Protocol of the Session on April 19, 2012

Herzlichen Dank. – Lie be Kolleginnen und Kollegen, die Mündlichen Anfragen un ter den Ziffern 4 und 5 können aus Zeitgründen von der Lan desregierung jetzt nicht mehr beantwortet werden. Die 30 Mi nuten, die zur Verfügung standen, sind vorbei. Wenn die Fra gesteller damit einverstanden sind, werden die Mündlichen Anfragen schriftlich beantwortet und die Antworten mit in das Sitzungsprotokoll aufgenommen.

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Einverstanden!)

Herzlichen Dank.

M ü n d l i c h e A n f r a g e d e s A b g. K l a u s H e r r m a n n C D U – Z u s ä t z l i c h e r S p i e l b a n k s t a n d o r t i n B a d e n - W ü r t t e m b e r g ; S u c h t p r ä v e n t i o n

a) Wie beurteilt die Landesregierung die von einem zusätzli

chen Spielbankstandort ausgehende Suchtgefahr?

b) Insbesondere welches Maßnahmenpaket ist zur Bekämp

fung der Spielsucht in diesem Zusammenhang vorgesehen?

Schriftliche Antwort des Innenministeriums

Zu a: Das Land ist verpflichtet, um Sucht zu verhindern und den natürlichen Spieltrieb zu kanalisieren, ein ausreichendes Glücksspielangebot sicherzustellen. Nur so können die Ziele des derzeit noch geltenden Staatsvertrags erreicht werden.

Zuverlässige Aussagen darüber, ob das Spielangebot einer Spielbank zu einer Verschärfung der Spielsuchtproblematik führen kann, sind mangels nachhaltiger wissenschaftlicher Untersuchungen nicht möglich. Nicht auszuschließen ist aber, dass Personen, die bislang keine Spielbank aufgesucht haben, nunmehr das Angebot nutzen werden. Aus diesem Grund wer den in die Entscheidung über die Zulassung einer weiteren Spielbank selbstverständlich auch die mit der Eröffnung ei nes solchen Betriebs verbundenen Suchtgefahren einbezogen.

Eine Studie der GfK GeoMarketing GmbH aus dem Jahr 2010 belegt, dass im nordbadischen Raum ein erhöhtes Spielerpo tenzial besteht und somit ein Bedürfnis nach legalem Glücks spiel – insbesondere nach Kasinospielen – vorliegt. Auswer tungen der Rezeptionsdatenbanken der Baden-Württembergi schen Spielbanken GmbH & Co. KG ergeben, dass nordbadi sche Mitbürgerinnen und Mitbürger kaum andere Spielbank standorte in Baden-Württemberg frequentieren.

Zu b: Eine Spielbank darf nur betrieben werden, wenn weder die öffentliche Sicherheit und Ordnung noch sonstige öffent liche Belange beeinträchtigt werden. Um dies zu gewährleis ten, sind bereits nach derzeitiger Gesetzeslage bei der Kon zessionierung strenge Anforderungen zu erfüllen. So sind u. a. Nachweise über die Zuverlässigkeit und fachliche Eignung des Antragstellers und der für die Leitung der Spielbank vor gesehenen Personen zu liefern. Bereits bei der Vergabe wird auf eine hohe Seriosität des Betreibers geachtet.

Auch im Betrieb sind bereits jetzt strenge Auflagen seitens des Betreibers einzuhalten. Der Betreiber hat dafür Sorge zu tra gen, dass nur Personen ab dem vollendeten 21. Lebensjahr Zugang während des Spielbetriebs erhalten. Der Zugang ist diesem Personenkreis nur zu gewähren, wenn davor ein Ab gleich mit der Spielersperrdatei erfolgt ist. Über den Zugang ist ein Besucherverzeichnis zu führen.

Es ist eine Spielordnung zu erstellen und für das Publikum deutlich sichtbar auszuhängen. Der Betreiber hat sein Perso nal regelmäßig zu schulen, um eigenständig Präventionsmaß nahmen durchführen zu können. Ferner liegen Sozialkonzep te vor, wie mit suchtgefährdeten Spielern umzugehen ist. Das jeweils bestehende Sozialkonzept wird durch die Aufsichts behörde geprüft.

Darüber hinaus sind sämtliche Spielbanken videoüberwacht und unterliegen einer strengen staatlichen Aufsicht.

Enge Regelungen liegen auch hinsichtlich der Gewinnab schöpfung vor. Ziel ist es, einen Großteil der erzielten Gewin ne der Staatskasse zur Verfügung zu stellen und damit die At traktivität des Betriebs einzuschränken, damit schon kein Be dürfnis beim Betreiber entsteht, durch aggressive Werbung oder Preispolitik einen zusätzlichen Anreiz zum Spiel zu schaf fen.

