Ich gehe davon aus, Frau Kollegin Sitzmann, dass Sie, wenn Sie diesen Vorschlag ernsthaft weiterverfolgen, eine Bauch landung hinlegen werden, und zwar, wie ich hoffe, bereits in der Koalition – da setzen wir auf die Vernunft und die Verfas sungstreue der SPD –, jedenfalls aber vor den Verfassungsge richten.
Wenn eine Frau zur Verfügung steht, sie aber – aus welchen Gründen auch immer – keine Mehrheit bei der Listenaufstel lung findet – weil sie nicht ins politische Konzept passt, weil sie vielleicht ansonsten Merkmale hat, die man nicht unbe dingt auf seiner Liste haben will –,
(Lachen bei den Grünen und bei der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Was für Merkmale bei Frau en sind das? – Ministerin Katrin Altpeter: In welchem Jahrhundert leben wir eigentlich?)
Nehmen Sie einmal an, eine Frau ist einschlägig vorbestraft. Auch bei Frauen kann dies vorkommen. Sie will kandidieren; die Partei lehnt diese Kandidatur ab.
Dann schlagen Sie Folgendes ernsthaft vor – ich zitiere Ihren Gutachter mit Erlaubnis des Präsidenten –:
Soweit kein Bewerber oder keine Bewerberin auf den Lis tenplatz gewählt wurde, ist es die unabdingbare Folge der Vorgabe der paritätischen Besetzung, dass auch ein Lis tenplatz des anderen Geschlechts wegfallen muss.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich dachte eigentlich, die wildesten Zeiten des Geschlechterkampfs seien vorbei. Aber Sie, Frau Kollegin Sitzmann – jedenfalls wenn ich es der Presse richtig entneh me –, gerieren sich als junge Alice Schwarzer des Landtags von Baden-Württemberg.
Lassen Sie uns argumentieren, lassen Sie uns geeignete Kan didatinnen und Kandidaten finden, lassen Sie den Wähler, die Wählerin entscheiden,
(Abg. Helen Heberer SPD meldet sich. – Abg. Helen Heberer SPD: Wortmeldung! – Zuruf des Abg. Wolf gang Drexler SPD)
... wollen Frauen stärker in den Fokus nehmen, auf die Liste bringen. Aber wir wollen echte Gemeinderätinnen und Kreisrätinnen und keine Quo tenfrauen.
Liebe Kolleginnen und Kol legen! Das waren jetzt interessante Aufschläge, die Sie ge macht haben. Das Angebot des Kollegen Goll, in einen Wett streit um die besten Vorschläge einzutreten, nehmen wir gern an. Aber wir müssen erst einmal schauen, wie die Situation heute ist.
Wenn wir uns den Frauenanteil in Gemeinderäten und in Kreistagen in Baden-Württemberg anschauen, stellen wir fest, dass lediglich 22 % der Gemeinderäte weiblich sind. Im Kreis tag sind es noch deutlich weniger; da sind es 16 %.
Wir stellen außerdem fest, dass in den letzten Jahren der An stieg des Frauenanteils in Richtung 50 % sehr gemächlich vo rankam. Von 1994 bis 2009 betrug der Anstieg im Schnitt ei nen Prozentpunkt pro Kommunalwahl. Wenn wir sagen, wir haben das Ziel „die Hälfte für die Frauen“ – immerhin sind 52 % der Wahlberechtigten in Baden-Württemberg weiblich –, und uns als Ziel 50 % setzen,
dann brauchten wir bis dahin nur noch 28 Kommunalwahlen. Da diese alle fünf Jahre stattfinden, brauchten wir noch ca. 140 Jahre, bis wir die Parität erreicht haben. Meine Damen und Herren, ich kann sagen: Uns ist das entschieden zu lang sam.
Wir müssen feststellen, dass in der Vergangenheit sämtliche Appelle, Mentoringprogramme, Seminare und was es da al les gegeben hat eben nicht dazu geführt haben, dass Frauen angemessen an der Politik beteiligt und angemessen repräsen tiert sind.
Wenn wir uns anschauen, woran es liegt, dann stellen wir fest: An uns Grünen liegt es nicht. Denn bei uns beträgt der Frau enanteil in den Gemeinderäten und den Kreistagen über 40 %.
Wodurch haben wir das erreicht? Durch Listen mit dem Reiß verschlussverfahren. Es hätte Ihnen allen, Ihnen von der FDP und auch Ihnen von der CDU, in den vergangenen 15 oder 20 Jahren selbstverständlich freigestanden,
einen ähnlichen Weg zu gehen – allein Sie haben es nicht ge tan. Das führt dann eben dazu, dass insbesondere der Anteil
der Gemeinderätinnen mit einem CDU- oder einem FDP-Par teibuch im Vergleich deutlich geringer ist als der entsprechen de Anteil bei den Grünen oder der SPD. Der Nachholbedarf, meine Damen und Herren,