Sehr geehrter Herr Präsident, mei ne Damen und Herren! An den Anfang meiner Ausführungen möchte ich etwas stellen, womit ich wiederhole, was die SPD auch in den zurückliegenden Jahren immer mit dem gleichen Herzblut zum Ausdruck gebracht hat, nämlich: Unser Land hat eine hochrangige Kulturlandschaft, auf die es national und international stolz sein kann.
Das unterschreiben Sie auch, das weiß ich. – Es ist ein gro ßes Erbe, das uns alle verpflichtet. Deshalb machen wir ernst mit der Umsetzung unserer parteiübergreifend konzipierten und beschlossenen Landeskunstkonzeption, indem wir die Mittel, und zwar ein Mehr an Mitteln, in den Haushalt einstel len, um die Zielsetzung der Konzeption weiterzuverfolgen und auszubauen.
Dazu sind zwei Schritte nötig. Der eine ist der Bestandserhalt – Stichwort Kontinuität –, wie es mein Kollege Rivoir für den Bereich der Wissenschaft zum Ausdruck gebracht hat. Zu nächst liegt es natürlich in unserem Interesse, den Bestand zu sichern. Aber allein das ist schon anspruchsvoll genug, denn erstaunlich viele Einrichtungen waren seither doch knapp auf Kante genäht oder manchmal sogar Not leidend. Sie müssen derzeit aufgefangen werden. Ich nenne beispielsweise das Auslaufen von Anschubfinanzierungen mit Drittmitteln, also mit privaten Mitteln, bei der Popakademie, wie Sie, Frau Kurtz, es angesprochen haben, oder das Auslaufen der noch von Ministerpräsident Teufel ins Leben gerufenen Zukunfts offensive. Da waren keine weiterführenden Mittel eingestellt.
So erhalten die Staatstheater, die Kulturorchester, Museen und Festspiele notwendige Erhöhungen, Dynamisierungen, was die Förderung betrifft, und bei acht Kommunaltheatern erfolgt auch die Festschreibung der Förderverhältnisse wie bei den Landesbühnen. Die freien Theater, die Klein- und Laienthea ter – alle haben einen spürbaren Mehrbedarf. Umbau- und Sa nierungsmaßnahmen sind z. B. am Badischen Staatstheater in Planung. Beim Stuttgarter Schauspielhaus sind sie gerade im Abschluss begriffen – mit Problemen – und bei der Staatsoper ab diesem Jahr in Angriff zu nehmen. Da hört man schon he raus, dass es sich um große Beträge handelt.
Die Orchesterförderung muss Personalkostensteigerungen be rücksichtigen. Bei den Museen waren die Personalkostenstei gerungen sogar schon mit einer Nachfinanzierung im Jahr 2011 abzufedern.
Auch umfangreiche investive Maßnahmen z. B. bei den Mu seen schlagen zu Buche. Ich will das jetzt nicht im Einzelnen ausführen. Dies sind alles nur einzelne Beispiele zum Be standserhalt, die aber deutlich machen sollen, in welchen Be reichen Mehraufwendungen notwendig sind.
Hinzu kommen – das ist der zweite Schritt – neue Akzente. Wir verfolgen nämlich darüber hinaus eine klare kulturpoliti sche Schwerpunktsetzung, die nach innen und nach außen den kulturellen Anspruch und eine eigene Zielsetzung des Landes erkennbar werden lässt.
Wir fördern die Möglichkeiten, die die freie Kulturszene bie ten kann, und statten diese besser aus; denn wir wollen die enormen baden-württembergischen Potenziale bei neuen Kunst formen, im Medienkunstbereich sowie bei Zukunftsthemen wie z. B. einer konsequenten Unterstützung und Entwicklung von interkultureller Arbeit, kultureller und ästhetischer Bil dung heben.
