Protocol of the Session on December 7, 2011

Der „Zellerismus“ greift in Ihren Fraktionen um sich: Leute, die sich bislang ehrenamtlich für ihre Partei engagiert haben, werden jetzt, nachdem man an den Fleischtöpfen der Macht sitzt, auf Beamtenstellen versorgt, um das eine oder andere ideologische Projekt voranzubringen, etwa im Verkehrsminis terium den Kampf gegen Stuttgart 21 oder im Bildungsressort die Einheitsschule.

(Unruhe bei der SPD)

Das ist das, was Sie an strukturellen Veränderungen in den Haushalt bringen. Das sind keine Einsparbeiträge, sondern zu sätzliche Lasten, und die Gegenfinanzierung wird dann bei den kleinen Beamten vollzogen.

(Beifall des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Sie etablieren zusätzliche Häuptlinge, und die Indianer müs sen es ausbaden. Das ist Ihre Beamtenpolitik, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Deshalb würden wir schon gern von Ihnen erfahren, ob Sie auch bereit sind, innerhalb der Zeit, die Ihnen der Wähler zu gemessen hat, nämlich bis zum Jahr 2016,

(Unruhe bei der SPD)

den Stellenrückbau anzugehen. Wir hören immer nur: „nach 2016“. Der Hintergedanke ist klar: „Da sind wir dann sowie so wieder abgewählt; dann haben die anderen die Verantwor tung.

(Widerspruch bei den Grünen und der SPD – Unru he)

Und sollten wir wider Erwarten wiedergewählt werden, dann können wir nach der Wahl im Jahr 2016 sagen: Jetzt geht es halt nicht; jetzt sind wir wiedergewählt.“

(Zurufe von den Grünen und der SPD)

Dieses Kalkül ist durchsichtig, meine Damen und Herren. Deshalb erwarten wir von Ihnen konkrete Schritte in der Zeit, in der Sie die Verantwortung tragen.

„Mutter Teresa“ soll sich erklären: Setzen Sie, Herr Kollege Schmiedel, das jetzt gegen „Jeanne d’Arc“ durch, oder setzen Sie es nicht durch? Müssen die Beamten bluten oder nicht? Herrn Stich und der Öffentlichkeit erklären Sie immer: „So lange ich, Schmiedel, hier etwas zu sagen habe, passiert euch nichts.“ Aber hier haben Sie anders geredet. Hier waren Sie so zu verstehen, dass diese Einschränkungen für die Beam tenschaft kommen.

Wir haben noch eine zweite Runde. Dann werden wir sehen: Gilt „Jeanne d’Arc“, oder gilt „Mutter Teresa“? Nur zu! Ein klares Wort könnte nicht schaden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Für die Landesregierung spricht Herr Minister für Finanzen und Wirtschaft Dr. Schmid.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! We der Jeanne d’Arc noch Mutter Teresa, sondern die Regierung spricht.

(Oh-Rufe von der CDU und der FDP/DVP)

Deshalb will ich zunächst in die Ausgangslage einführen. Ich glaube, es ist ganz gut, einmal das ganze Panorama des Haus halts vor sich zu haben. Dann kann man auch die Frage, ob es sich jetzt, wie behauptet, um ein Sonderopfer der Beamten schaft handelt, etwas gelassener und nüchterner betrachten.

Es gibt zwei Perspektiven. Die eine ist: Diese Regierung wird für 2012 einen Haushaltsentwurf in den Landtag einbringen, und dieser Regierungsentwurf enthält das ambitionierte Ziel,

auch für das Jahr 2012 eine Nullneuverschuldung zu errei chen. Die Ausgangslage war klar: Wir werden das nur schaf fen, wenn wir 360 Millionen € einsparen, um die verbleiben de Lücke zu schließen, um im Jahr 2012 ohne neue Schulden auszukommen. 360 Millionen € werden eingespart. Ich finde, das ist eine tolle Leistung der Regierung.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Peter Hauk CDU: Sie haben die Lücke durch Mehrausgaben entstehen lassen! Das ist die Wahr heit!)

