Protocol of the Session on June 20, 2012

Das Zweite ist: Nachdem Sie das Wort „Rückabwicklung“ hi neinbringen – egal, ob das jetzt ernst gemeint war oder nicht; aber Tatsache ist: es wurde gesagt –, muss man ganz ehrlich sagen: Vor Kurzem haben Sie so getan, als wollten Sie Ar beitsplätze retten. Jetzt riskieren Sie, ohne dass es irgendeine Not gibt, 20 000 Arbeitsplätze in Baden-Württemberg. Ich würde mich schämen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Andreas Stoch SPD: Sie wollen doch den Menschen Angst machen!)

Das Dritte: Sie behindern die, wie ich meine, überfraktionell gute Arbeit des Untersuchungsausschusses. Glauben Sie mir, ich bin als Vertreter der FDP/DVP-Fraktion im Untersu chungsausschuss ganz sicher ergebnisoffen. Aber wie sollen wir denn unserem Untersuchungsauftrag nachkommen, wenn wir die Verkäuferseite noch gar nicht hören konnten,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Weil die nicht kom men!)

und das bloß wegen dieser Klage? Den Beweis dafür habe ich Ihnen vorher angetreten.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Glauben Sie, dass er sonst gekommen wäre? – Zuruf: Er wäre doch sowie so nicht gekommen!)

Herr Minister Schmid, das ist ungefähr so, als ob ein Mensch, der völlig leistungsfähig und gesund wie nie zuvor ist, jetzt auf einmal beschließt, er möchte ein Antibiotikum nehmen, einfach so.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Hier spricht der Arzt!)

Mit Wirkungen ist freilich nicht zu rechnen, aber mit Neben wirkungen. Herr Dr. Schmid, Sie wurden vom Superminister zum Minister der Nebenwirkungen. Baden-Württemberg hat diesbezüglich Besseres verdient.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Für die Landesregierung spricht der Minister für Finanzen und Wirtschaft Dr. Nils Schmid.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Im merhin wissen wir jetzt eines: Herr René Proglio war auf der Verkäuferseite. Das ist die Erkenntnis des Tages. Das kann man dann noch vertiefen. Interessanterweise hat Morgan Stan ley Frankreich bis hin zur Unterlassungsklage bisher immer das Gegenteil behauptet.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)

Aber das kann man ja dann im weiteren Verfahren eruieren.

Ich will einfach noch einmal deutlich machen: Das Schieds verfahren ist nicht öffentlich, sondern vertraulich.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Vereinbart!)

Das ist eine Vereinbarung, die nicht wir getroffen haben, son dern die Herr Mappus bei Unterzeichnung des Kaufvertrags getroffen hat. Wenn Sie jetzt Krokodilstränen über diese Ver traulichkeit vergießen, dann weisen Sie auf Ihre Verantwor tung hin. Sie haben dieses Verfahren gewählt. Sie haben den Vertrag so unterzeichnet, und wir mussten dann, um überhaupt noch an Geld zu gelangen, dieses Schiedsverfahren in dieser Weise anstrengen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Dieses Schiedsverfahren richtet sich nicht gegen die OEW und nicht gegen die EnBW. Es richtet sich gegen den dama ligen Verkäufer EdF. Im Streit steht nicht der heutige Wert der EnBW und nicht ein Interesse der OEW, sondern im Streit steht die historische Bewertung des Unternehmens zum 6. De zember 2010. Das können wir mit Wirkung für mögliche Rückforderungen nur in dem Schiedsverfahren ermitteln, denn mit dem Schiedsverfahren haben sich beide Parteien allein dem Verfahren vor der Internationalen Handelskammer unter worfen. Es gibt keine andere Instanz, die irgendwie noch die Interessen der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bei dem Deal wahrnehmen könnte.

