Protocol of the Session on February 17, 2016

Das Petitionsrecht – das wurde bereits festgestellt und gilt auch hier – hat ein hohes Ansehen, ist verdienstvoll und hat

sich bewährt. Aber – das wurde auch schon gesagt – es ist kein Zufall, dass in den allermeisten Ländern das Petitionsrecht in zwischen nach unten oder daneben ergänzt wird durch nied rigschwelligere Angebote; dies gilt für 25 EU-Mitgliedsstaa ten und für sehr viele andere große, entwickelte Nationen mit parlamentarischen Systemen. Einerseits gibt es Bürgerbeauf tragte, andererseits gibt es auch mit den Parlamenten verbun dene E-Petitionen oder Anhörungsverfahren. Also, es öffnet sich in vielfältiger Weise.

Das Verfahren war auch schon lange, bevor die Grünen über haupt im Parlament waren, erfunden. Wie Sie wissen, wurde es in Rheinland-Pfalz von Helmut Kohl installiert

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Oh! – Weitere Zurufe)

und wurde dann von Herrn Vogel nach Thüringen gebracht. Es ist ein Gesetz, das in drei Bundesländern von der CDU ein geführt wurde. Wenn Sie ein wenig Wortkunde betreiben, dann wissen Sie, dass das Thema des Bürgerbeauftragten viel länger von den Christdemokraten besetzt wurde als z. B. von den Bürgern. Das ist auch gut so.

Also, es wurde eingeführt: Es ist niedrigschwellig, damit es auch für Menschen funktioniert, die sonst keine Petitionen schreiben, und für Themen anwendbar ist, die man nicht in Petitionen ablegt. Herr Goll, wenn Sie sagen, das brauche kei ner, dann stimmt das insofern nicht, als diese Institution in an deren Bundesländern überall dort, wo sie existiert, sehr rege genutzt wird.

(Zuruf des Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP)

Das Wichtige ist: Diese Institution entlastet den Petitionsaus schuss. Sie haben in Ihrem Bericht hier im Dezember darge stellt, dass Sie ca. 6 000 Petitionen zu bearbeiten hatten. Es gab 40 Sitzungen, und pro Petitionsausschusssitzung wurden 150 Fälle behandelt. Pro Abgeordnetem sind das plus/minus 200 Fälle, die bearbeitet werden müssen. Das bedeutet insge samt – das haben Sie, wenn ich die Protokolle richtig lese, auch signalisiert – überwiegend eine große Überlastung des Petitionsausschusses.

Es macht durchaus Sinn und ist auch notwendig, zu überlegen, was ein Petitionsausschuss unbedingt selbst machen muss, da mit er für die Bürger zufriedenstellend arbeiten kann, damit er genügend in die Tiefe gehen kann, damit er auch einmal ei ne Anhörung oder einen Vor-Ort-Termin machen kann. Das geht keinesfalls bei 6 000 Fällen. Es geht um eine Art Aufga benkritik. Es geht, wie wir heute früh gesagt haben, tatsäch lich um Gestalten statt Verwalten. Wenn Sie so große Proble me signalisieren, wie im Bericht dargestellt, dann macht es doch Sinn, zu überlegen, ob nicht das Institut des Bürgerbe auftragten oder der Bürgerbeauftragten, das wir in anderen Bundesländern schon haben und das sich dort bewährt hat, ei ne korrekte Form der Entlastung darstellt. Ich glaube, nicht nur die Erfahrungen der Bundesländer, sondern auch die vie ler anderer Länder zeigen, dass man üblicherweise diesem Weg folgt und dass dieser Weg auch funktioniert.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ein Bürgerbeauftragter entlastet auch Sie als Abgeordnete. Sie haben es ja selbst gesagt: Sie alle sind ebenfalls Bürgerbeauf tragte. Natürlich sind Sie das. Sie werden von vielen Men

schen angesprochen. Sie wissen: Es gibt Dinge, die in den Pe titionsausschuss können. Sie wissen auch: Es gibt viele Din ge, die Sie nicht selbst erledigen wollen und können. Deshalb sind Sie froh und werden Sie froh sein, wenn es das Institut einer Bürgerbeauftragten oder eines Bürgerbeauftragten gibt. Das ist eine ganz klare Entlastung für Sie in Ihrer Rolle als Bürgerbeauftragte.

Der Petitionsausschuss wird durch eine Fokussierung seiner Arbeit, die sich dann arbeitsteilig entwickelt, eindeutig auf gewertet und nicht abgewertet. Das können Sie auch in der Literatur nachlesen. Schauen Sie sich einmal die anderen Bun desländer an. Man sollte auch einmal etwas zur Kenntnis neh men, was jenseits der Grenzen passiert. Man muss ja nicht nach Afrika fahren, man kann nach Rheinland-Pfalz fahren. Auch dort kann man etwas lernen. Den Petitionsausschuss als Misstrauen gegen die Verwaltung zu definieren, ist – –

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Gegen den Petitionsausschuss hat niemand etwas gesagt!)

Entschuldigung, ich habe mich versprochen, Herr Rülke. Ich meine den Bürgerbeauftragten.