Wie werden diese Einsparungen erbracht? Sie werden im We sentlichen durch über 200 Millionen € konkrete Einsparun gen bei den Sachausgaben quer über alle Ressorts hinweg er bracht. Auch an dieser Stelle noch einmal mein ausdrückli ches Dankeschön an alle Fachressortkollegen, dass wir diese Kraftanstrengung geleistet haben und damit einen wesentli chen Beitrag erbracht haben, um die Nullneuverschuldung zu erreichen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Peter Hauk CDU: Sehr maßvoll, der Beifall!)

Das zweite Element war, dass wir gesagt haben: Wir müssen auch an die Personalkosten heran. Sie wissen genauso gut wie ich, dass 40 % des Haushalts durch Personalausgaben be stimmt werden. Logischerweise muss man, wenn man eine Lücke von 360 Millionen € zu schließen hat, auch bei den Per sonalausgaben sparen. Genau das haben wir angekündigt und im Haushaltsentwurf jetzt auch umgesetzt. Dabei haben wir von vornherein auch mit den betroffenen Verbänden – das sind die Verbände innerhalb des DGB, die mit dem öffentlichen Dienst zu tun haben, und natürlich auch der Beamtenbund in Baden-Württemberg – das Gespräch gesucht und Gespräche mit beiden Organisationen geführt.

Bei diesen Gesprächen ist – zu meinem Bedauern – deutlich geworden, dass wir für diese Einmalaktion im Jahr 2012 kei ne gemeinsame Verständigung erreichen können, weil neben der Einmalaktion in den Gesprächen auch strukturelle Fragen eine Rolle gespielt haben. Dabei ist klar – das ist die zweite Perspektive auf die Lage der Dinge –, dass diese strukturel len Fragen von der Regierung im Dialog mit den Organisati onen der Beamtenschaft für den Doppelhaushalt 2013/2014 in Ruhe und strukturiert vorbereitet werden. Es war ausdrück lich nicht Angelegenheit des Haushalts 2012, das ganze Pan orama möglicher struktureller Personalkosteneinsparungen aufzugreifen, sondern wir haben uns für 2012 darauf konzen triert, den Haushalt ohne Neuverschuldung ausgeglichen zu gestalten.

An diesem Punkt war leider eine Verständigung nicht mög lich. Das heißt aber nicht, dass wir den Dialog nicht weiter führen würden. Wir führen ihn für den Haushalt 2012 über das Anhörungsverfahren weiter, wir führen ihn aber erst recht – und fangen ihn, wenn man so will, grundlegend erst richtig an – für die folgenden Haushaltsjahre, weil wir in unserer Koa lition auch vereinbart haben, eine Strukturkommission einzu richten, in der die Verbände der Beamtenschaft beteiligt sein sollen, um Aufgabenkritik und Aufgabenanalyse zu betreiben und zu überlegen: Wie sieht eine Personalentwicklungspla nung 2020 parallel zur Haushaltsplanung bis 2020 aus? Denn wir wollen beides hinbekommen: Wir wollen bis 2020 einen

strukturell ausgeglichenen Haushalt erreichen und gleichzei tig den öffentlichen Dienst ausreichend stärken, auch um die Nachwuchsfragen nachhaltig lösen zu können. Das ist die zweite Perspektive.

Für den Haushalt 2012 haben wir nun eine Lösung vorberei tet und in das Gesetzgebungsverfahren gegeben, die sehr aus gewogen ist und die auch viele Elemente aus den Gesprächen mit der Beamtenschaft aufnimmt, beispielsweise die soziale Staffelung bei der verzögerten Tarifanpassung. Mir wird nie mand sagen können, dass für die Beamten bis zur Besoldungs gruppe A 10 eine Verzögerung um zwei Monate unangemes sen oder gar schrecklich wäre. Es ist eine Einbuße; das will ich nicht kleinreden.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist ja schon einmal etwas!)

