Protocol of the Session on October 26, 2011

Ich bin der festen Überzeugung, dass es gelingen kann, die EnBW auf einen neuen Kurs zu führen, der ihre wirtschaftli che Stärke wiederherstellt. Wir hoffen auch, mittelfristig, zu mindest aber langfristig, die erheblichen finanziellen Einbu ßen, die das Land durch den von Ihnen zu verantwortenden Kauf hinnehmen muss, zurückführen, zumindest aber mini mieren zu können.

Die Gewissheit hierüber basiert nicht zuletzt auf zwei Punk ten: erstens auf dem enormen energiewirtschaftlichen Knowhow, das es in der EnBW und bei deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zweifelsohne gibt,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Okay! Das ist schon einmal gut!)

und zweitens auf der Motivation und dem Gestaltungswillen einer wachen Arbeitnehmerseite, die ich einlade und bitte, sich gemeinsam mit uns und den OEW den völlig veränderten Marktbedingungen zu stellen.

Diese Gewissheit basiert zudem auch auf der Überzeugung, dass es in schwierigen Zeiten, wie sie gegenwärtig bestehen, für ein Unternehmen wie die EnBW gut ist, mit den OEW und der Landesregierung zwei starke, faire und berechenbare Part ner an der Seite zu haben. Wenn diese beiden Begleiter in en gem Schulterschluss agieren – nach meiner festen Überzeu gung muss dies auch für die grundsätzlichen Weichenstellun gen bei der unternehmerischen Strategie gelten –, kann dies unserer gemeinsamen Sache, nämlich der Sache des Landes, nur dienlich sein.

Meine Damen und Herren, noch ein paar Worte zum EnBWDeal vom Dezember 2010. Ich habe in diesen Wochen seitens der Opposition und so manchen Vertreters der früheren Lan desregierung gehört: „Das Jahr 2011 kann man doch nicht mit 2010 vergleichen – u. a. wegen Fukushima und den Folgen. Damals war das ganz anders. Das war alles noch im Lichte der Laufzeitverlängerung. Daher ist das alles nicht vergleich bar.“

Durchaus einverstanden: Der Atomausstieg war eine Zäsur. Das kann man wirklich nicht wegdiskutieren. Aber eine In vestmentbank namens Morgan Stanley – in diesem Haus zwi schenzeitlich recht gut bekannt – hat in einem sogenannten Analystenbrief mit Datum vom 8. September 2010 die Chan cen und Risiken des Energiemarkts in Deutschland und auch der EnBW analysiert. Ich zitiere einmal die Überschrift. In diesem Analystenbrief heißt es wie folgt, zunächst in Eng lisch:

German utilities: fundamentally weak, policy risks not priced in, stay cautious.

Auf gut Deutsch: „Deutsche Versorger: fundamental schwach, Politikrisiken sind nicht eingepreist, bleiben Sie vorsichtig.“ Wie gesagt, das war am 8. September 2010.

Ich überlasse es jetzt Ihrer Interpretation bzw. aufseiten der Opposition Ihrem Erinnerungsvermögen, sich zu überlegen, warum die Regierung Mappus ausgerechnet mit dieser Invest mentbank gerade einmal drei Monate später auf die Idee kam, bei der EnBW einzusteigen – und nicht nur das, sondern da für auch noch einen Preis hinzulegen, der um 18 % über dem damaligen Börsenkurs lag und über den die EdF heute sagt – das wurde vorhin schon erwähnt –: Das Angebot war einfach zu attraktiv, um es auszuschlagen.

Wenn man dann noch weiß, dass der Aktienkurs der EnBW zu diesem Zeitpunkt schon kein echter Kurs mehr war – wa rum? es wurden nur 2 % der Aktien an der Börse gehandelt –,

(Zuruf von der CDU: Das war immer so!)

und wenn man sich dann zum Vergleich anschaut, wie der Kursverlauf z. B. der Aktien der RWE und von E.ON war, dann stellt man fest: Es gab im letzten Jahr zwei große Ver lierer im DAX, nämlich die großen deutschen Energieversor gungsunternehmen. Dafür gibt es ganz nüchterne Gründe. Man muss wissen, wie sich der Markt im letzten Jahr verän dert hat, wie die Margen an den Börsen waren, wohin diese Margen geflossen sind, wie sich die Kernbrennstoffsteuer, der Emissionshandel und all diese Dinge ausgewirkt haben. Das alles haben Sie schlicht und ergreifend ignoriert. So kamen Sie zu einem Preis, der um 18 % über einem aus meiner Sicht schon damals nicht mehr echten Börsenkurs lag.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Warum ha ben Sie dann so gejubelt?)

