Protocol of the Session on April 18, 2012

(Abg. Martin Rivoir SPD: Besser als wenn die Köp fe leer sind!)

Nirgends lässt sich etwas von Substanz finden, weder was die schulorganisatorischen Fragen angeht, noch was die finanzi ellen Konsequenzen für die Kommunen angeht. Gerade dies war ein wesentlicher Kritikpunkt der kommunalen Landes verbände.

Es stimmt einfach nicht, was Sie behaupten, nämlich dass Sie sich im Gegensatz zur Politik des damaligen, CDU-geführten Kultusministeriums eine liberalere Schulpolitik erlauben wür den. Das zeigt sich inzwischen in Ihrem Regierungshandeln ganz deutlich. Ich habe auch ein Beispiel dafür.

Die Gemeinde Weil im Schönbuch hat am 19. Januar dieses Jahres bei der Landesregierung einen Antrag auf Einrichtung eines Schulversuchs gestellt. Wesentlicher Inhalt dieses Schul versuchs sollte sein, längeres gemeinsames Lernen durch ei ne Orientierungsstufe in Klasse 5 und Klasse 6 auf Basis des Realschullehrplans durchzuführen. Anschließend sollten die Schüler in e i n e r Schule mit e i n e m Lehrerkollegi um in möglichst vielen gemeinsamen Lerngruppen nach ih ren Fähigkeiten den Hauptschulabschluss, den Werkrealschul abschluss und den Realschulabschluss erreichen können.

Dem Antrag beigefügt war ein detailliert ausgearbeitetes Kon zept, das im Gemeinderat, in der Schulkonferenz, in der Leh rerkonferenz und unter Beteiligung der Elternvertretungen einstimmig beschlossen worden war und mit den Nachbarge meinden ebenfalls abgestimmt wurde.

Was antwortete nun die Kultusministerin am 26. März 2012? Ich erlaube mir, aus dem Brief zu zitieren:

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,...

nach Prüfung des Antrags muss ich Ihnen leider mittei len, dass die Einrichtung eines Schulversuchs nach § 22 Schulgesetz hier nicht genehmigt werden kann.

Weiter unten heißt es:

Aus den vorgelegten Folien geht jedoch auf eindrückli che Weise hervor, wie groß die Bereitschaft von Schullei tung und Lehrkräften der Grund- und Werkrealschule Weil im Schönbuch ist, Schülerinnen und Schüler nach ih ren individuellen Voraussetzungen zu fördern.

Darüber hinaus ist den Unterlagen zu entnehmen, dass sowohl genügend Fachräume an der Schule vorhanden sind, als auch eine Ganztagsschule mit Mensabetrieb ein gerichtet wurde. Damit wären weitere Voraussetzungen zur Einrichtung einer Gemeinschaftsschule gegeben.

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Aha!)

Der beantragte Schulversuch enthält Elemente aus der pädagogischen Konzeption der Gemeinschaftsschule, wä re jedoch nur eine Zwischenlösung auf dem Weg dorthin. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass bei den aktuellen bildungspolitischen Zielen Schulversuche, die nicht dem Anspruch einer flächendeckenden Einführung genügen, nicht genehmigt werden können.

(Unruhe)

Jetzt kommt der letzte Satz:

Ich würde mich sehr freuen, wenn sich Schulträger und Schule der Gemeinde Weil im Schönbuch dem Gedanken an eine Gemeinschaftsschule nähern könnten.

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Aha!)

Mit freundlichen Grüßen

Gabriele Warminski-Leitheußer

(Abg. Georg Wacker CDU: Schön geschrieben! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Immer freundlich!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist der Beweis: Sie gän geln! Sie schreiben vor! Was Ihnen nicht ins Konzept passt, das erlauben Sie nicht! Das ist Ihre angeblich freie Schulpo litik. Hören Sie doch mit diesem Etikettenschwindel auf! Sie betreiben eine Schulpolitik, die an Dirigismus sogar noch das in den Schatten stellt, was Sie selbst einst bei Ihren konserva tiven Amtsvorgängern kritisiert haben.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Was die Menschen in unserem Land brauchen, ist eine echte Gestaltungsfreiheit der für das Schulleben vor Ort Verantwort lichen. Diesem Ziel wird Grün-Rot mit der Einführung der Gemeinschaftsschule gerade nicht gerecht, da diese Schulart pädagogisch und schulorganisatorisch nur als Gesamtpaket

übernommen oder abgelehnt werden kann. Eine Kooperation von Gemeinschaftsschulen mit bislang bestehenden Schular ten schließt der Gesetzentwurf sogar grundsätzlich aus.

