Protocol of the Session on November 23, 2011

Für die FDP/DVP-Fraktion spricht Herr Kollege Dr. Rülke.

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich dem Kol legen Schmiedel ein Lob aussprechen.

(Abg. Walter Heiler SPD: Der ist immer gut!)

Ihre Ausführungen zu „Kreisel-Winfried“ haben mir gut ge fallen. Wir kennen diese Kreisel, die sich ständig wiederho len. Sie erinnern mich auch an meine eigenen Kinder. Aber durch dieses ständige Kreiseln wird es nicht richtiger.

Sie, Frau Kollegin Sitzmann, haben dem Kollegen Hauk vor geworfen, er habe Argumente wiederholt, die allzu bekannt seien.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Ach nein, ach nein!)

Es kann zwar sein, dass diese Argumente nicht ganz neu sind. Aber Sie reagieren dann darauf und ziehen daraus die Konse quenz, dass dem Kollegen Hauk vorzuwerfen sei, er zitiere altbekannte Argumente, während Sie selbst den gleichen Un sinn, der jetzt schon hundert Montage lang vor dem Bahnhof verzapft wird, diesem Haus auch immer wieder zumuten, Frau Kollegin.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Waren Sie schon einmal da? – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das nennt man Bürgerbeschimpfung! Nur so weiter!)

Ihr Wort in Gottes Ohr, Herr Kollege Schmiedel: „die letzte Debatte zu Stuttgart 21“. Mit Verlaub, ich glaube noch nicht ganz,

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Ich auch nicht!)

dass dies die letzte Debatte zu Stuttgart 21 hier in diesem Haus ist. Ich teile Ihre Hoffnung, dass wir am kommenden Sonntag zu einem Ergebnis, zu einer Entscheidung kommen. Ich teile auch die hier geäußerte Auffassung, dass die meisten der vor gebrachten Argumente nun wirklich nicht neu sind. Wenn noch irgendetwas Neues kommt, dann hat es die Qualität des sen, was Sie heute aus der „Bild“-Zeitung zitiert haben.

Insofern kann man, glaube ich, durchaus zu einem differen zierten Urteil zu diesem Projekt kommen. Das ist auch völlig klar. Wenn wir ein solch großes Infrastrukturprojekt beschlie ßen, das über Jahrzehnte geplant wird, das über Jahrzehnte umstritten ist, gibt es natürlich gute Argumente dagegen, und es gibt gute Argumente dafür. Nach unserer Überzeugung gibt es mehr und bessere Argumente für dieses Projekt. Deshalb wurde auf verschiedenen Ebenen über einen langen Zeitraum sowohl politisch als auch juristisch immer wieder die Ent scheidung getroffen, dass man dieses Projekt will.

Deshalb glaube ich: Selbst wenn man diese Argumente im Einzelnen hin und her wendet, gibt es einen alles überragen den Grund dafür, dass die Bevölkerung jetzt entscheiden muss, dass dieses Projekt kommt, und dass es im Interesse des Lan des Baden-Württemberg ist, diese Entscheidung zu treffen. Das ist die Zuverlässigkeit und Zukunftsfähigkeit des Landes Baden-Württemberg als Wirtschaftsstandort.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: So ist es!)

Denn wenn man durch Südamerika reist, wie Sie, Herr Minis terpräsident, das in der vergangenen Woche getan haben, und dort beispielsweise mit Wirtschaftsvertretern redet, dann stellt man fest, dass dieses Projekt dort bekannt ist. Die fragen dann: Was ist denn bei euch los?

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Genau!)

Kann man im Land Baden-Württemberg investieren?

(Zurufe von den Grünen: Ja!)

Ist eine Investition im Land Baden-Württemberg sicher, oder muss man befürchten, dass die Grünen an die Regierung kom men

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Das sind wir ja schon!)

und anschließend erklären: „April, April! Das, was hier inves tiert wurde, könnt ihr vergessen, und auch den Schaden, der euch entstanden ist, könnt ihr gleich selbst tragen“? Das ist die Botschaft, die Sie aussenden.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

Wenn es Ihnen gelingen sollte, dieses Projekt zu Fall zu brin gen, dann haben Sie dem Wirtschaftsstandort und dem Anse hen unseres Landes einen auf Jahrzehnte hinaus nicht wieder gutzumachenden Schaden zugefügt, meine Damen und Her ren.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Dann wird unser Land Baden-Württemberg als Synonym für mangelnde Fähigkeit zum Fortschritt

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Kopfbahnhof ist Fortschritt! – Gegenruf der Abg. Tanja Gönner CDU)

und als Synonym für mangelnde Innovationsfähigkeit in aller Welt gelten. Das nehmen Sie mit Ihrem machtpolitischen Kal kül in Kauf, nur um Ihre eigene Klientel weiter zufriedenzu stellen.