Genau diese Bank empfahl in ihrem Bericht zuerst, einen Ab schlag auf den Aktienkurs vorzunehmen. Ohne all diese Ana lyseergebnisse zu berücksichtigen oder zumindest einmal da rauf hinzuweisen, empfahl diese Investmentbank, wie bereits eben von mir erwähnt, drei Monate später einen Preis von 41,50 €.

Kommen Sie mir jetzt bitte nicht und sagen: „Das war die Bank.“ Sie hatten die Verantwortung für das, was damals ge macht wurde, und nicht die Bank. Sie hätten das auch igno rieren und sagen können: „Nein, wir machen das nicht. Die Risiken sind uns zu hoch.“ Sie tragen die Verantwortung für diesen Deal, der damals gemacht wurde.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen also: Die ganzen Probleme in diesem Zusammenhang sind nicht neu.

Einen weiteren Blick zurück, Herr Kollege Rülke, kann ich Ihnen auch nicht ersparen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Blicken Sie nach vorn!)

Schon in einer Bewertung aus baden-württembergischen In vestmentbankerkreisen vom 1. Dezember 2010, also eine Wo che vor dem Nikolaustag mit seiner besonderen Bescherung, wie wir sie im letzten Jahr erlebt haben, ist von einem deutli chen Anpassungsbedarf der Geschäftspolitik der EnBW die Rede. Die EnBW-Aktie notierte damals bei 36 €, und die Pro gnose für ein kurz- und mittelfristiges Ziel wurde von 40,50 € auf 37 € gesenkt. Dabei wurde aber davon ausgegangen, dass Effizienzsteigerungsmaßnahmen in Höhe von 400 Millionen € zu tätigen seien.

Damit nicht genug: Aus der Sicht der Bank am 1. Dezember – wir reden also nicht von damaligen Planungen der EnBW – wurde des Weiteren unterstellt, dass das Investmentbudget um 1,5 Milliarden € gekürzt und die angestrebten Verkäufe von Beteiligungen in Höhe von 2,8 Milliarden € realisiert werden können.

Dabei berücksichtigten die Investmentbanker bereits das Er gebnis aus dem sogenannten Kernenergiekompromiss – ich nenne das immer Laufzeitverlängerung –, mit anderen Wor ten: die Brennelementesteuer, die seit 2011 erhoben wird. Sie berücksichtigten auch den Kostenschub, der aus einer Voll auktionierung der CO2-Emissionszertifikate resultiert. Das

werden wir ab 2013 erleben. Die Emissionszertifikate werden nochmals eine zusätzliche Kostenbelastung für die Energie versorgungswirtschaft in Deutschland bedeuten.

Als Wettbewerbsvorteil der EnBW wurde die niedrige CO2Intensität der EnBW betrachtet. Andernfalls, so die Banker, wäre eigentlich eine Verkaufsempfehlung erfolgt. So hat man sich auf ein Halten der Aktien zum 1. Dezember 2010 verstän digt. Da stand aber nichts zum Kurspotenzial dabei oder da von, dass man beim Preis locker 18 % hinzugeben könne.

Ich empfehle Ihnen, dort einen Blick hineinzuwerfen. Sie wer den sehen: Die Welt war schon zu diesem Zeitpunkt eine an dere als die, die Sie sich damals ausgemalt hatten. Bereits vor den fürchterlichen Ereignissen in Fukushima und vor der Ver abschiedung des Kernkraftmoratoriums ist die EnBW in Ban kerkreisen keinesfalls als Schnäppchen eingestuft gewesen, und schon gar nicht mit dem von Ihnen dann gezahlten Preis.

