Protocol of the Session on March 14, 2012

Dafür hat er auch aus den eigenen Reihen Prügel bezogen.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Jetzt ist er wieder im sozialdemokratischen Fahrwasser. Das Fax, mit dem Schlecker beim Amtsgericht Ulm Insolvenz be antragt hatte, lag noch nicht auf dem Tisch des Insolvenzrich ters, schon stellte der Minister dem Unternehmen staatliche Finanzhilfen in Aussicht.

Eine der größten Drogerieketten des Landes ist pleite. Schle cker macht mit 17 000 Filialen in Europa über 6 Milliarden € Umsatz im Jahr und beschäftigt 30 000 Menschen in Deutsch land.

Eine Insolvenz ist in der sozialen Marktwirtschaft nichts Au ßergewöhnliches. Im letzten Jahr gab es fast 2 300 Unterneh mensinsolvenzen. 15 000 Arbeitsplätze waren dadurch be droht. Vorgestern traf es den Druckdienstleister Drescher mit 500 Mitarbeitern.

Sonderlich bewegt hat das den Minister nicht. Bei den Klei nen kommt der Gerichtsvollzieher, bei den Großen ein SPDMinister. Da lohnt sich die mediale Bühne für die eigene Po litik.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Sehr zö gerlicher Applaus! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ja was wollen Sie jetzt?)

Durch die Pleite von Schlecker müssen 12 000 Menschen um ihren Arbeitsplatz fürchten. Das ist für alle ein schwerer Schick salsschlag und wegen der großen Zahl auch ein gesellschaft liches Problem. Wir, die CDU, wollen diesen Menschen hel fen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von der SPD: Da sind wir einmal gespannt!)

Aber eine Einmischung der Politik in einer frühen Phase ei nes Insolvenzverfahrens ist kein Garant für gute Ideen und gu te Lösungen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf von der CDU: Genau! So ist es! – Abg. Wolfgang Drex ler SPD: Was wollen Sie?)

Das war bei Babcock Borsig so, als sich SPD-Ministerpräsi dent Wolfgang Clement in die Nesseln setzte, und das war so, als sich der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder bei Holzmann als Retter aufspielte und sich mit „Gerhard! Ger hard!“-Rufen von der Belegschaft feiern ließ.

(Zurufe von der SPD und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Zwei Jahre später waren alle 25 000 Holzmann-Mitarbeiter arbeitslos.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Man sollte meinen, die SPD hätte daraus gelernt.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Was wollen Sie denn jetzt?)

Das hat sie aber nicht.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Erst wedelt Minister Schmid mit einem ungedeckten Landes scheck, dann verspricht er Schlecker eine Bürgschaft über 70 Millionen € für eine Transfergesellschaft und macht dicke Backen: „Der Bund steht in der Pflicht.“

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ja, natürlich! Wer sonst?)

Die Abfuhr aus Berlin kam prompt. Die KfW ließ ihn wissen, Schlecker erfülle die Kriterien nicht,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Wie immer!)

und belehrte den Minister, Baden-Württemberg müsse die Fi nanzierungsfragen zwischen den Bundesländern selbst regeln.

Herr Minister, hören Sie auf, dem Bund die Schuld in die Schuhe zu schieben. Nerven Sie nicht mit Pressemitteilungen darüber, dass Sie mit der nicht zuständigen Frau von der Leyen reden wollen, und hören Sie auf zu jammern. Es könn te der Eindruck entstehen, dass Sie als Doppelminister über fordert sind.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Wolf gang Drexler SPD: Was wollen Sie?)

Prüfen Sie, ob Sie mit einer Landesbürgschaft in Vorleistung gehen können, und klären Sie die Rechtsfrage mit dem Bund hinterher.

(Lachen des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Schlecker könnte beispielsweise seine Auslandsgesellschaf ten, die nicht von der Insolvenz bedroht sind, als Sicherheit hinterlegen. Rufen Sie den Finanz- und Wirtschaftsausschuss zusammen, um kreative Lösungen zu entwickeln.

Jetzt haben Sie einen ziemlichen Scherbenhaufen angerichtet.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Was?)

Wird die Rettung eines Unternehmens von politischen Eitel keiten bestimmt und sind die Interessen der von der Arbeits losigkeit bedrohten Menschen, um die es eigentlich geht, eher nachrangig, ist Scheitern vorprogrammiert. Wenn es um die Beschäftigten geht, Herr Minister, steht die CDU an Ihrer Sei te.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Aha!)

Wenn es um das Unternehmen Schlecker geht, regelt das der Markt.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Was jetzt?)

Der Inhaber Anton Schlecker muss für sein Unternehmen erst einmal selbst geradestehen. Das erwarten wir von jedem Mit telständler, das erwarten wir von Anton Schlecker.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Wer bestreitet das denn?)

Anton Schlecker wird in den einschlägigen Listen als Milli ardär geführt und soll zu den 100 reichsten Deutschen gehö ren. Sein Unternehmen führt er als eingetragener Kaufmann. Damit haftet er mit seinem gesamten Vermögen für alle Ver bindlichkeiten.

Wir kennen das Vermögen der Familie Schlecker nicht; es muss im Insolvenzverfahren offengelegt werden, bevor der Steuerzahler in Vorleistung tritt. Wegen der wettbewerblichen Chancengleichheit und wegen des europäischen Beihilfever bots verbieten sich staatliche Hilfen.