Deshalb war die Landesregierung aus ihrer Verantwortung für den Landeshaushalt, für die Bürgerinnen und Bürger des Lan des gezwungen, nach Ablehnung der Fristverlängerung durch die EdF dieses Verfahren anzustrengen. Schließlich geht es nach allem, was wir wissen, um erhebliche Summen. Auch da gilt wiederum: Es ist interessant, aufzuführen, was die Soci été Générale im Herbst gesagt hat. Es ist interessant, zu erfah ren, dass die OEW offensichtlich wie auch immer geartete Einschätzungen haben. Es ist interessant, aufzuführen, was die LBBW-Analysten zu einem bestimmten Zeitpunkt gesagt haben. Dies alles ist irrelevant für das Schiedsverfahren. Ent scheidend ist die Feststellung des historischen Wertes des Un ternehmens vor dem Schiedsgericht. Dazu bringen die Partei en Schiedsgutachten ein.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Welche Ar gumente haben Sie da? Sie haben doch gar keine Ar gumente! – Abg. Peter Hauk CDU meldet sich.)

Wir arbeiten an einem solchen; wir präzisieren unsere Forde rung, und es ist zu erwarten, dass die EdF diese Feststellung nicht akzeptieren wird, sondern eine eigene Ermittlung vor nehmen wird. Häufig kommt es in einem solchen Verfahren dann dazu, dass noch ein Obergutachter oder ein dritter Gut achter eingeschaltet wird, der dann den Wert ermittelt, der für den Ausgang des Verfahrens entscheidend ist

(Glocke des Präsidenten)

und der damit entscheidend dafür ist, ob eine unzulässige Bei hilfe im damaligen Kaufpreis enthalten ist oder nicht.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwi schenfrage des Kollegen Hauk?

Nein, ich möchte dies weiter erläutern.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Und dann schließen Sie mit der EdF einen Vergleich über die Höhe der Beihilfe, oder wie?)

Entscheidend ist, dass wir Anhaltspunkte dafür haben, dass der damalige, der historische Wert des Unternehmens deut lich niedriger liegt,

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Um 2 Mil liarden €? – Abg. Peter Hauk CDU: Um 40 %?)

als wir damals bezahlt haben. Die erste grobe Einschätzung, die nicht präzise sein konnte, weil wir unter dem Fristdruck standen, geht davon aus,

(Abg. Peter Hauk CDU: 24 €!)

dass es in der Summe 2 Milliarden € sind. Die Anhaltspunk te dafür sind, dass der Paketzuschlag in seiner Höhe und viel leicht auch dem Grunde nach gar nicht gerechtfertigt ist. Es gibt keine Kontrollmehrheit, die dadurch entstanden ist, son dern man ist unter der Schwelle von 50 % geblieben. Schließ lich gibt es rechtliche Risiken, die nicht in die damalige Kauf preisermittlung eingeflossen sind, rechtliche Risiken, auf die andere Analysten ebenfalls hingewiesen haben.

All dies führt dazu, dass es erhebliche Zweifel gibt, ja, dass es begründete Anhaltspunkte dafür gibt, dass damals deutlich zu viel gezahlt worden ist.

(Abg. Peter Hauk CDU: 2 Milliarden €?)

Nun ist es so wie in jedem zivilrechtlichen Verfahren: Man muss die Klage bis zum Ablauf der Frist einreichen, weil man sonst überhaupt keine Chance hat, irgendetwas zu erreichen. Das kennen Sie aus jedem noch so läppischen Zivilverfahren. Vielleicht waren Sie selbst schon einmal in der unglücklichen Situation, aufgrund irgendwelcher Streitigkeiten vor Gericht stehen zu müssen.

Zur Fristwahrung mussten wir eine Klage einreichen. Dabei mussten wir auch die Summe beziffern, die wir zurückfordern wollen. Auch das ist aus anderen Verfahren bekannt: Man kann die eingeforderte Summe nach Fristablauf nicht mehr erhöhen. Man kann nicht mehr draufsatteln; man kann sie nur noch reduzieren.

Deshalb war es wichtig, dass wir – durchaus auch mit einem gewissen Sicherheitszuschlag – diese erste grobe Forderung eingebracht haben. Denn sonst hätten wir in die fatale Situa tion kommen können, dass im Laufe des Verfahrens das von uns selbst in Auftrag gegebene Wertgutachten unter Umstän den zu dem Schluss kommt, dass eine höhere Rückforderung gerechtfertigt wäre als die Summe, die wir bei Einreichung der Klage als Forderung gestellt hatten. Damit hätten wir uns selbst ein Bein gestellt.