Deshalb schreiben wir die Künstlerförderung in allen Sparten fort, z. B. mit Kunstförderankäufen sowie der Unterstützung von Tanzinitiativen und der Unterstützung von freien Thea tern, Klein- und Figurentheatern und Kunstvereinen. Zudem installieren wir für die zentralen Perspektiven der Kunstkon zeption „Kultur 2020“ im Staatshaushaltsplan einen Innova tionsfonds in Höhe von 5 Millionen €. Damit können Laien musik, Amateurtheater, Provenienzforschung, innovative Spar ten und genreübergreifende Initiativen und Kunstprojekte ge fördert und vor allem die Soziokultur ausgebaut werden.
Interkulturelle Arbeit und kulturelle Bildung bilden nicht nur einen Schwerpunkt der Kulturpolitik, sondern auch einen Schwerpunkt im Haushalt. Denn uns ist klar: Die Zukunft der Kultur ist interkulturell. Darauf muss eine vorausschauende Kulturpolitik reagieren.
Der von der vorherigen Landesregierung einberufene Kunst beirat warnte schon im Jahr 2009 davor, dass soziale und kul turelle Ausgrenzung Hand in Hand gehen. Er forderte damals – mit konkreten Beispielen hinterlegt – die aktive Teilhabe an der demokratischen Gesellschaft durch Kultur. Wir sehen in der kulturellen und der ästhetischen Bildung eine staatliche Aufgabe und einen gleichwertigen Teil der Bildungs- und Er ziehungsaufgabe. Wir wollen den richtungweisenden Appel len des Kunstbeirats Raum geben für praxisnahe und umsetz bare Konzepte zur Musik-, Theater- und Festivallandschaft, zur Kunstvermittlung und zur Theater- und Museumspädago gik.
Wir wollen der Kulturpolitik unseres Landes auch durch die Umsetzung unserer gemeinsamen Kunstkonzeption ein zu kunftsgerichtetes Profil geben, das den kulturellen Reichtum unseres Landes, die Kreativität unserer Kulturschaffenden und die integrierenden Kräfte von Kunst und Kultur in ein sinn volles und kraftvolles Ganzes führt.
Meine Damen und Herren, Sie sehen, wir machen Ernst mit der Umsetzung der Kunstkonzeption und haben dafür die not wendigen Instrumente geschaffen, die es vorher noch nicht in
Herr Präsident, meine Da men und Herren! Baden-Württemberg hat – das wurde hier schon ausgeführt – eine herausragende, vielfältige, kreative und engagierte Kunst- und Kulturlandschaft. Kunst und Kul tur sind zentral und wichtig und dienen als Grundlage und Nährboden einer kreativen, freien und konstruktiv-kritischen Gesellschaft. Sie sind die Essenz unserer Gesellschaft.
Auch die neue Landesregierung weiß um die wichtige Bedeu tung von Kunst und Kultur zur Entwicklung der Persönlich keit und von Schlüsselkompetenzen wie Ausdrucksfähigkeit, Toleranz, Empathie, Selbstbewusstsein. Jedoch stellt sich ei ne Frage, meine Damen und Herren, die ich immer wieder be tonen muss. Bei der ersten Kunstkonzeption von Hannes Ret tich kam der Begriff „Kulturelle Bildung“ nicht vor. Jetzt ist er ein zentraler Punkt der neuen Kunstkonzeption. Also muss sich in unserer Gesellschaft etwas zum Negativen verändert haben.
Deshalb stellt sich die Frage, ob die Überzeugung, dass wir viel Geld in die Hand nehmen und Kultur fördern müssen, tat sächlich noch in der Mitte der Gesellschaft verankert ist. Da her – aber nicht nur deswegen – ist es unser Ziel, die Kultur noch stärker in die Mitte der Gesellschaft zu tragen. Kultur politik und Kultur dürfen nicht nur für diejenigen da sein, die ohnehin schon an der Kultur interessiert sind. Wir müssen al le für Kultur begeistern.
