Protocol of the Session on November 10, 2011

Ich gehe einmal da von aus, Herr Kollege Mack – Sie sind ein von mir sehr ge schätzter Kollege –, dass Sie dieses Gutachten kennen. Es wurde von Ihnen immer in Zweifel gezogen. Also gehe ich davon aus, dass Sie es zumindest gelesen haben. Dieses Gut achten bewegt sich haarscharf entlang Artikel 60 unserer Ver fassung mit den dort vorgesehenen Regelungen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Winfried Mack CDU: Vielen Dank!)

Ich möchte jetzt keine weiteren Ausführungen zu den Kündi gungsgründen und zum Kündigungsrecht machen. Das ist jetzt schon im Zusammenhang mit den Fragen geschehen.

Ich möchte nur noch eines zum Thema Schadensersatz bzw. Entschädigung sagen – Herr Müller, das wurde in Ihrer schrift lichen Anfrage auch formuliert –: Rechtsprechung und Lite ratur zu § 60 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes ge hen zunächst einmal grundsätzlich davon aus, dass ein Scha densersatzanspruch bei berechtigter Kündigung nicht besteht. Je nach Umfang und Struktur eines Vorhabens können sich al lerdings Entschädigungsansprüche ergeben.

(Abg. Karl Klein CDU: Aha!)

Das steht in unserer Stellungnahme. Das haben wir offen dar gelegt, und das war auch immer klar. Das steht im Übrigen auch so in unserem Hermes-Wieland-Gutachten. Das haben wir nie verschwiegen. Davon gehen auch Gegner und Befür worter, zumindest in diesem Punkt, einmütig aus.

Etwas anderes würde nur gelten, wenn ein Gericht feststellen sollte, dass Kündigungsgründe nicht zu Recht bestünden. Dann allerdings wäre in der Tat der Haftungsrahmen größer.

Nun zu der Frage: Was passiert nach der Volksabstimmung, je nachdem, wie sie ausgeht? Der Herr Ministerpräsident hat bei vielfältigen Anlässen schon deutlich gemacht, dass wir, je

nachdem, wie das Ergebnis ausgeht, dann mit den Vertrags partnern sprechen müssen. Wir werden mit den Vertragspart nern sprechen. Wir sind keine Prozesshansel; uns liegt nichts an Prozessen, sondern uns liegt an einvernehmlichen Rege lungen. Diesen Weg hat der Herr Ministerpräsident aufgezeigt. Ich bin sicher, dass die Regierungsfraktionen diesem Weg fol gen werden.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch eines sagen: Wir bewe gen uns hier nach gründlicher Prüfung strikt auf dem Boden unserer Landesverfassung, und diesen Boden werden wir auch nicht verlassen. Das garantiert Ihnen diese Landesregierung.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine Damen und Herren, mir lie gen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen damit zur geschäftsordnungsmäßigen Behand lung des Antrags. Weil es ein reiner Berichtsantrag ist, kann er für erledigt erklärt werden. – Sie stimmen dem zu.

Damit ist Punkt 2 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

a) Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der

FDP/DVP – Gesetz zur Änderung der Verfassung des Landes Baden-Württemberg – Drucksache 15/503

b) Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der

CDU – Gesetz zur Änderung der Verfassung des Lan des Baden-Württemberg – Drucksache 15/632

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten und für die Aussprache zehn Minuten je Fraktion, wobei gestaffelte Redezeiten gelten. Ich darf Sie ausdrücklich bitten, sich an die vorgegebenen Redezeiten zu halten.

Zur Begründung seitens der Fraktion der FDP/DVP hat Herr Abg. Dr. Rülke das Wort.

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Der von uns vorgelegte Ge setzentwurf zur Änderung der Verfassung des Landes BadenWürttemberg hat in seinem Kern zum Ziel, die Schuldenbrem se, die auf Bundesebene vereinbart wurde, in die Verfassung des Landes Baden-Württemberg aufzunehmen bzw. – um es vereinfacht zu formulieren – der Schuldenbremse Verfas sungsrang zu verleihen, so, wie das etwa in den Ländern Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Hessen bereits der Fall ist.