Natürlich ist ganz klar, dass das Moratorium und der beschleu nigte Ausstieg aus der Kernenergie die EnBW mit einem Kernenergieanteil von über 50 % vor besondere Herausforde rungen stellt. Das kann man wirklich nicht in Abrede stellen. Nichtsdestotrotz resultiert das, was wir im ersten Halbjahr die ses Jahres vom Vorstand der EnBW präsentiert bekommen ha ben, natürlich auch nicht allein aus dem beschleunigten Aus stieg.

Ich empfehle Ihnen, einen Blick in den Halbjahresabschluss zu werfen. Dann werden Sie feststellen, dass der darin darge stellte Verlust seine Wurzeln vielleicht zu höchstens 50 % in den Ereignissen hat, die wir in diesem Jahr erlebt haben. Ein guter Teil dieses Minus geht aber auf Ereignisse vor dem De zember 2010 zurück. Das wurde vorhin schon vom Kollegen Schmiedel angesprochen, Stichworte EWE, VNG und man che andere Beteiligung.

Ich empfehle Ihnen also, einmal einen Blick in den Halbjah resbericht der Vorstandsvorsitzenden zu werfen. Darin steht auch noch manches andere. Man muss es nur lesen, dann stellt man fest: Der Ausstieg aus der Atomenergie war e i n Punkt.

Im Übrigen – Kollegin Sitzmann hat darauf hingewiesen – wusste man bereits im Jahr 2002, dass 2010 das Kernkraft werk Neckarwestheim I vom Netz geht und 2012 Philipps burg 1. Daher kann man den Ausfall, den wir durch die Still legung der beiden Anlagen erlebt haben, als Minus verbuchen. Aber die Rückstellungen für die Stilllegung dieser beiden An lagen hätte man eigentlich, wenn wir einmal ehrlich sind, in all den Jahren seit 2002 aufführen müssen. Denn niemand konnte wissen, dass es Menschen gibt, die auf die aus meiner Sicht verrückte Idee kommen, im September letzten Jahres in Deutschland eine Laufzeitverlängerung durchzuboxen.

(Abg. Peter Hauk CDU: Die Rückstellungen sind doch da! Das ist doch nicht das Thema!)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir, die Lan desregierung, müssen und werden aus haushaltspolitischer ebenso wie aus energiepolitischer Sicht aus dieser Situation, in die Sie uns in Baden-Württemberg letztlich gebracht ha ben, das Beste machen – wohlgemerkt aus haushalts- und energiepolitischer Sicht, nichts anderes.

Wir reden aber nun hier und heute auf Antrag der FDP/DVP über das Thema „EnBW fit für die Zukunft machen“. Das be trifft nicht die energiepolitische Sicht, sondern die unterneh merische Sicht, Herr Kollege Rülke. Diese Debatte hat im Landtag nichts zu suchen.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das könn te Ihnen so passen! – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Da wundert mich Ihr Thema für diese Aktuelle Debatte schon. Die Debatte darüber hat im Vorstand und im Aufsichtsrat der EnBW und nicht im Landtag stattzufinden. Hier ist selbstver ständlich zunächst die Geschäftsleitung, der geschäftsleiten de Vorstand der EnBW und nicht der Landtag gefragt. Bei die ser Frage reden wir über deren Kerngeschäft und deren unter nehmerische Verantwortung. Diese Begrifflichkeiten, Herr Kollege Rülke, sollten Ihnen und Ihren lieben Kollegen von der FDP/DVP – davon bin ich bislang ausgegangen – eigent lich nicht ganz unbekannt sein.

Die EnBW steht vor der Herausforderung, erfolgreiche unter nehmerische Strategien entlang des grundlegenden umfassen den Umbaus der Energieversorgung zu entwickeln. Hier ist unternehmerische Weitsicht gefordert. Dies alles sind natür lich schwierige Aufgaben für den Vorstand, aber auch für die Gesellschafter, die derzeit Debatten über eine Kapitalerhö hung führen. Aber ich glaube, man kann hier durchaus fest halten, dass diese Debatten über eine Kapitalerhöhung in ers ter Linie vom Vorstand geführt werden.