M ü n d l i c h e A n f r a g e d e s A b g. W i l f r i e d K l e n k C D U – U m s e t z u n g d e s F o n d s „ H e i m e r z i e h u n g i n d e r B u n d e s r e p u b l i k D e u t s c h l a n d “

a) Wie bewertet die Landesregierung Medienberichte, nach

denen die Beratungspraxis der regionalen Anlauf- und Be ratungsstellen, die zur Umsetzung der Ergebnisse des run den Tisches „Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren“ eingerichtet wurden, als katastrophal bezeichnet wird, weil die Beratungsstellen weder personell und räumlich noch von den Fondslösungen und von der Qualifikation der Mit arbeiter her hinreichend auf ihre Aufgabe vorbereitet sei en?

b) Wie stellt sich in Baden-Württemberg der konkrete Umset

zungsstand der Verwaltungsvereinbarung über die Errich tung, Finanzierung und Verwaltung des Fonds „Heimerzie hung in der Bundesrepublik Deutschland“ und des Projekts „Archivrecherchen und historische Aufarbeitung der Heim erziehung zwischen 1949 und 1975 in Baden-Württem berg“ dar?

Schriftliche Antwort des Ministeriums für Arbeit und So zialordnung, Familie, Frauen und Senioren

Zu a: Die Aussage der genannten Medienberichte trifft auf Ba den-Württemberg nicht zu.

Daten zur Beratung durch die Anlauf- und Beratungsstelle:

Die Anlauf- und Beratungsstelle in Baden-Württemberg ist derzeit an zwei Tagen in der Woche telefonisch erreichbar (dienstags von 9:30 Uhr bis 11:30 Uhr und donnerstags von 15:00 Uhr bis 18:00 Uhr). Weitere Kontaktzeiten und persön liche Termine mit Betroffenen finden nach Vereinbarung statt.

Aus dem Quartalsbericht der Anlauf- und Beratungsstelle zum ersten Quartal 2012 geht hervor, dass bis zum 31. März 2012

insgesamt 225 Anfragen an die Anlauf- und Beratungsstelle gerichtet wurden, davon waren 144 Erstberatungen und 81 Folgeberatungen. In wie vielen Fällen daraus Anträge auf Leistungen aus dem Fonds Heimerziehung resultieren wer den, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen.

In der Anfangsphase kommt es momentan naturgemäß zu ei ner großen Zahl von telefonischen und schriftlichen Anfra gen, die von der Anlauf- und Beratungsstelle abgearbeitet wer den müssen. Hinzu kommt, dass die Aktensuche im Einzel fall einen hohen Zeitaufwand aufseiten der Mitarbeiter der Anlauf- und Beratungsstelle erfordert. Zudem sind insbeson dere die Gespräche mit den Betroffenen sehr zeitaufwendig. Dem trägt das Sozialministerium durch die Aufstockung der Stellen der Anlauf- und Beratungsstelle Rechnung (siehe „Per sonelle Situation“).

Personelle Situation:

In der Vereinbarung über die Einrichtung einer regionalen An lauf- und Beratungsstelle für Betroffene zwischen dem Land Baden-Württemberg und dem KVJS vom 2. Januar 2012 wur de Folgendes festgelegt:

Folgende Arbeitskapazitäten werden vorgehalten: 50 Pro zent höherer Dienst der Besoldungsgruppe A 13 und 50 Prozent gehobener Dienst der Besoldungsgruppe A 10. Die Personalausstattung kann mit Zustimmung des Lan des erhöht oder verringert werden.

Anfang des Jahres wurde bereits die in der Vereinbarung vor gesehene 50-%-Stelle des gehobenen Dienstes mit Blick auf die hohen Anforderungen an die Qualität der Beratung mit Zu stimmung des Sozialministeriums in eine 50-%-Stelle des hö heren Dienstes umgewandelt. Zusätzlich wird die Anlauf- und Beratungsstelle wegen der hohen Anfragezahlen kurzfristig um eine volle Stelle des gehobenen Dienstes (befristet bis En de 2012) aufgestockt. Die Zustimmung hierzu wurde bereits Mitte März 2012 gegenüber dem KVJS erteilt. Das heißt, der Anlauf- und Beratungsstelle stehen zwei 50-%-Stellen des hö heren Dienstes und eine 100-%-Stelle des gehobenen Diens tes zur Verfügung.

Die zwei halben Stellen des höheren Dienstes sind besetzt mit einer Sozialpädagogin und einem Juristen, die sich mit gro ßem Engagement um die Belange der Betroffenen kümmern und sich dafür einsetzen, dass ehemaligen Heimkindern im Hinblick auf ihr erfahrenes Leid eine angemessene Behand lung und umfassende Beratung zuteilwerden. Das Sozialmi nisterium hat damit sowohl umgehend auf die hohen qualita tiven Anforderungen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Anlauf- und Beratungsstelle als auch auf die derzeit hohe Zahl der Anfragen reagiert.

Was die Weiter- und Fortbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Anlauf- und Beratungsstellen angeht, wird es regelmäßige Treffen der Anlauf- und Beratungsstellen der Länder zum Erfahrungsaustausch geben, an denen auch Ver treterinnen und Vertreter des Bundesamts für Familie und zi vilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) und des Bundesfami lienministeriums (BMFSFJ) teilnehmen. Ein solches erstes Treffen soll nun am 14. Mai 2012 in Mainz stattfinden. Bei de Mitarbeiter der baden-württembergischen Anlauf- und Be ratungsstelle werden daran teilnehmen.

