Herr Professor Dr. Goll: Die Beteiligung von Privaten – der hessischen Firma – wurde unter Ihrer Regierungszeit begon nen, und wir haben vor einem halben Jahr das Erbe angetre ten. Es ist nicht verwunderlich, dass das so ist, weil es über
Herr Abg. Sckerl, entneh men Sie der Stellungnahme des Innenministeriums, dass im Land Baden-Württemberg in der Vergangenheit rechtswidrig gehandelt wurde?
Nein, das habe ich auch nicht gesagt. Ich habe die Rechtswidrigkeit in anderen Bun desländern – allerdings in solchen, in denen die FDP an der Regierung beteiligt ist – verortet. Das ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen.
Was die Beteiligung von Privaten angeht, sind wir wieder na he beieinander. Auch wir sehen eine unabhängige Kontroll stelle und, was die Entwicklung von Software betrifft, die Ein richtung eines staatlichen Kompetenzzentrums als notwendig an. Das ist eine hoheitliche Aufgabe von so überragender Be deutung, dass wir die Notwendigkeit sehen, dass sich der Staat da selbst engagiert und Dritte hier nicht mehr beteiligt wer den. Wir werden sehen, in welchen Zusammenhängen und Zeiträumen das möglich ist.
Unter dem Strich ist für uns der Schutz der Bürgerrechte be sonders wichtig. Es geht um einen sensiblen Bereich von Per sönlichkeitsrechten, gerade im persönlichen Umgang mit dem Computer. Es gibt aber auch Sicherheitsinteressen des Staa tes. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass wieder die notwendi ge Balance zwischen Freiheit und Sicherheit hergestellt wird.
Herr Präsident, meine Da men und Herren! Das Thema Quellen-TKÜ ist hier in diesem Haus erfreulicherweise ein Thema ohne großen Streit. Allge mein ist anerkannt, dass die Polizei bei schwerster und schwe rer Kriminalität wie Kinderpornografie, Terrorismus, Strafta ten gegen das Leben oder schwersten Drogendelikten dieses Instrument braucht. Das ist unstrittig. Wir bewegen uns in ei nem Umfeld, bei dem wir feststellen, dass der technische Fort schritt und die Kommunikationsmöglichkeiten immer weiter und rasant zunehmen, während die Verbraucher immer macht loser werden und auch die Ermittlungsbehörden nicht die Möglichkeit haben, effektiv entgegenzutreten.
Ich nenne ein Beispiel dafür, wie raffiniert heutzutage in Ver bindung mit dem Internet gearbeitet wird. Eine Bürgerin aus
Baden-Württemberg hat eine E-Mail bekommen und ist dar in aufgefordert worden, einen relativ kleinen Betrag über 200 €
auf ein afrikanisches Konto zu überweisen. Die Frau hat na türlich sofort gesagt: „Das mache ich nicht, ich bin doch nicht bescheuert.“ Zwei Minuten später klingelte ihr Telefon. Es meldete sich jemand, der sagte: „Hier ist die Polizei. Sie ha ben gerade eine E-Mail von einem afrikanischen Netzwerk bekommen. Bitte überweisen Sie diese 200 €, weil wir nur auf diese Art und Weise herausbekommen können, wer die eigent lichen Verbrecher sind.“ Die alte Dame hat das gemacht, weil sie gedacht hat, sie arbeite im Sinne der Polizei, um diese Leu te endlich dingfest zu machen.
Ein paar Tage später ruft sie bei der Polizei an und fragt: „Sa gen Sie einmal, wie ist das? Wie kriege ich mein Geld zurück? Ich habe doch jetzt in eurem Sinn gearbeitet. “ Aber die Poli zei hat gesagt: „Wir haben Sie gar nicht angerufen.“
Fragen Sie sich einmal selbst, ob Sie in einer Situation, in der Sie von der Polizei aufgefordert werden, einen relativ kleinen Betrag zu überweisen, um solche Täter dingfest zu machen, nicht tätig geworden wären.
Aber die Polizei muss in diesem Fall sagen: „Gute Frau, ich kann Ihnen da nicht helfen. Meine Möglichkeiten reichen nicht aus, die Verbrecher zu verfolgen, sodass Sie wieder an Ihr Geld kommen.“ An dieser Stelle besteht eine Lücke. Die se macht es u. a. erforderlich, schwerpunktmäßig in diesem Bereich neue Instrumente zu finden.
Die Quellen-TKÜ wurde in fünf Jahren in fünf Fällen durch geführt, von denen aus baden-württembergischer Sicht nur vier beantragt waren. Dieser Bereich ist vor dem Hintergrund dessen, was an Cyberkriminalität noch auf uns zukommen wird, viel zu wenig belichtet. Die Probleme hinsichtlich der Cyberkriminalität und der Lösung durch vernünftige Gegen angriffe führen auch dazu, dass wir im Moment noch mit Soft ware arbeiten, die tatsächlich mehr kann, als wir rechtlich dür fen.
