Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuelle Debatte eine Gesamtredezeit von 40 Minuten festgelegt. Die Redezeit der Regierung wird darauf nicht angerechnet. Für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen
ich darf Sie um mehr Aufmerksamkeit bitten – und für die Redner in der zweiten Runde gilt jeweils eine Redezeit von fünf Minuten.
Ich darf die Redner der Landesregierung bitten, sich ebenfalls an den vorgegebenen Redezeitrahmen zu halten.
Außerdem verweise ich auf § 60 Abs. 4 der Geschäftsordnung, wonach im Rahmen der Aktuellen Debatte die Aussprache in freier Rede zu führen ist.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Kollegen und Kolleginnen! Die Diskussion über den Energiemix der Zukunft braucht dringend Rückenwind. Wir haben viel über den Ausbau der Windkraft gehört. Darüber haben wir auch viel debattiert, und das ist auch gut so. Wir stehen der Windkraft prinzipiell positiv gegenüber. Das sieht man nicht zuletzt an dem Windatlas, der unter dem damaligen Wirtschaftsminister Pfister – er war von der FDP/DVP – er stellt wurde.
Ist ein Anteil der Windkraft an der Stromerzeugung von 10 % im Jahr 2020 realistisch? Das bedeutet ungefähr 1 000 Anla gen in Baden-Württemberg von der Höhe des Fernsehturms in Stuttgart. Das bedeutet rein rechnerisch: Alle 3,65 Tage muss eine Anlage fertiggestellt werden und ans Netz gehen, und zwar unter der Voraussetzung, dass Sie den Sonntag zum Werktag machen.
Das Problem ist aber weiterhin auch der Netzausbau. Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen. Meine Heimatgemeinde Münsingen hat zusammen mit anderen Gemeinden – das ist eine Verwaltungsgemeinschaft – mit der Fortschreibung des Flächennutzungsplans begonnen. Sehr geehrter Herr Minis ter Untersteller und auch lieber Herr Ministerpräsident Kretsch mann, gern lade ich Sie einmal auf einen Kaffee zu mir nach Hause ein. Dann können wir uns einmal die Netze anschauen. Keine Sorge, es gibt dann auch ein Stück Kuchen dazu. Aber wenn wir uns die Netze ansehen, dann sehen auch Sie, welch hochgestecktes Ziel vor Ihnen liegt.
Gehen wir trotzdem einmal für einen kleinen Augenblick davon aus, das Ganze würde funktionieren; wir hoffen auf ein
kleines Wunder. Dann könnten wir im Jahr 2020 voraussicht lich 8 TWh Strom – das sind 8 Billionen Wattstunden Strom – aus Windkraft erzeugen. Das wäre gut. Schlecht ist, dass wir im Jahr 2020 dann 40 TWh Strom ersetzen müssen. So stelle ich die Frage: Woher kommen im Jahr 2020 die restlichen 32 TWh?
Meine sehr geehrten Damen und Herren, bisher sind Sie nur ein Fünftel des zu lösenden Problems, nämlich 8 von 40 TWh, angegangen. 80 % des Problems sind nach wie vor ungelöst. Deswegen brauchen wir in Baden-Württemberg ein Ener giekonzept.
Wie soll der Energiemix der Zukunft aussehen? Welcher An teil entfällt auf Kohle, auf Öl, auf Gas, auf Wasserkraft, auf Biogas, auf Holz – wir wollen bei Biogas an die einheimische Forstwirtschaft und an die Landwirte denken –, welcher An teil vielleicht sogar auf Tiefengeothermie? Welche Speicher fähigkeit stellen Sie sich bis zum Jahr 2020 vor?
