Protocol of the Session on November 23, 2011

(Abg. Winfried Mack CDU: Er kann es nicht lassen!)

und welcher dunkle Bereich sich da noch auftun könnte. Das ist völlig offen. Die Behörden haben darüber wenig Kenntnis se. Das muss aufgeklärt werden.

Das Gleiche gilt für die Mittel der Abwehrarbeit: Verfassungs schutz ja, V-Leute aus der rechtsextremistischen Szene mit Fragezeichen, meine Damen und Herren. Das muss kritisch überprüft werden.

(Beifall bei den Grünen)

Wenn wir heute hören, da waren bekennende Neonazis dabei, die sich unter Umständen – das ist noch nicht aufgeklärt – in der Nähe von Tatorten aufgehalten haben, die sechsstellige Summen erhalten haben und die rechtsextremistische Struk turen finanziert haben, unter Umständen auch die Strukturen dieser Mörderbande, dann ist das Thema „V-Leute aus diesem Bereich“ auf die Tagesordnung zu setzen und muss geklärt werden. Diese Frage muss anders beantwortet werden als bis her.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf von den Grünen: Und der Verfassungsschutz!)

Zivilgesellschaftliche Strukturen – das zum Schluss – müssen wir gemeinsam stärken. Aber da müssen wir auch bereit sein, Hindernisse, die die Politik und die Verwaltungen zuletzt auf gebaut haben, zu beseitigen. Sie von der Opposition müssen sich dort, wo Sie Regierungsverantwortung tragen, z. B. in Berlin, wirklich ernsthaft überlegen: Ist die sogenannte Ext remismusklausel jetzt richtig, um ein möglichst breites Bünd nis aller demokratischen Kräfte gegen Rechtsextremismus zu schaffen? Diese Frage ist auch in Baden-Württemberg wich tig, denn es gibt eine ganze Reihe von Initiativen z. B. aus dem jugendpolitischen Bereich, die durch diese Klausel be hindert werden.

Lassen Sie uns die Politik der letzten Jahre also kritisch über prüfen und gemeinsam zu neuen Antworten kommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

In der zweiten Runde habe ich noch eine Wortmeldung von Herrn Abg. Professor Dr. Goll.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sicher geht es nicht um Schnellschüsse; ganz klar. Auf der anderen Seite zeichnet sich doch auch schon ei niges ab. Es geht von der Analyse her darum, dass man die sen Fall tatsächlich in seiner Breite, in all seinen Facetten wahrnimmt. Das hat auch schon etwas Einmaliges; das wer den Sie mir, glaube ich, zugestehen, zumal wenn man ein sol ches Delikt sieht.

Insofern erinnert mich bei dieser Debatte manches ein biss chen an die Debatte, die wir über die Geschehnisse in Win nenden geführt haben. Auch bei diesem Thema versucht man, Regeln zu finden, die für alle Fälle gelten, und dabei gerät vielleicht manchmal aus dem Blick, dass es immer wieder Fäl le gibt, die völlig aus dem Rahmen fallen. Das soll aber nicht so verstanden werden, dass man sich zurücklehnen könnte und nicht nach Ursachen forschen sollte, nicht danach, was man besser machen könnte.

Deswegen zum Schluss noch ein paar Worte dazu, wo sich für mich schon abzeichnet, dass man sehr wohl etwas tun sollte.

Angesprochen worden ist die Zivilgesellschaft. Es ist das Wichtigste, gerade bei jungen Leuten positive Inhalte zu schaffen. Angesprochen wurden die Angebote für Aussteiger. Diese erfolgreichen Programme sind wichtig.