Räumliche Situation:

Die Anlauf- und Beratungsstelle hat ihren Sitz am Feuersee platz 5 in 70176 Stuttgart. Sie ist damit räumlich getrennt vom KVJS-Landesjugendamt, wie dies auch insbesondere von Be troffenenvertreterinnen und -vertretern angeregt wurde. Nach Auskunft der Anlauf- und Beratungsstelle findet die Tatsache, dass es sich bei den barrierefreien Räumlichkeiten nicht um eine Behörde, sondern um ein normales Geschäftshaus han delt, große Wertschätzung bei den Betroffenen. Ebenso wer den auch die zentrale Lage und die gute Erreichbarkeit gelobt.

Zu b:

Umsetzungsstand der Verwaltungsvereinbarung:

Die Vereinbarung über die Errichtung, Finanzierung und Ver waltung des Fonds „Heimerziehung in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1949 bis 1975“ wurde inzwischen von allen beteiligten Ländern unterzeichnet. Gemäß der ge nannten Vereinbarung sollen aus dem bundesweiten Fonds „Heimerziehung in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1949 bis 1975“ in der Verwaltung des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) bis 2016 insbesondere Hilfen entsprechend den Empfehlungen des runden Tisches erbracht werden für

die Minderung von Rentenansprüchen aufgrund nicht ge

zahlter Sozialversicherungsbeiträge („Rentenersatzfonds“) – nach Auffassung des Runden Tisches sind daraus resul tierende Leistungen nach den Regeln der Sozialversiche rung zu klären; maßgebend müsse sein, ob die damalige Arbeit nach heutigem Verständnis sozialversicherungs pflichtig gewesen wäre –

sowie

Folgeschäden und besonderen Hilfebedarf aufgrund von

Erfahrungen und Schädigungen durch Heimerziehung („Fonds für Folgeschäden aus Heimerziehung“). Als finan zielle Maßnahmen zugunsten einzelner Betroffener wer den hierbei u. a. therapeutische Hilfen, Kosten von Ver wandtenbesuchen, Akteneinsicht, Fahrtkosten zur damali gen Einrichtung sowie Unterstützung bei Ämtergängen und -kontakten genannt.

Projekt „Archivrecherchen und historische Aufarbeitung der Heimerziehung zwischen 1949 und 1975 in Baden-Württem berg“:

Die Landesregierung wurde vom Landtag im Rahmen des Be schlusses zu Petitionen von Heimkindern um Prüfung gebe ten, ob die Sicherung noch vorhandener Akten aus der dama ligen Zeit an einer zentralen Stelle, z. B. dem Hauptstaatsar chiv, erfolgen kann. Der Landtag hält auch eine wissenschaft liche Aufarbeitung der tatsächlichen, rechtlichen und struktu rellen Verhältnisse in den Heimen für die Zeit der Fünfziger-, Sechziger- und Siebzigerjahre für angebracht und sinnvoll.

Das Landesarchiv Baden-Württemberg hat mittlerweile in sei nem Zuständigkeitsbereich Unterlagen zum Thema „Heim erziehung/-unterbringung“ von verschiedenen Stellen über nommen und hierüber Findbücher erstellt. Eine Zentralisie rung dieser Unterlagen des Landesarchivs an einem Ort ist nach Mitteilung des Landesarchivs aus archivfachlichen Grün

den („Provenienzprinzip“) jedoch nicht sinnvoll und aufgrund der im Organisationsstatut geregelten Zuständigkeiten der ein zelnen Archivabteilungen des Landesarchivs auch nicht mög lich. Zudem können nach Angaben des Landesarchivs auch nicht alle Einrichtungen im Land wie kommunale oder kirch liche Träger aufgefordert werden, einschlägige Unterlagen an das Landesarchiv abzugeben. Denn gemäß dem Landesarchiv gesetz sind für die Überlieferung im kommunalen und kirch lichen Bereich andere Archive zuständig.

Um den ehemaligen Heimkindern dennoch eine qualifizierte Unterstützung bei ihrer Aktenrecherche zu bieten, wird beim Landesarchiv Baden-Württemberg das Projekt „Archivrecher chen und historische Aufarbeitung der Heimerziehung zwi schen 1949 und 1975 in Baden-Württemberg“ durchgeführt. Hierfür wurde beim Landesarchiv für zwei bis maximal drei Jahre (2012 und 2013 mit einjähriger Verlängerungsmöglich keit) zunächst eine halbe Projektstelle für einen wissenschaft lichen Archivar (Entgeltgruppe 13 TV-L) eingerichtet. Vor rangige Aufgabe des Archivars wird dabei die Unterstützung ehemaliger Heimkinder bei der Archivrecherche sein.

Zudem soll eine Übersicht einschlägiger Archivbestände u. a. in staatlichen, kommunalen und kirchlichen Archiven erstellt werden, um einen schnellen Zugang zu möglicherweise noch vorhandenen Akten zu gewähren.