Schlecker spricht von einer geplanten Insolvenz und behaup tet, die Geschäftsführung bleibe im Amt, und der Insolvenz verwalter werde begleitend tätig. Schlecker will also in eine Planinsolvenz in Eigenverantwortung.

Bei einer Planinsolvenz muss das Unternehmen ein Sanie rungskonzept vorlegen, mit dem es entschuldet werden soll. Der Insolvenzverwalter kann im Planverfahren das Unterneh men durch Sonderkündigungsrechte entlasten und sich von langfristigen Miet- und Lieferverträgen, aber auch von Ar beits- und Tarifverträgen trennen. Ein solches Verfahren macht nur dann Sinn, wenn der Inhaber nicht Teil des Problems ist. Sonst wird der Bock zum Gärtner: Die Familie Schlecker bleibt Eigentümerin, behält die Rosinen, lässt die Gläubiger bluten und belastet den Steuerzahler.

Schlecker hat auf diese letzte Karte gesetzt und seinen Insol venzantrag kurz vor Inkrafttreten des neuen Insolvenzrechts gestellt. Das neue Insolvenzrecht, das seit dem 1. März gilt, macht die Sanierung von Unternehmen einfacher. Die Gläu biger – dazu gehören auch die Mitarbeiter – haben mehr Macht und können ihre Forderungen in Gesellschaftsanteile umwandeln. So lässt sich das Unternehmen auch im Interes se der Mitarbeiter leichter sanieren. Dem ist Schlecker zuvor gekommen.

Gebetsmühlenartig predigt der Minister, eine Transfergesell schaft sei der Stein der Weisen. Gestern äußerte der Insolvenz verwalter Zweifel, ob er eine solche Gesellschaft für einen Sa nierungsplan überhaupt braucht. Herr Minister, sanieren Sie nicht am Insolvenzverwalter vorbei!

Ich teile seine Zweifel. Von einer Transfergesellschaft erhal ten die Mitarbeiter längstens für ein Jahr strukturelles Kurz arbeitergeld in Höhe von 67 % ihres letzten Gehalts. Sie sind „scheinbeschäftigt“, und wenn sie nach zwölf Monaten noch nicht vermittelt sind, werden sie in die Arbeitslosigkeit ent lassen. Ob Transfergesellschaften besser vermitteln als unse re Arbeitsagenturen, vermag niemand zu sagen. Für die Mit arbeiter verdoppelt sich die Frist, bis Hartz IV droht. Das ist ihr einziger Vorteil.

Im Gegenzug verkaufen sie ihren Kündigungsschutz und mög liche Abfindungen. Gewinner ist Schlecker, denn ein Trans fersozialplan spart Geld. Gewinner sind auch die Transferge sellschaften, deren Gesellschafter wir nicht einmal kennen. Sie lassen sich ohne jedes Risiko aus öffentlichen Töpfen fi nanzieren.

Ein Insolvenzverfahren läuft in Gläubigerautonomie unter der Moderation des Insolvenzgerichts ab. Dem Staat selbst ist zu nächst außer der Rolle als Zahler des Insolvenzgelds keine Rolle zugewiesen. Daher kommt die Zusage des Finanz- und Wirtschaftsministers, dem Unternehmen finanziell unter die Arme zu greifen, zur Unzeit und ist offenbar noch gar nicht erforderlich.

Wer den Schutz der Beschäftigten von Schlecker will, muss viele Handlungsmöglichkeiten ausloten; sie reichen von einer Übertragung des Unternehmens auf einen Konkurrenten bis hin zu einer genossenschaftlichen Lösung. Klar, es wird nicht ohne „Fresh Money“ gehen. Irgendwer muss diese Zeche be zahlen. Aber auch die Gläubiger müssen auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. So sind die Spielregeln.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Was wollen Sie?)

Herr Minister, es war ein handwerklicher Fehler, gleich nach der großen Lösung mit einem Millionenkredit der KfW zu we deln. Sicherlich ist eine der möglichen Optionen, dass am En de des Verfahrens ein großer Kredit und mehrere große Lan desbürgschaften der Bundesländer stehen. Bei den Verhand lungen können Sie auf die CDU zählen. Bevor aber tatsäch lich Sanierungskonzepte vorliegen, soll die Politik es unter lassen, mit Krediten und Bürgschaften das Verfahren lenken zu wollen.

Wichtig ist uns die Erhaltung der Arbeitsplätze; wichtig ist aber auch der Schutz der Konkurrenten vor staatlichen Sub ventionen für einen einzelnen Anbieter. Für alle Beteiligten muss am Ende des Verfahrens eine tragfähige Lösung im Mit telpunkt stehen. Das darf nicht ein kurzfristiger, am Ende teu er erkaufter politischer Erfolg sein.

Ein frühzeitiger Hinweis der Politik, dass der Staat es nicht für ausgeschlossen hält, den Schlussbaustein für eine gelun gene Sanierung des Unternehmens zu setzen, ist sicherlich nicht falsch. Das tragen wir, die CDU-Fraktion, auch mit. Sich jetzt bei Schlecker in die Belange der Gläubiger, der Arbeit nehmer und des Insolvenzverwalters einzumischen und wert volle Zeit der Verfahrensbeteiligten zu vergeuden ist falsch und kontraproduktiv. Nicht Abstimmungsrunden mit Beam ten der Ministerien und mit Politikern sind jetzt das Maß und das Mittel,...