(Zurufe)

Sie werden unser Land in aller Welt als Synonym für man gelnde Infrastruktur, für die mangelnde Fähigkeit, die Infra struktur unseres Landes zu modernisieren, präsentieren.

Selbst wenn man dieses Projekt kritisch sieht, selbst wenn man an der einen oder anderen Stelle gute Argumente gegen dieses Projekt gefunden hat, muss man doch akzeptieren, dass die Entscheidungsvorgänge so weit gediehen sind. Man muss

außerdem akzeptieren, dass ein Investor, dass Kooperations partner an unserem Standort ein Mindestmaß an Verlässlich keit brauchen. Wenn Sie dieses Signal des Ausstiegs setzen, werden Sie das Vertrauen in das Land Baden-Württemberg zerstören.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Vertrags bruch!)

Noch ein Wort zur innerstädtischen Entwicklung und zu dem Märchen, zum Phantom K 21.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Hui!)

Meine Damen und Herren, ich verstehe nicht, wie Grüne ge gen die innerstädtische Entwicklung einer Fläche von über 100 ha sein können.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Herr Minister Hermann, nachdem Sie x-mal dagegen waren, erklären Sie nun plötzlich, Sie könnten sich vorstellen, dem Hybridbahnhof, den Herr Geißler vorgeschlagen hat, zuzu stimmen. Da stelle ich mir die Frage, warum Sie gerade dann gegen das Projekt sind, wenn der grünste Teil dieses Projekts, nämlich die innerstädtische Entwicklung, weggeschlagen wird. Innenentwicklung vor Außenentwicklung, Flächen spa ren, Bäume pflanzen – wenn das weggeschlagen wird, dann sind Grüne plötzlich dafür. Das demaskiert doch Ihr rein po litisch-taktisches Kalkül, dem Sie aufsitzen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Herr Ministerpräsident, ich hoffe sehr, dass Sie im Fall der Ablehnung des Gesetzentwurfs, wenn also die Neinstimmen überwiegen – was wir hoffen –, oder wenn das Gesetz am Quorum scheitert, sich nicht nur persönlich zu diesem Projekt bekennen, sondern auch Ihren Verkehrsminister in den Griff bekommen.

(Oh-Rufe von Abgeordneten der Grünen)

Herr Kollege Schmiedel hat gesagt, dass der Minister ständig etwas Neues erfinde. Sie haben die heutige Erfindung geschil dert. Gestern hat man gehört, dass er plötzlich wieder einen Stresstest für den Kopfbahnhof verlangt.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Was soll das, Herr Minister Hermann? Was soll in dieser Si tuation die Forderung nach einem Stresstest für den Kopf bahnhof? Am kommenden Sonntag wird über die Finanzie rung von Stuttgart 21 abgestimmt, und Sie fordern einen Stresstest für den Kopfbahnhof. Das ist doch reine Ablenkung.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

Es geht doch schlicht und einfach darum, abzulenken von den Dingen, die wirklich wichtig sind.

Herr Ministerpräsident, ich frage Sie noch einmal – vielleicht gewähren Sie uns die Ehre einer Antwort –: Sind Sie bereit, sich eindeutig zu Ihrer Projektförderungspflicht zu bekennen, wenn dieses Gesetz scheitert und dieses Projekt dann be

schlossen ist? Es genügt nicht, einfach nur darauf zu verwei sen, dass die Verfassung gilt. Vielmehr erwarten wir von Ih nen, dass Sie sich dann klipp und klar zur Projektförderungs pflicht des Landes Baden-Württemberg als Projektpartner be kennen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Ich hoffe sehr, dass dann keine zweite Front aufgebaut wird, dass man dann nicht sagt: „Das Gesetz ist gescheitert. Stutt gart 21 müsste eigentlich gebaut werden, aber wer weiß, ob der Kostendeckel eingehalten werden kann. Da wir der Über zeugung sind, dass der Kostendeckel durchschlagen wird, bleibt das Ergebnis des Projekts weiterhin offen.“ Stattdessen erwarte ich von Ihnen, dass Sie sich klipp und klar zur Pro jektförderungspflicht bekennen und keine zweite Front auf machen und nicht erklären, das Projekt stehe noch immer in frage, weil Sie bezweifeln, dass der Kostenrahmen eingehal ten wird. Vielmehr erwarten wir von Ihnen ein klares Bekennt nis dazu, wie es in Baden-Württemberg weitergeht. Nur dann, Herr Kollege Schmiedel, besteht die vage Aussicht, dass die heutige Debatte die letzte Debatte dazu war.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)