Im Kern geht es um das gleiche Anliegen wie beim Gesetz entwurf der CDU-Fraktion, der am heutigen Tag ebenfalls zu behandeln ist. Diesen Gesetzentwurf der CDU-Fraktion be grüßen wir ebenfalls. Wir sind aber der Auffassung, dass die Vorgaben in unserem Gesetzentwurf noch etwas enger, noch etwas ehrgeiziger sind.

Es soll darum gehen, eine grundlegende Konsolidierung des Landeshaushalts zu ermöglichen. Schon das seit dem Jahr

2008 geltende Recht sieht vor, dass in einer konjunkturellen Normallage keine neuen Schulden aufgenommen werden dür fen und dass Schulden, die über die zulässige Gesamtverschul dung hinaus aufgenommen werden, in einem angemessenen Zeitraum zu tilgen sind.

Wir haben aufgrund der Wirtschaftskrise der Jahre 2008 und 2009 mit dem Doppelhaushalt 2010/11 neue Schulden aufge nommen. Das war notwendig. Es waren Konjunkturprogram me notwendig. Nach meinem Eindruck haben es im Grunde alle im Landtag von Baden-Württemberg vertretenen Frakti onen für richtig gehalten, in dieser konjunkturellen Situation einzugreifen und solche Programme aufzulegen. Insofern war es, wie gesagt, notwendig, auch in die Neuverschuldung zu gehen.

Die entscheidende Regelung aber, die wir mit der Änderung der Landeshaushaltsordnung in der letzten Legislaturperiode beschlossen haben, ist, dass neu aufgenommene Schulden in einem angemessenen Zeitraum – das heißt innerhalb von ma ximal sieben Jahren – zurückzuführen sind.

Das ist im Grunde auch die Hauptmotivation für den von uns vorgelegten Gesetzentwurf. Ich könnte mir vorstellen, dass dies in ähnlicher Weise auch für den von der CDU-Fraktion eingebrachten Gesetzentwurf gilt. Denn wir haben gewisse Zweifel, ob es Ihnen mit der Schuldentilgung ernst ist.

Wenn Sie nämlich in Ihrem Koalitionsvertrag und in der Re gierungserklärung ankündigen, Sie wollten erst im Jahr 2020 dauerhaft zur Nullneuverschuldung kommen, impliziert dies ja Ihren Willen, die neu aufgenommenen Schulden eben nicht zeitnah, nicht innerhalb von sieben Jahren zu tilgen. Dies, meine Damen und Herren, widerspricht eindeutig dem, was Sie in Oppositionszeiten immer gefordert haben, und insbe sondere dem, was Ministerpräsident Kretschmann noch wäh rend seiner Zeit als Vorsitzender der Fraktion GRÜNE immer gefordert hat.

Natürlich muss es Ausnahmen vom Verbot der Neuverschul dung geben. Diese Ausnahmen liegen etwa im Bereich von Naturkatastrophen – mit oder ohne Notbewilligungsrecht. Es soll möglicherweise um massive konjunkturelle Einbrüche ge hen. So wurde teilweise – auch jetzt – argumentiert. Solange man mit dem Vierten Nachtrag noch neue Schulden aufneh men wollte, hat der Finanzminister als Argument dafür ange führt, es gebe Steuereinbrüche in Höhe von mehr als 1 %. Er hat trickreich, wie man manchmal ist, wenn man neu in die Regierungsverantwortung kommt, als Maßstab nicht das Vor jahr, sondern das Jahr 2008 herangezogen. Er hat dann ver sucht, im Vergleich zu 2008 Steuermindereinnahmen nachzu weisen, und hat damit die Neuverschuldung begründet.

Jetzt erhalten Sie nach der Steuerschätzung mindestens eine weitere Milliarde an Steuereinnahmen und sind mittlerweile auch auf dem Kurs, den neuen Haushalt ohne Aufnahme neu er Schulden vorlegen zu können. Insofern brauchen Sie diese Hilfsargumentation nicht.

Aber es geht darum, solche Tricks für die Zukunft unmöglich zu machen und auch eine rechtliche Grundlage dafür zu schaf fen, dass gerichtlich überprüft werden kann, ob Sie dem Ziel der Landeshaushaltsordnung, neue Schulden nur in Extrem situationen zu machen und neu aufgenommene Schulden in

nerhalb von sieben Jahren zu tilgen, in der Regierungsverant wortung auch wirklich nachkommen. Das würde – darum muss es auch gehen – auch für alle Nachfolgeregierungen gel ten.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Deswegen muss man es gescheit machen!)