Darüber hinaus zeichnet sich aber auch schon ab, dass wir, glaube ich, Handlungsempfehlungen brauchen, wie die Arbeit der Sicherheitsbehörden optimiert und besser koordiniert wer den kann. Für mich gilt das gerade für den Verfassungsschutz. Es ist ziemlich offenkundig geworden, dass wir eine bessere Koordinierung der Verfassungsschutzbehörden brauchen. Da bei stellt sich für mich auch die Frage, ob die Struktur, die wir mit den insgesamt 16 Landesverfassungsschutzbehörden mit ihren sehr großen Unterschieden in der Leistungsfähigkeit ha ben, wirklich die beste ist. Diese Frage darf letztlich kein Tabu sein.

Schließlich komme ich zu einer Frage, die meiner Partei und meiner Fraktion ebenfalls wichtig ist, nämlich der Frage nach dem rechtlichen Rahmen für den Einsatz von V-Leuten. Ich

bin nicht dafür, die V-Leute komplett dort herauszunehmen; denn dann hätten wir unter Umständen keine Erkenntnisse mehr darüber, was dort vorgeht. Aber ich glaube, viele wer den ebenfalls das etwas ungute Gefühl haben, dass wir eigent lich gar nicht wissen, was da passiert. Beispielsweise ist die Frage, wie viele V-Leute eigentlich eingesetzt sind, eine wich tige Frage für jedes Verbotsverfahren vor dem Verfassungs gericht.

Erstaunlich ist natürlich auch, dass sich in einem Gesetz wie dem Bundeskriminalamtsgesetz praktisch keinerlei Regelun gen über die Tätigkeit von V-Leuten finden – genauso wenig wie in den Polizeigesetzen der Länder. Wenn man genau hin schaut, stellt man fest, dass dort eigentlich fast gar nichts ge regelt ist. Ich meine schon, dass wir eine Debatte darüber brauchen, ob so etwas gut ist und ob das zu einem Rechtsstaat heutiger Prägung passt.

Natürlich sind V-Leute ein wichtiges Mittel der Aufklärung, gerade auch in solchen Fällen. Aber es darf nicht sein, dass im Ergebnis Vertrauenspersonen außerhalb unseres Rechts systems stehen.

Das sind die Fragen, die sich für mich konkret abzeichnen. Ich meine, wir sollten gemeinsam die Konsequenzen aus die sem Fall ziehen und dazu beitragen, dass sich die Arbeit der Ermittlungsbehörden verbessert.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aktuelle De batte beendet.

Wir haben aber noch über den Antrag der Fraktion der CDU, der Fraktion GRÜNE, der Fraktion der SPD und der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 15/903, abzustimmen. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dieser Antrag ist ein stimmig angenommen.

Ich darf mich für dieses Signal der Geschlossenheit ganz herz lich bedanken.

Punkt 1 der Tagesordnung ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Baden-Württemberg vor der Volksab stimmung – Nein zum S-21-Ausstiegsgesetz – beantragt von der Fraktion der CDU

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte die Gesamtredezeit von 40 Minuten festgelegt. Da rauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen und für die Red ner in der zweiten Runde gilt jeweils eine Redezeit von fünf Minuten. Ich darf die Mitglieder der Landesregierung bitten, sich ebenfalls an den vorgegebenen Redezeitrahmen zu hal ten.

Einmal mehr möchte ich darum bitten, die Aussprache im Rahmen der Aktuellen Debatte gemäß § 60 Abs. 4 unserer Ge schäftsordnung in freier Rede zu führen.

Für die CDU-Fraktion erhält Herr Abg. Peter Hauk das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehr ten Damen und Herren! Am kommenden Sonntag ist der ers te Advent. Er leitet die Adventszeit ein, eine Zeit der Ruhe, des Friedens und auch der Besinnung. Vor diesem Hintergrund könnte der 27. November der Tag werden, auf den viele Men schen in diesem Land tatsächlich gewartet haben. Er kann zu einem Tag werden, an dem eine lange Diskussion ein Ende findet – ein Ende, das sich mittlerweile viele Bürgerinnen und Bürger tatsächlich auch wünschen.

