Protocol of the Session on July 18, 2012

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Sabine Kurtz CDU: Das fällt auf Sie zurück!)

Die Finanzierungslüge ist im Kassensturz offenbar geworden: 711 Lehrer sind nicht finanziert. Diese mussten wir hier als Erstes finanzieren. Nicht finanziert sind auch die Bildungsof fensive und die Pädagogischen Assistenten. Das alles ist nicht finanziert.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ihr Klassenteiler von 25 ist auch nicht finanziert!)

Von wegen. Wir haben ein Konzept und eine Planung. Sie hatten weder eine Planung noch ein Konzept.

Zu dem, was Sie gemacht haben, hat uns der Rechnungshof Folgendes unterbreitet: Seit 2003 gehen die Schülerzahlen zu rück.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Und ihr wollt noch mehr Lehrer!)

Sie haben munter mehr Lehrer eingestellt.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie haben laufend mehr gefordert! Klassenteiler auf 25 senken! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Ihr wolltet immer mehr! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: So viel Schein heiligkeit! – Unruhe)

Moment. Die Aufregung ist erst später angebracht, jetzt noch nicht.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Die SPD kritisiert Lehrereinstellungen! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das hat mit Aufregung nichts zu tun!)

Moment. Sie müssen sich jetzt noch nicht aufregen, sondern erst, wenn die Argumentation zu Ende geführt ist.

Trotzdem gab es einen Rekord beim Unterrichtsausfall.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Martin Rivoir SPD: Genau! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Hoi!)

Baden-Württemberg hat mit 1,5 % die geringste Krankheits reserve unter allen Bundesländern; im bundesweiten Durch schnitt sind es 2,5 %.

(Zuruf: Ui! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Jetzt ist der Ergänzungsbereich weggefallen!)

Woher kommt denn das? Das kann doch eigentlich gar nicht sein, wenn man die beste Lehrer-Schüler-Relation hat. Bei Ih nen lag die Relation bei 1 : 15.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Wir hatten auch die besten Schüler!)

Da müsste man doch meinen, es gäbe paradiesische Zustän de. Die Zustände sind aber nicht paradiesisch. Sie haben die Lehrerressource, Sie haben die teure, die rare, die wertvolle Qualität einfach versaubeutelt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das ist jetzt aber eine sachliche Darstellung, oder?)

Das ist ganz sachlich. – Jetzt sage ich Ihnen, wofür das z. B. gilt: Seit mehreren Jahren haben wir an den beruflichen Schu len eine riesige Bewegung. Sie brauchen nur einmal nach Tett nang zu schauen. Dort gibt es die Landesberufsschule für Ho tel- und Gaststättenberufe. Dort ist die Schülerzahl von 1 000 auf 600 gesunken. In einer anderen Schule ist die Zahl von 1 300 auf 600 gesunken. Das heißt, allein bei diesen beiden Schulen haben Sie ca. 1 000 Schüler weniger.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Was wurde ab gebaut? Lehrer oder Schüler?)

Moment. Ich sage es Ihnen doch. – Die Zahl der Schüler in den einzelnen Fächern ist gesunken, und Sie haben nicht re agiert. Sie haben nicht auf die zurückgehenden Schülerzah len, nicht auf die Änderungen bei den Schülerzahlen reagiert.

(Abg. Sabine Kurtz CDU: Weil wir nicht nur zählen!)

Das führt dazu, dass wir an den beruflichen Schulen noch im mer eine strukturelle Unterversorgung haben. Die Krankheits reserve ist nicht geregelt; das ist doch Fakt. Da ist es doch völ lig richtig – das werden wir auch machen –, genauer hinzu schauen. Es war ja schmerzlich, aber unvermeidlich, gerade bei den beruflichen Schulen zu sagen: Wir warten erst einmal ab bis zum nächsten Schuljahr, bis wir genau wissen, wie vie le Schüler in welchen Fächern an welchen Schulen unterwegs sind, bevor wir die Lehrer zuteilen, und gehen nicht einfach mit der Gießkanne übers Land und sagen: Jetzt streuen wir einfach Lehrer aus und hoffen, dass es irgendwie passt.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU – Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Schmiedel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Goll?

Aber gern.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Der will fragen, ob die Berufsschullehrer kompatibel sind!)

Lieber Herr Schmiedel, Sie übernehmen ein Auto. Sie können nicht fahren. Sie fahren das Auto in den Graben, und jetzt sagen Sie ständig, der Vorbe sitzer hätte es auch in den Graben gefahren. Finden Sie das nicht allmählich witzig?

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Zunächst einmal: Nicht von je dem würde ich ein gebrauchtes Auto übernehmen.

