Protocol of the Session on December 8, 2011

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Her ren, für die Aussprache hat das Präsidium eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion festgelegt.

Das Wort für die Fraktion der CDU erteile ich dem Kollegen

(Abg. Ulrich Müller CDU: Müller! – Heiterkeit)

Müller.

Frau Präsidentin, meine sehr ge ehrten Damen und Herren! Gestern die Abschaffung der ver bindlichen Hauptschulempfehlung – nein, Grundschulemp fehlung.

(Heiterkeit – Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Genau da rum geht es! – Zuruf des Abg. Andreas Stoch SPD)

Heute das Plattmachen der Spezifika der Werkrealschule,

(Oh-Rufe von den Grünen und der SPD)

obwohl diese nach 15 Monaten noch gar nicht die Chance hat te, ihre Stärken wirklich zu belegen. Morgen die Einführung des Einheitslehrers.

(Unruhe bei den Grünen)

Oh ja. – Meine sehr geehrten Damen und Herren, auf dem Weg zu einem falschen Ziel, nämlich der Gesamtschule, der Einheitsschule

(Zuruf: Gemeinschaftsschule!)

oder der Gemeinschaftsschule, sind Sie bezüglich der vorbe reitenden und flankierenden Maßnahmen ungemein konse quent.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Ihre Kritik an der Hauptschule und an der Werkrealschule ist alt und intensiv vorgetragen. Deswegen haben Sie gar kein In teresse daran,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

dass sich aus dieser Schule etwas Gutes machen lässt, dass sie gestärkt wird, dass sie Erfolg hat, dass sie Profil hat. Sie wol len diese Schule unattraktiv machen, um aus der Konkursmas se dann Ihr Schulgebäude zu errichten.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Unser Ziel war und ist, meine Damen und Herren – und zwar ohne falsche Kompromisse, was Profil und Leistungsanforde rungen anbelangt –, dass möglichst viele Hauptschüler den mittleren Bildungsabschluss machen können und dass mög lichst viele Hauptschulen zu Werkrealschulen werden – auch das ohne falsche Kompromisse.

Ihre Blickrichtung ist eine ganz andere. Ich kann da im Prin zip genau das aufgreifen, was der Herr Staatssekretär gerade gesagt hat, bloß mit einem etwas anderen Zungenschlag, näm lich: Die Werkrealschule ist in Zukunft einfach eine Haupt schule, die in der zehnten Klasse wenigstens 16 Schüler hat. Das war es dann. Das ist ein bisschen wenig für ein Profil. Zweitens: Werkrealschüler ist jeder Schüler, der die zehnte Klasse besucht. Drittens: Der Hauptschulabschluss kann in der neunten oder in der zehnten Klassenstufe gemacht wer den.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: In der elften noch einmal!)

Im Übrigen: Die eigentliche „Pointe“ an der Werkrealschule, nämlich die Berufsfeldorientierung plus die Verzahnung mit dem beruflichen Schulwesen, schaffen Sie ab.

Da muss man sich schon fragen: Liegen Sie damit richtig? Die Berufsorientierung ist ein eigenes bildungspolitisches Profil gewesen. Es zielt auf einen bestimmten Schülertyp, es zielt übrigens auch auf denjenigen, der eine gewisse Schulmüdig keit an den Tag legt, und das Profil zielt auf die Verwendungs fähigkeit im Ausbildungsmarkt. Deswegen ist es auch kein Wunder, dass sich gerade in diesen Tagen der Handwerkstag genau zu diesem Ablösen von Werkrealschule und Berufs schule kritisch geäußert hat.

Meine Damen und Herren, hinter Ihrer Philosophie steckt ei ne ganz grundsätzliche Angelegenheit. Qualitätsanforderun gen und Profilanforderungen bei Schülern und Schulen be trachten wir als etwas Gutes. Sie hingegen sehen in der De montage von Anforderung und Leistung, von Profil und Wett bewerb aus Ihrer Motivationslage heraus etwas ganz anderes. Für Sie sind solche Leistungsanforderungen Benachteiligung, Selektion, Repression, soziale Ungerechtigkeit. Für uns sind Leistungsanforderungen und Profilbildung in einem geglie derten Schulwesen Mittel und Anzeichen von Orientierung für den Schüler, von Motivation, damit er Leistung erbringt, von Leistungsgerechtigkeit – auch gegenüber denjenigen, die mehr leisten können –, zur Sicherung des Werts von Zeugnis sen – die kann ich nicht erreichen, indem ich alles sozusagen nach unten nivelliere – und zur Vorbereitung auf die Lebens wirklichkeit.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das sind die Motive, weshalb wir so stark an Qualität, an Leis tung, an Wettbewerb und an Profilbildung orientiert sind. Das gilt in diesen Zeiten der zurückgehenden Schülerzahlen erst recht. Wenn wir weniger Schüler haben – das ist mit Händen zu greifen, und daran wird sich nichts ändern –, dann ist es besonders wichtig, dass möglichst viele möglichst gut gebil det sind. Das erreicht man jedoch nicht, indem man die Ni veaus absenkt, sondern dadurch, dass man sie aufrechterhält.