Deshalb ist es völlig logisch – auch das kennen alle, die schon einmal vor Gericht gestanden sind –, dass man mit einer For derung hineingeht, die einen solchen Puffer enthält. Denn wenn wir beispielsweise nur 1,5 Milliarden € oder sogar nur 1 Milliarde € gefordert hätten, wären wir womöglich in die Lage gekommen, wenige Monate oder ein halbes Jahr später zu dem Schluss kommen zu müssen, dass 2 Milliarden € viel leicht doch gerechtfertigt gewesen wären. Was für ein Ge schrei hätten Sie denn dann – in diesem Fall zu Recht – ver anstaltet, meine sehr verehrten Damen und Herren?

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Der nächste Punkt ist – auch dies ist im internationalen Wirt schaftsleben durchaus bekannt –, dass solche internationalen Schiedsgerichte in der Regel nicht nur von Richtern einer na tionalen Rechtsordnung besetzt sind. Das gilt insbesondere dann, wenn es um grenzüberschreitende Streitigkeiten geht; so wissen alle, die mitverfolgt haben, was in den letzten Jah ren lief, dass es hierbei eine deutsche und eine französische Seite gibt. Insofern wissen wir nicht, wie die Zusammenset zung des Schiedsgerichts ist.

In der Schiedsordnung ist festgelegt – auch das ist bei solchen Schiedsverfahren bekannt –, dass erst mit der Aktivierung des Schiedsverfahrens das Gericht überhaupt konstituiert wird. Dann werden Schiedsrichter ausgewählt, und es gibt eine ge wisse Wahrscheinlichkeit, dass Schiedsrichter unterschiedli cher Rechtsordnungen in dem Gericht vertreten sind.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Fußball ist aber ein schlechtes Beispiel!)

Jetzt ist für die Antragstellung, die wir beabsichtigen und die wir angekündigt, aber noch nicht vollzogen haben,

(Abg. Peter Hauk CDU: Natürlich! Das steht doch drin!)

das Entscheidende, dass wir diesen Umstand berücksichtigen. Mit der Klageeinreichung – auch das ist jedem bekannt, der schon einmal in einem Zivilverfahren unterwegs war; das Schiedsverfahren unterscheidet sich in diesem Punkt über haupt nicht von normalen Zivilverfahren in Deutschland – werden die Klageanträge angekündigt, aber noch nicht ge stellt. Vielmehr – auch das kennt man wiederum aus jedem Zivilverfahren – gibt es immer die Situation, dass ein münd licher Verhandlungstermin anberaumt wird. Das wird zu ge gebener Zeit auch vor dem internationalen Schiedsgericht der Fall sein.

Dann wird in dieser mündlichen Verhandlung die Rechtslage ausführlich erörtert. Dann fordert der Richter auf: „Meine sehr verehrten Damen und Herren, stellen Sie Ihre Anträge im Lichte der Erörterung der Rechtslage.“ Erst dann ist die Stun de der Wahrheit, und erst dann entscheidet sich, welcher Hauptantrag, welcher Hilfsantrag, welcher Antrag überhaupt gestellt wird. Es gibt auch Richter – auch das kennen wir aus zivilrechtlichen Verfahren –, die sagen: „Meine sehr verehr ten Damen und Herren, Sie schreiben auf Ihrem Briefkopf, Sie seien Anwälte. Dann machen Sie jetzt einmal einen or dentlichen Vergleich; denn wer eines Anwalts würdig ist, der geht jetzt in einen Vergleich.“ Auch das kennen Sie aus zivil rechtlichen Verfahren. Auch das ist vor einem Schiedsgericht ein normales Vorgehen.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Die Hilfsanträge wei sen halt auf eine gewisse Begründung hin! – Zuruf des Abg. Peter Hauk CDU)

All dies wissen wir nicht.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Auf was baut die Rückforderung auf?)

Aber jeder, der ein bisschen Ahnung davon hat, wie Prozesse ablaufen, weiß, dass das in groben Strukturen der Ablauf ei nes Verfahrens ist. Das Gleiche gilt für dieses Schiedsverfah ren.