeführt – seinerzeit bewusst dafür entschieden haben, gerade in den zwei ärmsten und strukturschwächsten Landkreisen in Bayern den Nationalpark einzurichten,

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

nämlich um diese regionalwirtschaftlichen Impulse gerade in den strukturschwächsten Regionen, die einen Strukturimpuls brauchten, zu initiieren.

Insofern muss man da offen sagen: Das ist nicht das Ergebnis des Nationalparks, sondern war die Ursprungsanalyse der Christlich-Sozialen Union in Bayern, weshalb man dort ge nau diesen Prozess vorangetrieben hat.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das geht bis weit in die Oberpfalz! Das ist falsch! Das ist he rausgepickt! – Gegenruf des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE)

Die dritte spannende Äußerung – nachdem Sie, Herr Bullin ger, gefühlte Umfragewerte ins Rennen schicken – ist, dass wir in einer aktuellen landesweiten Umfrage die Unterstüt zung von 64 % der Menschen für den Nationalpark bekom men haben.

Die vierte öffentliche Äußerung: Der frühere Umweltminis ter Vetter von der CDU – damals erster Minister im vor 25 Jahren frisch gegründeten Umweltministerium – hat sich in einem Interview zum Jubiläum „25 Jahre Umweltministeri um Baden-Württemberg“ dahin gehend geäußert – ich zitiere –:

Was besser werden muss, ist in meinen Augen der Schutz der Landschaften; dazu gehört z. B. die Idee eines Nati onalparks Nordschwarzwald.

(Beifall bei den Grünen – Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, gestatten Sie Zwi schenfragen – mir liegen drei Anfragen vor – der Kollegen Dr. Bullinger, Dr. Rapp und Röhm?

Ja. Aber ich würde das dann auch am En de machen,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Gern!)

um jetzt erst einmal im Bogen auszuführen.

Ich glaube, gerade auch die zitierte Äußerung des geschätz ten Kollegen Vetter macht deutlich, dass wir hier ein Projekt haben, das sich nicht dazu eignet, hierüber in eine parteipoli tische Profilierung und in eine parteipolitische Auseinander setzung zu gehen.

Zur Bürgerbeteiligung will ich noch einmal sagen: Wir haben direkt nach der Übernahme der Regierung einen breiten Be