(Beifall der Abg. Andrea Lindlohr und Charlotte Schneidewind-Hartnagel GRÜNE – Abg. Dr. Hans- Ulrich Rülke FDP/DVP: Sie können es ja wieder her geben!)

Ein Auto ist ein etwas schräges Bild.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Schon lange nicht mehr an der Schule gewesen, mein Lieber!)

Wir haben eigentlich, im Gesamten gesehen – das muss man jetzt so sagen; das hat der Rechnungshof offenbart –, eine sehr gute Lehrer-Schüler-Relation.

(Zurufe von der CDU: Aha! – Abg. Karl Zimmer mann CDU: Nein, die besten Schüler!)

Nur die Verteilung im Einzelnen ist katastrophal. Das ist doch der Punkt. Darum haben Sie sich nie gekümmert, weil Sie sich nicht um Schulentwicklung gekümmert haben.

(Abg. Sabine Kurtz CDU: Und wie machen Sie es jetzt?)

Man stellt jetzt auch erst so langsam fest, wie viele Deputate mit Zusagen über mehrere Jahre hinausgegangen sind – vom Kultusministerium, vom Regierungspräsidium, vom Schul amt, Ad-hoc-Arbeitsgruppe hier, Ad-hoc-Arbeitsgruppe da. Jeder hat irgendwo eine Entlastung. In der Summe sind 9 000 Lehrer weg. Da gibt es natürlich Freistellungen, die notwen dig sind, etwa für Schulleiter; keine Frage. Aber ich gehe je de Wette ein: Wenn wir diese 9 000 Stellen durchforstet ha ben, die nicht in der Schule angekommen sind – das ist ja fast ein Zehntel – dann wird sich zeigen,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ihre Kommissio nen tagen bereits wieder!)

dass dort in unglaublicher Weise verfahren worden ist. Man hat beispielsweise gesagt: Wir machen das Projekt „Schulrei fes Kind“ – Lehrerstellen weg. Wir machen noch eine andere Sache – Lehrerstellen weg.

(Abg. Sabine Kurtz CDU: Was streichen Sie denn jetzt?)

Wir machen Kommissionen hier, Kommissionen da – Lehrer stellen weg.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Und jetzt machen Sie noch mehr Lehrerstellen weg!)

Was wir jetzt machen – wir nehmen natürlich ernst, was uns der Rechnungshof vorgegeben hat – und was wir zusagen, ist Folgendes: Jede Schule bekommt die Lehrer, die sie braucht. Punkt.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Aber nur für die Pflicht, nicht für die Kür!)

Dazu muss man dann aber auch genauer hinschauen.

Was wir weiter zusagen, ist: Wir müssen sparen – logisch, strukturelles Haushaltsdefizit –, aber an dieser Lehrer-Schü ler-Relation sparen wir nicht. Die halten wir. Da haben Sie vorhin gelacht. Ich verstehe gar nicht, warum. Die halten wir.

Wir machen auch Folgendes: Weil der Karren halt noch nicht richtig rund läuft, Herr Goll, lassen wir alle Lehrer im Sys tem. Denn man muss zunächst einmal tatsächlich z. B. die Lehrerreserve aufstocken, bevor man an anderer Stelle dann besser organisieren kann. 3 000 Lehrerstellen, die nicht mit k.w.-Vermerken versehen sind, die rechnerisch durch die zu rückgehenden Schülerzahlen ab dem Schuljahr 2012/2013 frei würden, bleiben alle voll im System und stehen den Schulen zur Verfügung. Das ist doch ein Wort.

Wenn wir dann durch bessere Organisation, natürlich auch durch aktive Schulentwicklung, dazu kommen, die LehrerSchüler-Relation auch in den einzelnen Schulen anzugleichen, dann haben wir noch mehr Luft für weitere pädagogische Ver besserungen, die wir brauchen. Ganztagsschulen beispiels weise sind eine Riesenherausforderung. Es gilt, nach dem Vor schulbereich, bei dem es erweiterte Öffnungszeiten gibt, in den Grundschulen verbindliche, gebundene Ganztagsangebo te im ganzen Land zu machen. Dazu brauchen wir Ressour cen. Aber weil das Geld knapp ist, kann man doch nicht un entwegt weiter einstellen, einstellen, einstellen, sondern man muss doch, wenn man schon die beste Lehrer-Schüler-Rela tion unter allen Bundesländern hat – und zwar mit Abstand –,

bei der Organisation mindestens so gut sein wie die anderen auch. Da gibt es einen Nachholbedarf. Da versuchen wir, den Karren flottzukriegen – im Interesse der Kinder, im Interesse der Eltern und im Interesse der Zukunft des Landes.