Die Stellungnahme zu dem Antrag hat ergeben, dass das In nenministerium die zusätzlichen Möglichkeiten, die mit der Software genutzt werden können, gar nicht in Anspruch ge nommen hat. Vielmehr hat es sich auf das beschränkt, was es letztlich tun darf.
Jetzt kommen wir zum eigentlichen Knackpunkt. Diesen hat bereits Herr Professor Dr. Goll angesprochen. Tatsächlich ist es ungut, dass wir auf Privatunternehmen angewiesen sind, um solche sicherheitsrelevanten Probleme zu lösen. Das ist tatsächlich gefährlich. Während Ihrer Regierungszeit haben Sie es nicht geschafft, diesen Bereich wieder in die öffentli che Hand zurückzuführen. Das hat natürlich einen Grund: Es ist irre teuer, die entsprechende Software selbst zu entwickeln, das Personal vorzuhalten und in die Lage zu versetzen, sol che Software zu entwickeln.
Ich habe kürzlich mit Spezialisten gesprochen. Bei der beste henden Vergütungssituation im öffentlichen Dienst, bei der Polizei, werden wir mitnichten in der Lage sein, solche Pro
bleme zu lösen, es sei denn, dieser Landtag würde für die Po lizei Unsummen zur Verfügung stellen, um in diesem Bereich tätig zu werden.
Insofern ist es eine Krücke, dass wir im Moment noch diese Instrumente heranziehen müssen. Aber ich bin sicher, dass die baden-württembergische Polizei und unser Innenminister – wie sich aus der Stellungnahme zum vorliegenden Antrag er gibt – diese Instrumente verantwortungsvoll nutzen – genau so verantwortungsvoll wie jeder Polizeibeamte seinen Revol ver nutzt. Denn jeder Revolver, den ein Polizeibeamter bei sich trägt, kann selbstverständlich auch anders verwendet wer den als nur in besonders heiklen Situationen. Wir vertrauen unseren Polizisten, dass sie ihre Revolver nur zu diesen Zwe cken nutzen. Genauso verfahren wir bei der Quellen-TKÜ.
In diesem Sinn bedanken wir uns für die Beantwortung der Fragen. Ich denke, dem Anliegen der FDP/DVP ist ausrei chend Rechnung getragen.
Herr Präsident, werte Kolle ginnen, werte Kollegen! Die Veröffentlichungen über den so genannten Bundestrojaner durch den Chaos Computer Club haben in den zurückliegenden Wochen eine intensive und, wie so oft in ähnlichen Fällen, eine außerordentlich aufgeregte Diskussion über die Rechtmäßigkeit der Überwachung von verschlüsselten Kommunikationen im Internet ausgelöst.
Es gab eine intensive Medienberichterstattung. Diese führte mit dazu, dass die Zulässigkeit der sogenannten Quellen-Te lekommunikationsüberwachung infrage gestellt und die öf fentliche Diskussion angeheizt wurde, insbesondere deshalb, weil zumindest meines Erachtens vieles miteinander ver mischt wurde: Telekommunikationsüberwachung, QuellenTKÜ, aber auch Onlinedurchsuchungen, Terrorismusgesetze und Ähnliches. Über all dies wurde im selben Zusammenhang diskutiert. Umso erfreuter stelle ich heute fest, dass die Dis kussion auf einer außerordentlich sachlichen Basis stattfindet. Herr Professor Dr. Goll, auch Sie haben mit Ihren Erklärun gen dazu beigetragen, dass die Begrifflichkeiten nicht ver mischt werden.
Meine Damen und Herren, Sie alle wissen und die immer wie der zitierten Urteile des Bundesverfassungsgerichts und – be zogen auf Bayern – des Landgerichts Landshut stellen fest, dass die angewendete Quellen-TKÜ kein neues Instrument ist. Auch ist sie ein rechtlich zulässiges Instrument.
Da aber die Vorwürfe, die in einem zeitlichen Zusammenhang mit den Veröffentlichungen des Chaos Computer Clubs auf gekommen sind, schwerwiegend waren und sind und auch die Polizei in Baden-Württemberg genau die angesprochene Soft ware eingesetzt hat, habe ich mich am 10. Oktober – ich fin de, relativ schnell – dazu entschlossen, die Software – wohl gemerkt: vorläufig – nicht mehr entsprechend einzusetzen. Andere Bundesländer bzw. andere Innenminister sind diesem Beispiel gefolgt. Auch der Bundesinnenminister hat die Län der aufgefordert, entsprechend zu verfahren.
Ich kann Ihnen aber sagen, dass die Quellen-TKÜ in BadenWürttemberg ausschließlich – das kann auch gar nicht anders sein – auf der Grundlage richterlicher Anordnungen und im Rahmen der rechtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsge richts eingesetzt wurde. Das heißt, die damals politisch Ver antwortlichen können sich ganz entspannt zurücklehnen.
Gleichwohl ist mir wichtig zu sagen, dass auch ich als Innen minister einer grün-roten Landesregierung die Telekommuni kationsüberwachung als ein unverzichtbares Mittel der Straf verfolgungsbehörden betrachte. Wir brauchen dieses Instru ment schlicht und ergreifend im Kampf gegen organisierte Kriminalität. Wir brauchen dieses Instrument im Kampf ge gen Terrorismus und zur Abwehr von Terrorismusgefahr.
Meiner Stellungnahme können Sie entnehmen, dass im ver gangenen Jahr auf richterliche Anordnung bei bestimmten, im Katalog von § 100 a der Strafprozessordnung definierten Straf taten rund 1 700 Kommunikationsüberwachungen durchge führt wurden. Dabei haben die Ermittlungsbehörden in eini gen wenigen Fällen feststellen müssen, dass Kommunikation verschlüsselt betrieben wird und demzufolge nicht mehr mit den Mitteln der Telekommunikationsüberwachung überwacht werden kann.
Deshalb bin ich der Auffassung, dass der Polizei, aber auch dem Verfassungsschutz Werkzeuge zur Verfügung stehen müs sen, um eine Überwachung verschlüsselter Kommunikation zu ermöglichen. Man kann sagen, dass die Telekommunika tionsüberwachung nichts anderes ist als die Überwachung ei ner Sprachquelle, die wiederum Ausfluss eines Kommunika tionsverhaltens des 21. Jahrhunderts und natürlich auch schon des zurückliegenden Jahrhunderts ist.
Es gibt mittlerweile Studien – Sie alle kennen sie –, die klar belegen, dass Ermittlungsbehörden heutzutage aufgrund der Globalisierung und der Verlagerung von Tatorten in die virtu elle Welt zumindest teilweise abgeschnitten sind und dass dort mühelos mit relativ geringen Risiken terroristische Aktivitä ten – Kollege Sakellariou hat z. B. schwere Straftaten genannt – verabredet, vorbereitet und durchgeführt werden können. Auf internationaler Ebene spricht man in diesem Zusammen hang von einem Prozess der langsamen Verdunkelung von Straftaten. Ich denke, das sollten wir nicht akzeptieren wol len.
Ich bin der Auffassung, dass die Bürger einen Anspruch ge genüber dem Staat haben, in der virtuellen Welt den gleichen Schutz zu erhalten wie auch im üblichen Alltagsleben. Des halb brauchen Justiz und Polizei grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten, wie sie die Straftäter haben. Zumindest ich empfinde das so.
Man kann das auch ganz einfach an Bildern festmachen. Wenn Straftäter über das herkömmliche Festnetz untereinander oder mit Dritten telefonieren, dann können wir das überwachen. Was ist aber, wenn diese Straftäter Skype benutzen?
Wenn ein Terrorist ein Testament schrieb, in diesem Testament seinen Suizid ankündigte und dieses Testament per Post in sei ne Heimat verschickte – diese Fälle gab es; deshalb nenne ich einen solchen Fall –, konnte durch die Beschlagnahmung der Post Aufklärung betrieben werden. Was machen wir aber, wenn solche Personen heute auf Facebook posten? Was dann?
Deshalb sollten wir heute diese moderne Technik nutzen kön nen und nutzen dürfen. Es darf nicht sein, dass die Aufklärung schwerer Straftaten ausschließlich davon abhängt, welches Medium ein Straftäter benutzt.
Ich sage ganz klar: Rechtsfreie Räume im Internet sollten wir nicht dulden. Ich glaube, die Mehrheit der Bevölkerung sieht das auch so und hat diesen Anspruch gegenüber den Ermitt lungsbehörden.
Sie wissen – ich will es ausdrücklich wiederholen –, dass das Bundesverfassungsgericht klargestellt hat – Herr Professor Goll, Sie haben darauf hingewiesen –, dass die Quellen-TKÜ von der Eingriffsermächtigung des § 100 a der Strafprozess ordnung umfasst ist. Natürlich kommt eine solche technisch komplizierte, aufwendige, auch finanziell aufwendige Maß nahme nur in sehr wenigen Fällen zum Einsatz.
Ich habe in meiner schriftlichen Stellungnahme dargelegt, dass wir die Quellen-TKÜ in Baden-Württemberg viermal einge setzt haben. Das entspricht einem Anteil von 0,2 % der Er mittlungsverfahren, in denen die herkömmliche TKÜ zum Einsatz gekommen ist. Es handelte sich dabei um Verfahren wegen Terrorismus, wegen organisierter Kriminalität und we gen Mord. Weitere Ausführungen kann und will ich dazu nicht machen,