Ja, deshalb muss man es richtig machen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ja, richtig!)

Deshalb muss man auch Ministerpräsident Kretschmann beim Wort nehmen. Er hat in seiner Zeit als grüner Oppositionspo litiker immer gefordert, man müsse das in der Landeshaus haltsordnung verankerte Verbot der Neuverschuldung in die Landesverfassung aufnehmen, um unsolide handelnde Regie rungen, die neue Schulden machen, zu zwingen, diese Schul den zeitnah wieder abzubauen. Nur hat er, als er dies gefor dert hat, wahrscheinlich nie damit gerechnet, in Regierungs verantwortung zu kommen. Denn seit er in Regierungsverant wortung steht, hört man zu diesem Thema nichts mehr.

(Zuruf der Abg. Muhterem Aras GRÜNE)

Wir wollen ihm jetzt die Gelegenheit geben, das, was er in der Opposition gefordert hat, umzusetzen

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

und entweder unserem Gesetzentwurf oder dem Gesetzent wurf der CDU-Fraktion zuzustimmen. Denn beide verfolgen das Ziel und würden es auch erreichen, das umzusetzen, was der Oppositionspolitiker Kretschmann immer gefordert hat. Jetzt kann er seinen Worten aus der Opposition in Regierungs verantwortung Taten folgen lassen.

Wir sind außerordentlich gespannt, ob Herr Ministerpräsident Kretschmann noch zu den Worten des Oppositionspolitikers Kretschmann steht. Denn Grün-Rot bricht in doppelter Hin sicht die Vorgaben der Landeshaushaltsordnung. Ich habe es schon erwähnt: Da ist zum einen die trickreiche Begründung für die Neuverschuldung im Vierten Nachtragshaushalt –

(Zuruf von den Grünen: Was denn?)

das ist jetzt wahrscheinlich Makulatur –, die trickreiche Be gründung dafür, dass man neue Schulden macht, indem man erklärt, bezogen auf das Jahr 2008 habe man Steuerminder einnahmen. Aber das ist eben nicht die Vorgabe der Landes haushaltsordnung. Hier muss man die Dinge konkretisieren, damit nicht in Zukunft wieder trickreiche Finanzminister die Landeshaushaltsordnung umgehen können.

(Vereinzelt Beifall)

Dasselbe gilt für die Ankündigung, erst im Jahr 2020 dauer haft zur Nullneuverschuldung zu kommen. Das ist ebenfalls gerade nicht das Ziel der Schuldenbremse. Es ist nicht das Ziel der Landeshaushaltsordnung, dass man bis zum Jahr 2020 lo cker neue Schulden anhäuft und erst dann mit der Nullneu verschuldung anfängt. Das Ziel des Schuldendeckels – das ist das eigentlich Neue an dieser Landeshaushaltsordnung –, das in der letzten Legislaturperiode beschlossen worden ist, ist,

dass wir über diesen Schuldendeckel nicht mehr hinauskom men, und wenn, dann nur sehr kurzfristig, maximal sieben Jahre lang. Aber genau das haben Sie offensichtlich nicht vor, sonst könnten Sie in den Koalitionsvertrag nicht hineinschrei ben, bis zum Jahr 2020 die Neuverschuldung immer wieder erhöhen zu wollen.

Insofern können wir Ihnen von den Regierungsfraktionen und insbesondere auch Ministerpräsident Kretschmann abschlie ßend nur zurufen, dies zu unterstützen und nicht – so, wie er das in einigen anderen Fällen während des letzten halben Jah res, also in den sechs Monaten, in denen er im Amt ist, schon gemacht hat – quasi unter Berufung auf Konrad Adenauer zu erklären: Was interessiert mich mein dummes Geschwätz von gestern? Jetzt bin ich Ministerpräsident, und jetzt gilt das Gan ze nicht mehr.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Ja, Herr Kollege Drexler, dafür gibt es genügend Beispiele. Da gibt es z. B. die Ankündigung, wir müssten in BadenWürttemberg weniger Autos bauen.