Der Strom, den wir produzieren, muss grundlastfähig sein. Es ist vielleicht gar nicht so wichtig, ob Baden-Württemberg ein Nettostromimportland oder -exportland ist. Viel wichtiger ist doch: Jedes Mal, wenn wir Verbrauchsspitzen haben, müssen wir Strom von unseren europäischen Nachbarn beziehen, und jedes Mal beziehen wir doch von deren Netz Strom. Das be deutet, wir beziehen in diesen Zeiten auch Atomstrom. Es kann doch wohl wirklich nicht wahr sein, dass wir die eigenen Atomkraftwerke abschalten, dann aber kein Energiekonzept vorlegen können, um diesen Zukauf von unseren europäischen Nachbarn verhindern zu können.
Jetzt regen Sie sich über die Äußerungen von Herrn Oettinger in der vorvergangenen Woche auf. Es ist doch nichts Neues, dass in Europa 40 Atomkraftwerke gebaut werden sollen. Das ist doch eine Meinung auf europäischer Ebene. Wir wissen, dass unsere europäischen Nachbarn die Energiewende nicht so forcieren, wie wir das tun. Umso mehr brauchen wir ein schlüssiges, zukunftsfähiges Energiekonzept, sonst droht Atomstromimport.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben jetzt viel leicht auf den Lippen – Herr Untersteller, ich sehe es Ihnen schon an – und wollen jetzt sagen: „Die Bundesregierung er stellt so ein Konzept auch noch nicht.“ Das mag sein. Aber an diesem Punkt möchte ich Ihnen ganz klar entgegnen: Sie ha ben ein Werkzeug. Das Land ist in hohem Umfang an einem großen Energiekonzern beteiligt, nämlich an der EnBW.
Unter Villis sind bereits einige Projekte umgesetzt worden. Ich möchte nur erwähnen: Baltic 1 steht und ist am Netz, für Baltic 2 sind jetzt die Aufträge vergeben worden. Wir können das Geothermiekraftwerk der EnBW in Bruchsal anschauen, wir können verteilt über das ganze Land Onshorekraftwerke anschauen. Wir können Smart-Grid-Projekte in Freiamt an schauen, wir können viele Biogasanlagen anschauen, wir kön nen Wasserkraftanlagen anschauen, Anlagen, an denen die EnBW beteiligt ist. Ich glaube, Sie haben da ein gutes Werkzeug.
Nun haben wir mit Herrn Villis einen fähigen Vorstandsvor sitzenden. Ich kann es mir leider nicht verkneifen und muss
einfach fragen: Wie viel ist Ihnen denn Herr Villis wert? Ich kann es Ihnen sagen: Er ist Ihnen 400 Millionen € wert, aber als Kopfgeld. Das ist die „Abschussprämie“, wenn man so möchte.
Die ganz große Frechheit ist, dass Sie in diesem Zusammen hang nicht einmal eine gewisse Anstandsfrist gewahrt haben. Es war doch tatsächlich so: Villis gibt bekannt, er werde nicht weiter zur Verfügung stehen, und am nächsten Tag machen Sie 400 Millionen € locker, die Sie über den Tisch wachsen lassen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin nicht prinzipiell gegen diese Kapitaler höhung. Wohl aber bin ich gegen die Art und Weise, wie Sie Villis abschießen.
An dieser Stelle möchte ich etwas zum Thema Koinzidenz sa gen. Diese Koinzidenz ist, wie Sie uns glauben machen wol len, rein zufälliger Natur. Das erinnert mich an ein Lied von Helmut Qualtinger, dem Liedermacher aus Wien. Ich möchte das Lied mit der Erlaubnis des Präsidenten zitieren
Ich hab’ da so was aufgeschnappt, du hättest einen Unfall g’habt? Drauf sag’ ich: „Es ist nix passiert! Mein Porsche ist schon repariert! Nur ist mir ein Passant, bevor er g’storben ist, eini g’rannt.“
Genau so wie in diesem Lied ist es doch. Sie sagen, das eine habe mit dem anderen überhaupt gar nichts zu tun, das sei ein rein zufälliges Aufeinandertreffen von zwei Dingen. Das soll alles reiner Zufall sein? Nein, meine sehr geehrten Damen und Herren: Villis musste gehen, weil er keinen grünen Anstrich hat. Genau so sieht es nämlich aus.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte Sie er mutigen: Gehen Sie nicht nur ein Fünftel des Problems an. Sa gen Sie uns: Wie wollen Sie im Jahr 2020 40 TWh Strom er setzen? Wie machen Sie diesen Strom grundlastfähig? Ich habe es gesagt: Sonst droht der Import des Strommixes unse rer europäischen Nachbarn.