Wie Sie der Presse entnehmen können – der Finanzminister, Kollege Schmid, hat das, wie ich finde, sehr schön formuliert –, möchten wir nicht den Fehler begehen, den Sie im letzten Jahr begangen haben, nämlich hier überstürzt Entscheidun gen zu treffen, die wir hinterher dann wirklich schwer bereu en würden.

Die Reihenfolge, Herr Kollege Rülke, ist doch relativ einfach. Das Land als Anteilseigner hat den Vorstand aufgefordert, dem Aufsichtsrat eine tragfähige und zukunftsfähige Unterneh mensstrategie vorzulegen. Auf diese Strategie wartet man im Aufsichtsrat meines Wissens – ich bin ja kein Mitglied, aber nach dem, was ich weiß, ist das auf jeden Fall so – noch heu te. Diese Strategie wird dann im Aufsichtsrat und nicht hier im Parlament debattiert – nicht dass Sie auf die Idee kommen, die Politik des Gehörtwerdens bedeute, dass die Strategie an schließend hier im Parlament diskutiert wird. Noch einmal: Wir diskutieren diese im Aufsichtsrat und nicht hier im Ple num.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Aber über eine Kapitalerhöhung müssen wir schon im Parla ment diskutieren!)

Dann stellen wir uns die Frage, ob wir diese Strategie mit ei ner Kapitalerhöhung unterstützen können, wollen und müs sen. Das ist die richtige Reihenfolge, der wir uns unterwerfen, und nichts anderes.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Darüber darf man dann hier auch reden!)

Alles andere, Herr Kollege Rülke, wäre aus meiner Sicht un vernünftig; es wäre kurzsichtig, und wir würden es letztend

lich hinterher bereuen. Kurzum: Es wäre so, wie Sie im letz ten Jahr vorgegangen sind. Diesen Fehler – das kann ich Ih nen wirklich versprechen – werden wir auf keinen Fall ma chen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wir haben, um unsere Ziele so kostengünstig wie möglich zu erreichen, letztendlich nur einen Schuss, und dieser, Herr Kol lege Rülke, muss sitzen. Wir können nicht hingehen und sa gen: „Jetzt machen wir einmal eine Kapitalerhöhung.“ Dann stellt man vielleicht im nächsten Jahr fest, dass sie nicht reicht, und muss noch einmal ran. Wir haben e i n e n Schuss, um das Unternehmen zukunftsfähig zu machen.

Das Rating zu halten ist sicherlich nicht ganz unwichtig – um das klar und deutlich zu sagen. Aber selbst wenn aufgrund dessen, dass wir uns in diesem Prozess nicht drängen lassen, die Finanzierungskosten – so sage ich einmal – für ein paar Monate ansteigen sollten,

(Zuruf des Abg. Paul Nemeth CDU)

ist es meines Erachtens trotzdem auf Dauer mittel- und lang fristig für die Steuerzahler in Baden-Württemberg günstiger und letztendlich auch für das Unternehmen besser, dass wir uns die Zeit nehmen, über die strategische Ausrichtung des Unternehmens wirklich detailliert zu diskutieren, uns eine ge naue Analyse geben zu lassen und dann zu entscheiden, als hektisch, überstürzt und nicht ausreichend oder gar falsch zu reagieren.

Was sind die aktuellen Fragestellungen, die in diesem Zusam menhang einer Beantwortung bedürfen? Lassen Sie mich aus einem aus meiner Sicht umfangreichen Anforderungskatalog einmal vier wichtige Punkte in den Fokus nehmen.

Erstens: Der Vorstand muss den Anteilseignern die Frage be antworten, wie er mit den abgeschalteten und den noch abzu schaltenden Atomkraftwerken intern im Unternehmen umzu gehen gedenkt und umgehen will.

Zweitens: Der Vorstand muss den Anteilseignern auch die Fra ge beantworten, wie die EnBW in Zukunft die Zusammenar beit mit Stadtwerken gestalten kann und will – unternehme risch erfolgreich und über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg.