Protocol of the Session on July 18, 2012

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben im Dop pelhaushalt beantragt, weitere Mittel für die Energiewende frei zu machen, allerdings nicht für Programme mit Mitnah meeffekten. Ich kann mich an die letzte Debatte hier erinnern, als sich der Umweltminister für ein Darlehensprogramm ge rühmt hat: „Wunderbar, wir haben die Förderangebote des Bundes noch einmal verstärkt und die KfW-Mittel um immer hin sage und schreibe 0,3 Prozentpunkte weiter verbilligt.“ Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind Mitnah meeffekte, nichts anderes. Denn bei den derzeit niedrigsten Zinssätzen in der Historie der Bundesrepublik überhaupt ist die Reduzierung um noch einmal 0,3 Prozentpunkte etwas, was man mitnimmt – und dafür geben wir derzeit jährlich 5 Millionen € aus! Dieses Geld wäre für Netze, für Nah- und Fernwärmenetze, und bei der Kraft-Wärme-Kopplung deut lich besser eingesetzt als für solche Maßnahmen, die zu Mit nahmeeffekten führen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Herr Minister präsident hat als Abgeordneter in der Plenarsitzung am 15. März 2007 Folgendes gefordert – ich zitiere mit Ihrer Er laubnis, Herr Präsident –:

Klimaschutz und Nachhaltigkeit in Baden-Württemberg erfordern klare Werthaltungen, Nachhaltigkeit als Fun dament, ambitionierte Ziele und Vorgaben. Die richtigen Mittel, Wege und Instrumente müssen genannt werden. Schließlich muss das Ganze auf allen Ebenen auch in die Tat umgesetzt werden – durch den Staat, in Europa, im Bund, im Land, durch die Kommunen, die Zivilgesell schaft, die Haushalte und jeden Einzelnen.

Jetzt haben Sie, Herr Ministerpräsident, die Gestaltungsmög lichkeiten, aber gestalten tun Sie nicht.

(Widerspruch bei den Grünen)

Ganz im Gegenteil, Sie dozieren hier über die Historie der Anti-Kernkraft-Bewegung, einen die grünen Gemüter, aber Sie gestalten nicht die Zukunft. Sie haben angekündigt: Chan ce für die Zukunft. Aber es gibt nicht eine einzige konkrete Maßnahme, die Sie in den nächsten Jahren auch tatsächlich umzusetzen gedenken.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Dann sagten Sie vor einem Jahr in Ihrer Regierungserklärung:

Wir werden endlich die Energiewende in Baden-Württem berg voranbringen.

Heute, über ein Jahr später: nahezu dieselben Worte, wieder um nur Ankündigungen. Ehrlich gesagt, Herr Ministerpräsi dent, wir sind enttäuscht.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Von einem grünen Ministerpräsidenten und einem grünen Um weltminister hätten wir nach über einem Jahr wahrlich mehr erwartet. Sie sind nicht mehr in der Opposition,

(Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Gott sei Dank!)

wo man nur Forderungen an andere stellt.

Ihr Handeln ist hier und heute gefragt.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Gott sei Dank! – Gegenruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Dann macht endlich etwas!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will noch ein mal darlegen: Was ist denn eigentlich im vergangenen Jahr zum Thema Energiewende passiert? Da gab es eine Mitwir kung an einem EEG-Kompromiss; ich komme dazu später noch einmal. Da gibt es ein paar Fantastereien über Kapazi tätsmärkte, die einen Marsch in eine gigantische neue Dauer subvention darstellen.

(Zuruf der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE)

Und ansonsten gab es noch ein Landesplanungsgesetz, das – ich erinnere mich noch genau – für Juli letzten Jahres ange kündigt war. Dann wurde es verschoben auf Herbst letzten Jahres. Im Herbst hat man dann gesagt: Wir kommen im Win ter dazu. Aus dem Winter wurde Frühling, und im Mai wur de das Gesetz dann endgültig verabschiedet. Wenn Sie über all so lange brauchen, Herr Ministerpräsident und Herr Um weltminister,

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Sie haben es doch in 58 Jahren nicht hingekriegt!)

dann werden wir – jedenfalls wir, die wir heute debattieren – die Energiewende nicht mehr erleben.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Dann werden wir in die Abhängigkeit von Dritten geraten, nämlich von Stromimporten. Was den Zubau von Kraftwer ken angeht, sind andere Länder nämlich deutlich schneller. Ich denke etwa an Tschechien, Österreich oder Frankreich oder auch an die Slowakei.

(Zuruf: Bratislava!)

Was Bratislava angeht, werden Sie sich noch freuen, dass Sie noch schneller dorthin kommen können,

(Vereinzelt Beifall – Oh-Rufe von den Grünen und der SPD – Unruhe)

um dort die Produktionsanlagen für Energie für Baden-Würt temberg zu besichtigen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das war das Einzi ge.

Kollege Dr. Rülke hat zu Recht darauf hingewiesen, dass Sie bei dieser Veränderung des Landesplanungsgesetzes alles ge tan haben, was man eigentlich nicht tun soll. Sie haben die Bürgerbeteiligung ausgehebelt.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Was? Das stimmt doch nicht! – Weitere Zurufe von den Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Völlig richtig!)

Sie haben sie ausgehebelt, weil Sie das Baugesetzbuch als Grundlage genommen haben.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Das Baugesetz buch enthält Bürgerbeteiligung!)

Nein, Herr Schwarz. Machen Sie sich einmal kundig. Das Baugesetzbuch spricht von privilegierten Bauvorhaben im Au ßenbereich.

(Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Das Baugesetzbuch gilt aber! – Gegenruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Aber nicht für Windkraftanlagen!)

Damit haben Sie faktisch jegliche Bürgerbeteiligung zunächst einmal außer Kraft gesetzt. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Zum Zweiten – das will ich nur noch einmal kurz ansprechen; Kollege Rülke hat dabei vollkommen recht –: Sie haben die Verantwortung auf die Kommunen abgeschoben und haben damit einen permanenten Zwist zwischen Bürgern heraufbe schworen. Denn die Kommunen verlegen solche „Maschi nen“, wie Sie Windkraftanlagen immer wieder nennen, im Zweifelsfall mit Sicherheit eher in die Grenzregionen ihrer Gemarkung, damit man selbst diese Anlagen nicht sieht.

(Zuruf von der CDU: Logisch!)

Der Nachbar kümmert einen dann wenig.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Sankt-Florians-Prinzip!)

Wo bleibt denn die Zusammenarbeit, die Sie immer ange mahnt haben? Diese Zusammenarbeit haben Sie durch die Än derung des Landesplanungsgesetzes komplett außer Kraft ge setzt.

Drittens, Herr Ministerpräsident, fordern wir ein Bürgerbetei ligungskonzept auch in Bezug auf die Standorte neuer Kraft werke – für Windkraftwerke, für Biogas-, für Biomassekraft werke, egal, in welcher Form. Das fehlt vollkommen. Sie ha ben überhaupt kein Konzept dafür erarbeitet, wie die neuen Anlagen, die mit den älteren Anlagen nicht mehr vergleich bar sind, was die Eingriffe in die Landschaft angeht, was den Artenschutz angeht, was den Schutz der Menschen angeht, sinnvoll von den Bürgern akzeptiert werden sollen. Theore tisch – das haben Sie zum Ergebnis der Umfrage, die Sie vor 14 Tagen veröffentlicht haben, gesagt – ist die Akzeptanz groß. Aber wie immer braucht es auch die Akzeptanz der Be troffenen.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: So ist es!)

Für diese Akzeptanz muss eine Regierung, um einen Dauer zwist zu vermeiden und nicht Unfrieden in die Bürgerschaft hineinzubringen, werben. Dies vernachlässigen Sie sträflich.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Klimaschutz gesetz hatten Sie bereits angekündigt. Der Gesetzentwurf soll te eigentlich noch vor der Sommerpause vorgestellt werden. Sie haben in Ihrer Regierungserklärung vorhin bemerkt, dass die Eckpunkte hierzu auch schon beschlossen seien. Anschei nend sind diese Eckpunkte so geheim, dass sie das Licht der Öffentlichkeit noch nicht erblickt haben. Vielleicht haben Sie mit diesen Eckpunkten auch etwas zu verbergen. Dann nen nen Sie aber doch wenigstens die Eckpunkte dieses Klima schutzkonzepts, damit wir darüber auch diskutieren können, damit wir um den besten Weg ringen können und damit eine Debatte überhaupt möglich ist.

Nur zu sagen, die Eckpunkte seien beschlossen, reicht nicht. Legen Sie sie endlich vor! Sie haben noch einen Tag Zeit. Morgen ist die letzte Sitzung des Landtags vor der Sommer pause. Sie haben also noch einen Tag Zeit, um den Entwurf des Gesetzes vorzulegen. Tun Sie es endlich! Tun Sie wenigs tens das, was Sie angekündigt haben, wenn Sie schon nicht das tun, was sinnvoll ist. Aber tun Sie es!

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Dieses Klimaschutzgesetz soll ja erst die Grundlage für das umfassende integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept ins gesamt sein. Wie lange wird das jetzt noch dauern? Der Kol lege Rülke hat es vorhin zu Recht gesagt: Sie glauben ja selbst nicht, was Sie in Ihrer Regierungserklärung gesagt haben. Sie haben vorhin ausgeführt, dass Sie die Abhängigkeit von Uran, aber auch die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern ver mindern wollen. Aber, Herr Ministerpräsident, wenn Sie selbst und Ihr Umweltminister das CO2-Einsparziel von 30 %, das bis 2020 angedacht war, auf 25 % zurückfahren,

(Zuruf des Abg. Johannes Stober SPD)