(Beifall bei der CDU – Abg. Muhterem Aras GRÜ NE: Das Niveau wird steigen!)

Einen Schüler in dem Glauben zu lassen, die bloße Teilnah me am zehnten Schuljahr bringe ihn in die Nähe der mittle ren Reife, ist ein falsches Versprechen. Oder Sie senken die Anforderungen ab, was aber dann auch wieder ungerecht ge genüber denjenigen wäre, die diese Anforderungen – sei es in der Werkrealschule oder in der Realschule – durch Leistung erfüllen.

Eine Schule das Versprechen abgeben zu lassen, dass sie mit 16 Schülern drei Berufsfelder abdecken kann, dass sie auf dem Niveau der mittleren Reife einen entsprechenden Unterricht anbieten kann und dass sie nebenher auch noch in derselben Klasse mit nur 16 Schülern darauf vorbereiten könnte, den Hauptschulabschluss zu erwerben, das ist ein Versprechen, das kein Schulpraktiker einhalten kann. Eine solch atomisier te Klasse hätte einen besonderen Bedarf für individuelle För derung, hat aber nicht die Möglichkeiten dazu, schon allein wegen der Größe der Klasse, aber natürlich auch wegen der mangelnden Differenzierung und Leistungsanforderung.

(Abg. Georg Wacker CDU: Richtig! – Zuruf der Abg. Muhterem Aras GRÜNE)

Dann kommen zwei schulpolitische Aspekte dazu:

Erstens: Sie machen Bildungspolitik scheibchenweise. Das ist beispielsweise auch vom Gemeindetag kritisiert worden. Die sonstigen Maßnahmen, z. B. die Abschaffung der verbindli chen Grundschulempfehlung und die Einführung der Gemein schaftsschule mit den Rückwirkungen auf Hauptschule und Werkrealschule, werden nicht ins Visier genommen.

Zweitens: Das untergesetzliche Regelwerk und die Ausgestal tung der Schulpolitik in der Praxis stehen heute noch nicht fest. Wie sieht es in der zehnten Klasse mit der Stundentafel, mit der Personalausstattung und mit der Klassengröße aus? Das alles sind Dinge, die nicht klar sind. So werden alle Be teiligten jetzt in einen – wir kennen den Begriff aus anderem Zusammenhang – Stresstest mit einem hohen Maß an Unge wissheit geschickt.

Es ist schon bemerkenswert, wie schwach das Konzept der Einheitsschule, der Gemeinschaftsschule offensichtlich sein muss, wenn man vor ihrer Einführung erst einmal bei den Hauptschulen und den Werkrealschulen Tabula rasa machen muss.

Zum Schluss will ich noch einmal einen Aspekt hervorheben. – Heute halte ich meine Redezeit erstaunlicherweise ein; ich wundere mich selbst.

(Heiterkeit – Zuruf: Noch!)

Noch, jawohl. – Das größte Problem scheint mir zu sein, dass sich dieser Profil-, Niveau- und Qualitätsverfall, den Sie hier in dieser Reform, in diesem Gesetz anlegen, inspiriert von der Gemeinschaftsschule, wie ein Ölfleck ausbreitet. Ausge hend von der Philosophie der Gemeinschaftsschule und dem entsprechenden Gestalten der anderen Schularten umfasst die ser Niveauverfall zunächst einmal die Haupt- und die Werkre alschule, morgen die zweijährige Berufsfachschule,

(Unruhe bei den Grünen und der SPD – Abg. Arnulf Freiherr von Eyb CDU zu Grünen und SPD: Hören Sie einmal den klugen Ausführungen zu! – Gegenruf des Abg. Claus Schmiedel SPD: Ganz ruhig, Herr Kollege!)

dann das berufliche Schulwesen insgesamt

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Das Gymnasium nicht vergessen!)

und schließlich die Realschule und das Gymnasium.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist ein Niveauver fall in der Debatte, nicht in der Schule!)

Meine Damen und Herren, wir stehen hinter den Schülern an der Hauptschule. Wir stehen hinter den Leistungen der Leh rer an der Hauptschule. Wir stehen hinter den Kommunen, die als Schulträger Klarheit und Verlässlichkeit brauchen. Wir stehen hinter der ausbildenden Wirtschaft, die gute Schüler braucht, die auch Schüler braucht, die speziell auf das Berufs leben vorbereitet werden. Deswegen werden wir diesen Ge setzentwurf ablehnen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Glocke der Präsidentin)

Herr Kollege Müller, jetzt sind Sie so schön in Ihrer Redezeit fertig geworden. Gestat ten Sie dennoch eine Nachfrage des Herrn Abg. Röhm?

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Abschluss frage!)

Das ist etwas Neues.

Ja, es ist etwas Neues. Wir sind sehr gespannt.

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Könnt ihr das nicht in der Fraktion machen?)