Kultur muss für alle erlebbar sein, unabhängig von sozialem Hintergrund, Bildung oder Herkunft. Der öffentliche Raum in Städten muss viel mehr mit Kunst gefüllt werden. Kunst soll überall erlebbar sein: in Schulen und Kinderbetreuungsein richtungen, aber auch außerhalb der Bildungszentren und auch an sozialen Brennpunkten. Kunst muss auch im „Wohnzim mer“ Stuttgarts, auf dem Schlossplatz, erlebbar sein.
Gemeinsam mit dem Finanz- und Wirtschaftsministerium ha ben wir ein Konzept dafür entwickelt – dafür danke ich dem Finanz- und Wirtschaftsminister ausdrücklich –, dass bei der Nutzung des Schlossplatzes in Stuttgart Kunst zukünftig Vor rang vor Kommerz haben wird. Wir werden dies in diesem Frühjahr wieder erleben, wenn in Stuttgart das Trickfilmfes tival stattfindet. Jetzt wird bei der Majerus-Ausstellung eine Skateranlage errichtet, mit der wir speziell Jugendliche mit Kunst konfrontieren wollen. Das ist ein erster Schritt, um die Kultur auch hier auf dem Schlossplatz mehr in die Mitte der Gesellschaft zu tragen.
Was wären Kunst und Kultur ohne herausragende Künstler persönlichkeiten und ohne überregional bedeutende Kultur einrichtungen und Ausbildungsstätten?
Bestmögliche Qualität in allen Bereichen ist auch der An spruch der neuen Landesregierung. Spitzen- und Breitenkul tur bedingen einander und befruchten sich gegenseitig. Die ses wechselseitige Verhältnis zwischen Spitze und Exzellenz auf der einen Seite und Breite und Vielfalt auf der anderen Seite wollen und werden wir weiterhin fördern.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang sagen, dass wir einen wichtigen Schritt gemacht haben, damit das größte Dreispartenhaus der Welt, die Staatstheater in Stuttgart, wei terhin europäische Spitze sein wird. Wir haben mit Armin Pe tras eine der herausragendsten Persönlichkeiten des deutsch sprachigen Theaters nach Stuttgart holen können. Alle, die bisher immer gesagt haben, nur Berlin sei der Mittelpunkt der kulturellen Welt, werden mit diesem Schritt eines Besseren belehrt.
Klar ist aber auch, meine Damen und Herren: Wer Spitzen theater haben möchte, kann nicht so bezahlen, als wären wir in der Provinz. Ferner ist auch klar – damit komme ich auf die Kritik der Kollegin Kurtz zu sprechen –: Solange wir regie ren, wollen wir Peinlichkeiten, wie sie bei der Suche nach dem Puhlmann-Nachfolger durch dilettantisches Verhalten entstan den sind, vermeiden.
Doch. Sie waren in der Findungskommission die Einzige, die das von uns praktizierte Vorgehen kritisiert hat. Fragen Sie einmal den Kollegen Birk. Er weiß, wie es geht. Wir haben ein gutes Ergebnis erzielt. Alle Mitglieder der Findungskom mission haben uns dafür gelobt und waren sehr zufrieden. Nur eine war es nicht. Wenn ich das zusammenrechne, ergibt sich, dass das Vorgehen unter dem Strich positiv war. Mit der Be stellung von Armin Petras haben wir ein hervorragendes Re sultat erzielt.
Meine Damen und Herren, einer unserer ersten Erfolge war die Bündelung von Zuständigkeiten. Das war ein erster Schritt, um die Fehler der vorherigen Landesregierung nicht zu wie derholen. Es ist ein Vorteil, dass die Zuständigkeiten für Kunst und Kultur nun bei unserem Ministerium gebündelt sind.
