Protocol of the Session on February 15, 2012

Wir werden, ganz konkret beginnend im Haushalt bei den Bür gerinnen und Bürgern, noch in vielen Bereichen der Abfall wirtschaft gemeinsam erhebliche Anstrengungen unterneh men müssen. Beispielsweise werden wir nach der neuen EURichtlinie über die Entsorgung von Elektro- und Elektronik geräten in wenigen Jahren die zweieinhalbfache Menge an Elektroschrott von den Haushalten einsammeln müssen. Das ist gut so und richtig. Hier wird Abfall letztendlich konkret zur Ressource. Das ist auch bereits in den einzelnen Beiträ gen meiner Vorredner angeklungen.

In der Wirtschaft hat man im täglichen Betrieb bereits klar er kannt, dass und wie man mit Abfällen prächtig Geld sparen, aber auch prächtig Geld verdienen kann. Auch wenn der Marktpreis schwankt, können z. B. mit einer Tonne Altpapier heute zwischen 40 und 120 €, mit sortenreinem PET rund 400 bis 800 € je Tonne verdient werden. In unserem Müll steckt also jede Menge Geld, man kann auch sagen: Gold.

Ein praktisches Beispiel dazu: Nehmen Sie eine Tonne Han dys, die heute gesammelt werden. Darin sind rund 250 g Gold enthalten. Wenn Sie das umrechnen, dann stellen Sie fest, dass Sie auf die sagenhafte Summe von 10 000 € kommen. Außer dem sind darin Silber und sogenannte seltene Erden enthal ten.

Damit wissen Sie auch, warum in Deutschland und in ande ren europäischen Ländern heutzutage Handys gesammelt wer den. Sie werden allerdings nicht bei uns verwertet, sondern gehen per Container wieder zurück nach China, nach Taiwan, nach Südkorea. In den ostasiatischen Ländern werden diese mittlerweile noch auf Halde gelegt. Aber ich gehe davon aus: In wenigen Jahren wird man dort das bereits zitierte Urban Mining betreiben. Die Aufgabe von uns – in Europa, auch hier in Deutschland – wird es sein, diese Ströme nicht auslaufen zu lassen, sondern in den kommenden Jahren selbst Strategi en zu entwickeln,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Wertstoffstra tegie!)

um diese Ströme und diese Wertstoffe in Deutschland oder auch in Baden-Württemberg nutzen zu können.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Abfall, meine Damen und Herren, ist lohnend geworden. Das macht deutlich, warum der Kampf um den Abfall durch einen Teil der privaten Entsorgungswirtschaft insbesondere im ver gangenen Jahr geradezu verbissene Züge – so kann man sa gen – angenommen hat.

Gegen uns läuft – das ist vorhin schon angeklungen – auch ei ne Beschwerde in Brüssel. Sie lief zunächst bei der GD Um welt, mittlerweile läuft sie bei der GD Wettbewerb. Sie läuft übrigens nicht erst seit dem vergangenen Jahr, sondern bereits seit zwei Jahren, und zwar im Zusammenhang mit der soge nannten Autarkieverordnung, die es in Baden-Württemberg seit Ende der Neunzigerjahre gibt. Diese Verordnung besagt im Kern, dass wir unsere entsorgungspflichtigen Körperschaf ten verpflichten, ihre Abfälle den hochwertigen Abfallbehand lungsanlagen in Baden-Württemberg anzudienen.

Das hat mehrere Vorteile: Zum einen konnten wir hier über Jahre hinweg die hohe Qualität der Entsorgungsinfrastruktur gewährleisten. Zum Zweiten waren diese Anlagen auch aus gelastet. Wir hatten auch keine Überkapazitäten. Drittens führt das dazu – das ist vorhin schon erwähnt worden –, dass wir in diesem Land im Vergleich zu anderen Bundesländern trotz dem niedrige Entsorgungsgebühren haben.

Die Situation ist mittlerweile die, dass wir in anderen Teilen der Bundesrepublik über Überkapazitäten reden. In Nord deutschland, in Westdeutschland, aber auch in Ostdeutschland gibt es Überkapazitäten. Was machen manche Herrschaften der privaten Wirtschaft? Sie gehen nach Brüssel, um zu se hen, wie sie Zugriff auf die Abfälle von elf Millionen Einwoh nern bekommen, die eigentlich über die Jahre hinweg, und zwar im Konsens aller Fraktionen – das muss ich hier auch einmal deutlich sagen –, eine, wie ich finde, sehr vernünftige Entsorgungsstruktur aufgebaut haben.