Aber ich finde, angesichts der Gesamtherausforderung, die Nullneuverschuldung im Jahr 2012 zu erreichen, ist es ange messen, einen solchen Beitrag von der Beamtenschaft zu ver langen.

(Abg. Peter Hauk CDU: Was machen Sie dann im übernächsten Jahr?)

Sie haben selbst die Chance, sich im Gesetzgebungsverfah ren zu dem konkreten Punkt zu positionieren. Dann will ich sehen, wer für Haushaltskonsolidierung ist und wer nicht, mei ne sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Das Zweite, was wir vereinbart haben, ist, dass wir in einem Volumen von etwa 30 Millionen € Anpassungen bei der Bei hilfe vornehmen. Kollege Schmiedel und andere haben es schon ausgeführt. Dabei geht es um Anpassungen der Selbst beteiligung von Beamten im Bereich der Beihilfe,

(Abg. Peter Hauk CDU: Das ist ja sehr euphemis tisch!)

die sich entlang der Steigerung von Beihilfeausgaben entwi ckeln. Auch da haben Sie Gelegenheit, sich im Gesetzge bungsverfahren konkret zu beiden Punkten zu äußern. Dann wollen wir sehen, wer für Haushaltskonsolidierung ist und wer billige Klientelpolitik betreibt, meine sehr verehrten Da men und Herren.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Dann geht es darum, für die folgenden Haushaltsjahre zu über legen: Welche Stellschrauben haben wir in der Hand, um die in der Tat bestehenden Schwierigkeiten der Personalkosten entwicklung in den Griff zu bekommen? Diese 40 % Perso nalkosten im Haushalt sind ja keine fixe Größe; vielmehr müs sen wir aufgrund der bekannten Entwicklungen, insbesonde re der steigenden Pensionsausgaben, damit rechnen, dass die ser Anteil weiter ansteigt. Insofern ist es Aufgabe der Landes politik, sorgfältig zu überlegen: Welche Maßnahmen können wir ergreifen, um den Haushalt ausgeglichen zu gestalten? Da sollte man nicht mit „Giftlisten“ operieren und alte „Giftlis ten“ aus der Schublade ziehen.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das müssen Sie Herrn Schmiedel sagen!)

Da gilt vielmehr das, was wir gesagt haben: Wir wissen um die Notwendigkeit struktureller Einsparungen, und wir wer den das für die Haushaltsberatungen 2013/2014 im Dialog mit den Beamtenverbänden vorbereiten. Dann werden wir dazu Lösungen finden, die ebenfalls nicht immer angenehm sein werden – das will ich gar nicht behaupten –, aber die Erfor dernisse der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen und das Gebot der sozialen Ausgewogenheit berücksichtigen wer den. Ich glaube, es ist eine pure Selbstverständlichkeit, dass diese Regierung das im Auge haben wird.

Ich will noch auf ein Letztes hinweisen: Wir haben gleich mit den ersten Maßnahmen dieser Regierung zahlreiche Aktivitä ten entfaltet, um den öffentlichen Dienst im Land zu stärken. Ich weise darauf hin, dass wir als Erstes das Lebensarbeits zeitkonto, das mit Auflagen zur Stelleneinsparung verknüpft war, ausgesetzt haben und es auch nicht weiterführen werden. Denn wir erachten es als falsch, Lebensarbeitszeitkonten di rekt mit Stelleneinsparungen zu verknüpfen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Richtig!)

Für uns sind Lebensarbeitszeitkonten ein Mittel zur Steige rung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Richtig!)

aber kein Mittel, um primär Stellen einzusparen.

(Abg. Peter Hauk CDU: Aber das ergibt sich daraus!)

Deshalb haben wir es ausgesetzt. Ich finde, damit sind wir ei nen großen Schritt auf die Beamtenschaft in Baden-Württem berg zugegangen, und ich halte das auch für ein gutes Signal für ein gedeihliches Miteinander mit den Beamtenorganisati onen.

(Abg. Peter Hauk CDU: Sie machen doch gar nichts bei der Lebensarbeitszeit! – Glocke des Präsidenten)