Dabei wurden vom Ministerium für Kultus, Jugend und Sport die Zuständigkeiten für Laienkunst, Volksmusik und Heimat pflege auf unser Haus übertragen. Dazu gehören u. a. die För derung der Amateurtheater, der Laienmusikverbände und der Musikakademie Weikersheim. Besonders erfreulich ist in die sem Zusammenhang, dass die Zuständigkeiten für Film und Medien, die Filmförderung und Medienentwicklung, die MFG, die Filmfestivals und die Filmakademie ebenfalls auf das Wissenschaftsministerium übergegangen sind. In diesem Fall wurden sie vom Staatsministerium abgegeben.
Diese Bündelung macht deutlich, welchen Stellenwert Kunst und Kultur, Film und Medien bei uns haben. Diesen werden sie auch in Zukunft haben.
Die mit allen Fraktionen – Kollege Birk, ich habe es schon mehrfach gesagt, auch an dieser Stelle: das Vorgehen war vor bildlich – und auch mit sehr vielen Kulturschaffenden erar beitete Konzeption „Kultur 2020 – Kunstpolitik für BadenWürttemberg“ formuliert wichtige Grundlagen für das kultur politische Handeln in den kommenden Jahren. Unser Ziel ist es, „Kultur 2020“ in einem aktiven Dialog und Austausch kri tisch und konstruktiv umzusetzen.
Kunstpolitik versucht, die bestmöglichen Rahmenbedingun gen für künstlerische Einrichtungen und Kunstschaffende zu gewährleisten. Hierfür ist ein aktiver Dialog mit denen not wendig, die Kunst vor Ort gestalten und verantworten. Kunst politik, meine Damen und Herren, darf nicht von oben herab verordnet werden. Deshalb wollen wir in einer Reihe von re gionalen und themenbezogenen Kulturdialogen mit den Kul turschaffenden ins Gespräch kommen und haben damit natür lich auch schon im vergangenen Jahr begonnen.
Lassen Sie mich ein paar Worte zur Ausgangssituation des Kunstbereichs sagen. Bevor wir uns an die Umsetzung von „Kultur 2020“ machen, sollten wir uns zunächst diese Aus gangssituation näher anschauen. Der Anteil der Kulturausga ben an den Gesamtausgaben des Landes ist in den letzten 20 Jahren von 1,3 % auf 1,1 % gesunken. Während die Gesamt ausgaben um 48,1 % gestiegen sind, liegt die Steigerung bei den Kulturausgaben bei lediglich 21,7 %. Die Schere zwi schen Kultur- und Gesamtausgaben hat sich somit weiter ge öffnet. Daher ist in den letzten Jahren im Bereich von Kunst und Kultur eine zunehmende Unterfinanzierung festzustellen. Im nationalen Vergleich der Kulturausgaben belegt BadenWürttemberg schon längst keinen Spitzenplatz mehr, sondern ist – vor allem dank des Geldes der Kommunen – gerade noch im Mittelfeld gelandet.
Es bleibt festzuhalten, meine Damen und Herren – das gilt auch im Hinblick auf die Beratungen des Haushalts 2013/2014 –, dass die Kunst- und Kultureinrichtungen am unteren Limit ihrer finanziellen Ausstattung angekommen sind. Jede weite re Belastung würde zu Einschnitten in der Qualität und Quan tität des Kulturangebots führen. Abgesehen davon müssen wir auch Lösungen für Einrichtungen finden, die bereits jetzt strukturell unterfinanziert sind. Auch die Kollegin Kurtz hat beispielsweise die Popakademie und das ZKM in Karlsruhe genannt.
Diese Ausgangssituation müssen wir bei der Umsetzung von „Kultur 2020“, für die die Vorgängerregierung keinen Finan zierungsspielraum vorgesehen hatte, berücksichtigen.
Anknüpfend an die fraktionsübergreifende Zusammenarbeit bei „Kultur 2020“ möchte ich Sie, verehrte Mitglieder des ge samten Hauses, hiermit einladen, Kunst- und Kulturpolitik weiterhin gemeinsam zu gestalten und weiterzuentwickeln.
Ich habe auch die Hoffnung, dass sich das nicht nur in schö nen Worten, sondern auch in Zahlen niederschlägt.