Dieser Tag könnte die Zeit des Friedens und des guten Mitei nanders einläuten. Egal, ob wir Gegner oder Befürworter von Stuttgart 21 sind – uns eint der Wunsch, dass die Bürgerinnen und Bürger am kommenden Sonntag in großer Zahl an dieser Abstimmung teilnehmen.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der SPD und der FDP/DVP)

Wir wollen, dass Baden-Württemberg wieder in den Fokus rückt, weil wir für Innovation, für Fortschritt, für Mobilität und für Wirtschaftskraft stehen, dass man wieder voller Ver trauen nach Baden-Württemberg blickt, weil wir Vorreiter und Vordenker und nicht Schwarzseher und Verhinderer sind.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Die Menschen im Land entscheiden an diesem Tag, ob Ba den-Württemberg in eine moderne und wettbewerbsfähige Zu kunft fährt oder ob es auf dem Abstellgleis landet. Deshalb wollen wir ein klares Votum, und deshalb werben wir für die se Abstimmung bis zuletzt bei den Wählerinnen und Wählern; wir werben darum, dass sie am Sonntag ihre Stimme abgeben.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Wir auch!)

Die CDU-Fraktion in diesem Haus, aber auch die Kollegen von der SPD und der FDP/DVP – somit also eine breite Mehr heit – treten dafür ein, dass ein klares Signal in Richtung Zu kunft gesetzt wird.

Bei kaum einem anderen politischen Streitthema gab es einen so großen Konsens, eine so große Einmütigkeit unter den po litisch Verantwortlichen in unserem Land. Die Landräte, die Bürgermeister, die Gemeinderäte, die gesamte kommunale Familie, sie alle wollen Stuttgart 21,

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Hans- Ulrich Sckerl GRÜNE schüttelt den Kopf.)

weil wir damit zu einem Land werden können, in dem sich die Menschen noch intensiver begegnen, noch näher zusam menrücken.

Hierfür brauchen wir auch das Bahnprojekt Stuttgart–Ulm. Hierfür brauchen wir die Beseitigung des Engpasses im Stutt garter Talkessel und die Neubaustrecke nach Ulm. Beides ge hört nämlich zusammen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Entgegen irriger Meinungen, die von einem Teil der Landes regierung vertreten werden, sind Stuttgart 21 und die Neu baustrecke untrennbar miteinander verbunden.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der SPD und der FDP/DVP)

Dabei geht es nicht nur um die Finanzierung, sondern vor al lem das bahntechnische Konzept hängt damit zusammen. Zu dem haben die Bahn und der Bund auch klar erklärt, dass Stuttgart 21 und die Neubaustrecke zusammengehören. Da her wird es die Neubaustrecke, die in unserem Land eine ganz zentrale Investition ist und die hier doch offensichtlich von al len Fraktionen gewollt wird, nicht geben, wenn S 21 nicht kommt.

Auch wenn der Verkehrsminister immer wieder das alte Mär chen erzählt, dass Stuttgart 21 andere Projekte kannibalisie re, und auch wenn wir es schon tausendmal erklärt haben, er klären wir es heute noch einmal, denn bekanntlich höhlt nur steter Tropfen den Stein: Der Ausbau der Gäubahn und der Ausbau der Südbahn sterben nicht mit Stuttgart 21, sondern sterben ohne Stuttgart 21.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der SPD und der FDP/DVP)

Am Wochenende hat der Bahnchef erklärt, dass die Finanzie rung des Rastatter Tunnels sichergestellt ist und dass der Bau im kommenden Jahr beginnen kann. Gerade den Anwohnern an der Rheintalbahn muss man ehrlich sagen: Wenn das Land 1,5 Milliarden € oder mehr an Schadensersatz zahlt und die se Zahlungen, wie es der Finanzminister schon angekündigt hat, aus dem Verkehrsetat kommen sollen, dann bleibt für den Lärmschutz, für den zusätzlichen Ausbau des Lärmschutzes an der Rheintalbahn nichts mehr übrig.