Aus diesem Grund bringt die FDP/DVP-Fraktion den vorlie genden Entschließungsantrag ein, der die Landesregierung er sucht, die Voraussetzungen für diese dringend benötigte Ge staltungsfreiheit zu schaffen und alle Anträge der Schulträger auf Kooperation von unterschiedlichen Schularten grundsätz lich zu genehmigen, unabhängig davon, ob eine Gemein schaftsschule oder eine nach Leistungsniveau bzw. nach Bil dungsgängen differenzierende Schulorganisation oder Päda gogik angestrebt wird. Stimmt der Landtag für diesen Antrag, wäre zumindest der Weg frei für eine Bildungspolitik von un ten, die diese Bezeichnung auch tatsächlich verdient.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin für Kultus, Jugend und Sport Warminski-Leitheu ßer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Da men und Herren! Nach so viel Emotion – das Dach hat auch schon gewackelt –, Herr Abg. Dr. Kern, kehren wir vielleicht einmal wieder zu den Fakten zurück.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Herr Dr. Kern, wenn Sie hier den Schulkampf – einen angeb lichen Schulkampf – beschwören, dann liegt das – bei aller Wertschätzung – wirklich neben der Sache. Fakt ist: Die El tern stimmen mit den Füßen ab, sind mit großer Begeisterung bei der Gemeinschaftsschule dabei. Gedanken, die wirklich gut sind, lassen sich auch nicht totbekommen. Das sieht man daran.

An Sie gerichtet, meine Damen und Herren von der CDU, sa ge ich: Während Sie in schwarz-weißen Zeitungsannoncen an kündigen, dass Sie jetzt neu denken, geben wir bereits die Ant worten auf dringende bildungspolitische Fragen. Während Sie die Menschen mit farblosen Druckerzeugnissen langweilen, lassen wir in Baden-Württemberg Farbe zu.

(Abg. Georg Wacker CDU: Aber nur Rot und Grün lassen Sie zu!)

Ich sage Ihnen eines: Die Bildungslandschaft in Baden-Würt temberg ist bunt. Das, was sich jetzt entwickelt, ist das Ergeb nis eines Denkprozesses,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Kunterbunt!)

der nicht erst unter Grün-Rot, sondern schon viel früher an gefangen hat. Sie hätten die Chance gehabt, diese Entwick lung zuzulassen; wir tun das jetzt. Man sieht, was passiert.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Georg Wacker CDU: Ja, genau! Man sieht, was passiert!)

Ja, es passiert nämlich etwas. Es gibt nämlich plötzlich Be geisterung in den Städten und Kommunen.

(Abg. Winfried Mack CDU: Stimmung ist da, nicht Begeisterung!)

Mit einem haben Sie recht. Sie haben gerade Peter Fratton zi tiert. Natürlich hat er recht, wenn er sagt: So eine neue gute Schule muss im ganzen Ort mit großer Begeisterung getragen werden. Das sagt übrigens auch Frau Professor Dr. Rita Süss muth immer. Selbstverständlich ist das so. Wenn ich denn vor Ort tatsächlich eine gute Bildungslandschaft will, dann muss ich begeistert sein. In den Kommunen gehen alle Parteien – alle Parteien! – mit großer Begeisterung an die Arbeit.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wie sind denn jetzt die Fakten? Die Anmeldezahlen für die Gemeinschaftsschulen liegen vor. Es haben sich 1 880 Schü lerinnen und Schüler für die Starterschulen angemeldet. 28 Starterschulen werden voraussichtlich zweizügig, neun drei zügig und zwei vierzügig sein. Es wird allerhöchstens eine da bei sein, die nur einzügig ist. Damit übertreffen die allermeis ten Schulen die Prognosen, die wir, das Kultusministerium, angestellt haben, deutlich.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Daran sehen Sie: Wenn die Menschen ein überzeugendes An gebot vor Ort haben, dann nehmen sie dieses Angebot auch wahr. Deutlicher kann man es nicht machen. Die Schulleitun gen sind begeistert. Sie haben mit ihrem Konzept für Vertrau en geworben und haben dieses Vertrauen bekommen. Diese Anmeldezahlen können Sie nicht kleinreden; sie sind da.

(Abg. Georg Wacker CDU: Zahlen kann man ja nicht anschreien!)

Nein, aber Sie können sie analysieren. Sie werden feststel len, dass die Eltern sehr genau abwägen,

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Darüber, was los ist, reden wir in zwei Jahren einmal!)

welche Schule sie für ihre Kinder wählen. Die Begeisterung der Pädagoginnen und Pädagogen vor Ort, übrigens auch die der Kommunalpolitiker, ist offensichtlich ansteckend und er zeugt Vertrauen. Wir wissen übrigens auch – dazu liegen uns zumindest die ersten Einschätzungen vor –, dass beileibe nicht nur Kinder mit Werkrealschulempfehlung auf diese Starter schulen gehen werden, sondern auch nicht wenige mit Real schul- oder Gymnasialempfehlung. Wir werden sehen, dass die Attraktivität dieser Schulen in den nächsten Wochen und Monaten noch zunimmt, wenn man erst einmal sieht, wie kon kret sie die Schullandschaft auch vor Ort verändern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, ich lade Sie noch einmal ausdrücklich ein, zu einer Versach lichung der Debatte zu kommen.

(Zuruf des Abg. Dieter Hillebrand CDU)

Denn Sie sehen doch, dass die Schulform angenommen wird und dass die Eltern den Pädagoginnen und Pädagogen in die sem Land vertrauen. Dann lassen Sie uns doch darüber nach denken, wie wir nachhaltige Antworten auf die Fragen geben,