Ich kann Sie nur bitten, mich in dieser Auseinandersetzung mit der EU-Kommission in Brüssel zu stützen und zu unter stützen. Dabei geht es im Kern um die Autarkieverordnung, die sowohl im Hinblick auf eine hohe Qualität unserer Ent sorgung als auch im Hinblick auf die Sicherung niedriger Ge bühren Sinn macht.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ich habe in Brüssel bereits Gespräche mit Abgeordneten aller vier Fraktionen des Europäischen Parlaments geführt. Ich ha be dort für unsere Position geworben und habe den Eindruck, dass das auch verstanden wird. Aber noch einmal: Ich möch te auch an Sie von den Fraktionen appellieren, mich in die sem Kurs zu unterstützen, damit wir hier an dieser sinnvollen Lösung, die vor Jahren gefunden wurde, festhalten können.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Zurück zu dem, was schon in den verschiedenen Reden ange sprochen wurde, nämlich zu der Auseinandersetzung über das Kreislaufwirtschaftsgesetz und zu dem langen Weg, den der Arbeitsentwurf genommen hat und auch durch den Vermitt lungsausschuss nehmen musste. Seien Sie mir nicht böse, lie be Kolleginnen und Kollegen von der FDP: Ich finde, wir von den Fraktionen haben da allesamt, wie wir hier sind, unter Ih nen gelitten. Auch die CDU-Kollegen haben, was ich so hö re, in Berlin erheblich

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Aber nicht unter der Landtagsfraktion gelitten!)

unter Ihnen und Ihrer Verweigerungshaltung, auch im Vermitt lungsausschuss, gelitten. Schauen wir uns einmal an, was Sie da vorhatten. Im Grunde ging es darum, der privaten Entsor

gungswirtschaft hier einen Markt von Wertstoffen zu öffnen. Was wäre die Folge gewesen? Die Gebühren wären letztlich gestiegen,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: So ist es!)

weil die Abfallbehandlungsanlagen ihre Kosten durch Gebüh ren und den Erträgen aus den Wertstoffen nicht mehr hätten decken können. Die Bürgerinnen und Bürger hätten daheim weiter getrennt gesammelt. Das Sammelergebnis wäre in die Hände der privaten Wirtschaft geflossen. Die Folge davon wä re letztlich gewesen, dass die entsorgungspflichtigen Körper schaften gezwungen gewesen wären, die Gebühren anzuhe ben. Das wäre die Folge gewesen.

Ich sage einmal ganz selbstbewusst: Es ist uns in Baden-Würt temberg mit zu verdanken, dass dieses Ergebnis im Vermitt lungsausschuss so zustande gekommen ist. Wir hatten zum Schluss die Verhandlungsführerschaft unter den A-Ländern. Jetzt wurde die Lösung gefunden, dass es nicht mehr um ei ne Gleichwertigkeit der unterschiedlichen Sammelsysteme geht – so, wie es ursprünglich im Entwurf stand –; vielmehr muss jetzt ein wesentlich leistungsfähigeres System nachge wiesen werden, bevor ein Privater zum Zuge kommen kann. Ich glaube, dass wir ein sehr gutes Ergebnis gefunden haben, das den entsorgungspflichtigen Körperschaften hier im Land und in Deutschland weiterhin eine gute Position sichert.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine Damen und Herren, ich habe mich von Anfang an un eingeschränkt für die Beibehaltung einer kommunalfreundli chen Gestaltung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes eingesetzt. Ich bin sehr froh über dieses Ergebnis, wie es sich jetzt dar stellt. Ich glaube, dieses Ergebnis liegt auch im Sinne der Bür gerinnen und Bürger. Wenn sie sich zu Hause schon der Mü he unterwerfen, Abfälle zu trennen, dann sollten sie in Form niedriger Gebühren auch den Erfolg dieser Trennaktivitäten einfahren können.

Ich möchte noch einen weiteren Punkt ansprechen. In der kommenden Auseinandersetzung um die Frage der Einfüh rung der Wertstofftonne wird diese Diskussion weitergehen. Dabei werden wir darüber diskutieren, wer zukünftig Zugriff auf die Wertstoffe hat, ob das weiterhin die kommunale Ebe ne sein wird oder ob die private Abfallwirtschaft den Zugriff auf diese, wie ich finde, wichtigen Stoffe haben wird.