Die dritte Frage ist: Wie wollen Sie die Netze so schnell aus bauen? Dazu hört man leider gar nichts. Im Koalitionsvertrag – in Ihrem Koalitionsvertrag – findet man – ich habe es ein mal nachgelesen – zum Thema Windkraft vier Zeilen. Dann steht darin noch ein Satz zum Thema Holz; dabei liegt die Be tonung allerdings beim ökologischen Ausbau. Ansonsten ist da eigentlich Ebbe. Wenn man sich Ihren Koalitionsvertrag anschaut, sollte man nicht meinen, dass wir mitten in einer Energiewende stecken.
Nehmen Sie die Scheuklappen ab, und betrachten Sie das gan ze Problem. Ich fordere Sie hiermit auf: Erstellen Sie ein zu kunftsfähiges Energiekonzept für das Land Baden-Württem berg.
Guten Morgen! Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, dass man bei einer solchen Debatte zunächst auch einmal ein paar Worte zum Klimagipfel in Durban sagen kann. Die Ergebnisse – ich glaube, das können wir alle so sagen – zeigen Licht und Schat ten. Natürlich hätte sich die Bundesrepublik Deutschland und, glaube ich, hätte sich auch Baden-Württemberg mehr verspro chen. Andererseits sind Ergebnisse erzielt worden, und Chi na, Indien und die USA werden zukünftig dabei sein. Das kann im Hinblick auf den Klimawandel, auch wenn die Ergebnisse nicht ausreichend sind, nur nützlich und hilfreich sein. Deswe gen spreche ich von Licht und Schatten. Nach der Konferenz in Kopenhagen ist das aber im Grunde ein Fortschritt, der uns zumindest einen gewissen Optimismus geben kann.
Trotzdem hat diese Debatte auch gezeigt, dass der Klimawan del natürlich ein globales Problem ist. In diesem Zusammen hang ist es wichtig, auch einmal zu sehen, dass Baden-Würt temberg mit einem Anteil von 0,2 % zur Weltenergieproduk tion beiträgt. Das darf uns nicht kalt lassen – wir wollen Vor reiter sein –, aber klar ist auch: Das Problem eines Klimawan dels und die Energiewende können nur international – das heißt für uns: europäisch – bewältigt werden. Wir haben näm lich mittelfristig und langfristig gar keine andere Chance. Denn wir werden zum Stromimportland.
Deswegen rate ich der neuen Landesregierung, ihr Klima- und Energiekonzept europäisch auszulegen. Denn nur so haben wir eine Chance auf Versorgungssicherheit und auch auf Wett bewerbsfähigkeit und Bezahlbarkeit.
Wenn dies Konsens in diesem Haus ist, dann ist die Frage, ob wir, was die EEG-Anteile angeht – ich nenne z. B. den Be reich der Fotovoltaik –, so weitermachen können wie bisher. Denn bereits heute haben wir durch die EEG-Zahlungen 81 Milliarden € allein für den Bereich Fotovoltaik ausgege ben.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: In welchem Zeitraum denn? Wir haben das überhaupt nicht ausgegeben! Das ist großer Quatsch!)
mit allen Folgekosten, die kontrahiert sind, Herr Schmiedel. Lesen Sie es doch einmal nach. Es sind 1 000 € pro Person.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP – Abg. Martin Rivoir SPD: Das sollte auch für Sie gelten!)