Ich versichere Ihnen, dass wir hierbei konsequent eine kom munalfreundliche Haltung einnehmen werden. Wir werden weiter dafür sorgen, dass diejenigen, die in der Vergangenheit für den Aufbau einer guten und ökologisch hochwertigen Ent sorgungsinfrastruktur in Baden-Württemberg verantwortlich waren, auch weiterhin die Früchte ihrer Arbeit der vergange nen Jahre ernten und damit auch die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land daran partizipieren können.

Zum Abschluss noch ein paar Bemerkungen. In den vergan genen Jahren war die Abfallpolitik kein großes Kampffeld zwischen den Fraktionen im Landtag mehr. Das war in den Achtziger- und Neunzigerjahren anders. Diejenigen, die schon länger in der Politik sind, wissen um die Auseinandersetzun gen über die Abfallverbrennungsanlagen,

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

über die Sondermüllverbrennungsanlagen usw. Ich glaube, man hat damals die richtigen Konsequenzen daraus gezogen.

Im Kern muss man sagen: Hinsichtlich der Grundzüge der Ab fallpolitik in diesem Land herrschte in den vergangenen Jah ren Einigkeit. Ich möchte an die neue Opposition appellieren, dass sie auch weiterhin an der Einigkeit hinsichtlich der Grundzüge festhält und uns insbesondere dann, wenn es um Autarkieregelungen geht, bei diesem kommunalfreundlichen Kurs unterstützt, an dem wir festhalten wollen und den die Vorgängerlandesregierung in den vergangenen Jahren konse quent eingeschlagen hat, sodass wir auch in den kommenden Jahren gemeinsam vorangehen können.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Ich bedanke mich bei der SPD-Fraktion für diese Große An frage, weil sie uns damit die Möglichkeit gegeben hat, unse re Positionierung in dieser wichtigen Frage, die die Bürgerin nen und Bürger ganz konkret betrifft, darzulegen.

Außerdem bedanke ich mich beim Haus insgesamt. Herzli chen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine Damen und Her ren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Große Anfrage besprochen und Punkt 5 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

Große Anfrage der Fraktion der SPD und Antwort der Landesregierung – Entwicklung des Tourismus in BadenWürttemberg – Drucksache 15/865

Die Fraktionen haben für die Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion und für das Schlusswort der antrag stellenden Fraktion eine Redezeit von fünf Minuten verein bart.

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Storz das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Das schönste Land in Deutschlands Gau’n, das ist das Badner Land. Es ist so herrlich anzuschau’n und ruht in Gottes Hand.

(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie Abgeord neten der CDU – Zuruf von der CDU: Bravo!)

Vielen Dank.

Ich habe mit Absicht nicht gesungen, weil ich nicht wusste, ob Sie dann auch geklatscht hätten.

Meine verehrten Damen und Herren, bei dem boomenden Tourismus könnten wir dieses Lied als Lobeshymne anstim men, weil es natürlich zuerst unser Land ist, das die Basis für die günstige Entwicklung des Tourismus darstellt.

(Unruhe)

Dabei muss ich als gebürtiger Württemberger natürlich deut lich sagen, dass auch dieser Teil des Landes seinen Beitrag dazu leistet, uns aber leider eine entsprechende Hymne fehlt.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Tobias Wald CDU: Übertreiben Sie es nicht!)

Erstmals über 45 Millionen Gästeübernachtungen im Land.

Diese Schlagzeile erfreute in der letzten Woche alle im Tou rismus Beschäftigten in Baden-Württemberg. Sie macht deut lich, dass der heimische Tourismus seine Aufwärtsentwick lung in verstärktem Umfang fortsetzt. Das Land hat in den letzten zehn Jahren seine touristische Leistungsfähigkeit ge steigert und die Bedeutung des Tourismus innerhalb des Wirt schaftsgefüges weiter ausgebaut.

Die Zahlen, die in der Antwort der Landesregierung genannt werden, sprechen eine deutliche Sprache. Die Ausgaben der Übernachtungs- und Tagesgäste wurden schon 2007/2008 auf ca. 15,5 bis 17,9 Milliarden € geschätzt. Dies zeigt, dass der Tourismus von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung ist, aber nicht nur das. Der Tourismus bietet auch 280 000 Men schen einen sicheren Arbeitsplatz. Das sind gut 5 % aller Be schäftigten in Baden-Württemberg.