Wenn Sie herumfahren, wo auch immer Sie sind, und über dieses Institut sprechen, finden Sie keine Literatur und keine Erfahrung – ich kenne keine –, die in diese Richtung denkt und argumentiert, sondern es wird als Entlastung, Ergänzung und Modernisierung der Verwaltungsaufsicht betrachtet und nicht als Misstrauen gegen die Verwaltung. Es wird als Un terstützung für ein besseres Verhältnis von Bürgern und Ver waltung in einem großen Rahmen angesehen. Es ist – so wür de ich einmal sagen – einfach eine paranoische Definition, die Sie hier vorbringen, bei der Sie nicht über die Landesgrenzen hinausschauen und keinen größeren Diskurs zulassen. Sie se hen nur Baden-Württemberg.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU winkt ab. – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Ja, und?

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Den brauchen wir nicht! Wir haben 23 Ombudsleute! – Gegenruf des Abg. Claus Schmiedel SPD: Herr Präsident, Herr Zimmermann macht schon wieder weiter! – Glocke des Präsidenten)

Gut, okay. – Jetzt noch kurz ein paar Sätze zur Polizei. Na türlich ist es nicht zwingend, dass der Bürgerbeauftragte auch die Funktion des Polizeibeauftragten hat, aber es spricht auch nichts dagegen. Denn in allen Anhörungen und in der Reali tät ist offensichtlich geworden, dass es Sinn macht, im Be reich der Polizei deutlich zu machen, dass es für Bürger und Polizeibeamte eine Stelle gibt, an die man sich wenden kann. Ich möchte Ihnen sagen: Ein solches Institut schützt die Poli zei. Jawohl, Transparenz ist meine ganze Arbeit. Ob in Unter nehmen, in Verwaltungen, wo auch immer, Transparenz ist ein wichtiger Schutz für die Leute, die dort selbst arbeiten, weil dann klar ist, dass es keine Gründe für Misstrauen gibt, weil es den Kollegen die Möglichkeit gibt, sich gewissermaßen an Standards zu messen. Das hilft den Vorgesetzten, das hilft den Mitarbeitern. Transparenz ist überall ein Schutz und eine Vo

raussetzung für Good Governance. Das gilt auch in der Poli zei.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wissen darum, dass man für seine Handlungen potenzi ell Rechenschaft ablegen muss – auch in sehr schwierigen Si tuationen –, ist immer ein Schutz und hilft einem bei der ei genen Kontrolle. Das gilt als menschliche Eigenschaft über all. Das gilt auch für Polizeibeamte, die in sehr schwierigen Situationen sind.

Ich habe in meinem Leben viel demonstriert –

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das glau ben wir! – Heiterkeit)

als ich jung war.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf: Warum?)

Ich kenne sehr gut die Situation beider Seiten.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Nein!)

Die wechselseitige Wahrnehmung von Polizisten und De monstranten als eine ziemlich existenzielle Situation ist kri tisch. Es ist auf beiden Seiten unerlässlich, dass ziviles und respektvolles Verhalten gefördert wird und möglich wird; es geschieht jedoch auch leicht, dass in solchen Situationen Din ge entgleiten. Gerade deswegen ist es sinnvoll, dass Polizis ten gewissermaßen den eigenen Schutz haben, zu wissen: Es gibt Personen und Möglichkeiten, mit denen ich mich ausei nandersetzen muss; das hilft mir auch in der Verhaltenskont rolle.

Das gilt genauso für Demonstranten. Das ist ein grundmensch liches Thema.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Sie hätten also nicht demonst riert, wenn es den Bürgerbeauftragten gegeben hätte?)

Nein, aber ich habe im Laufe meines inzwischen bis auf fast 70 Jahre angestiegenen Erwachsenwerdens gelernt, dass es Mechanismen gibt, die einem helfen, sich kontrolliert und zi vil zu verhalten. Dazu gehört soziale Kontrolle, und dazu ge hört das Bewusstsein, meiner Nachbarschaft Respekt entge genzubringen. Da wird es helfen. – Das ist alles, was ich sa ge.

Zum Thema Kennzeichnung: Sie wissen, dass ich als Grüne dafür bin. Aber sie ist nicht zwingend damit verbunden.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sind Sie für bei derseitige Kennzeichnung? – Abg. Karl Zimmermann CDU: Sie erkenne ich! – Zuruf der Abg. Edith Sitz mann GRÜNE)

Gut.

(Unruhe)

Die Frau Staatsrätin hat das Wort.

Gut, ich komme gleich zum Ende.

Ich will noch einmal sagen: Auch der Anwaltsverein hat sich massiv für dieses Thema eingesetzt. Es gibt einen Problem bereich, den auch Sie alle kennen: Die Polizei wird sehr häu fig mit Respektlosigkeit und Aggression belegt

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das stimmt! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Von Demonstran ten! – Abg. Karl Zimmermann CDU: War das früher auch so bei Ihnen?)

nein, war es nie –, von Demonstranten, auch von Besoffe nen, auch von Menschen, die außer Kontrolle geraten sind. Das ist eine schwierige Situation. In sehr vielen Fällen leisten Menschen Widerstand, erstatten Anzeige und werden wieder angezeigt. In den meisten Fällen hat sicherlich die Polizei recht mit ihrer Anzeige, aber nicht in allen Fällen. Das ist das, was die Anwälte monieren. Die Anwälte sagen: Der Bürger, der nicht so, wie die Polizei sagt, Widerstand geleistet hat, wird in der Regel trotzdem mit einer Anzeige belastet, und es gibt keine unabhängige Institution, an die er sich wenden kann. Der Innenminister hat im Ausschuss gesagt: Die Akzep tanz einer Zurückweisung einer Beschwerde ist in der Bevöl kerung viel höher, wenn sie von einer unabhängigen Person kommt, als wenn sie vom Dienstherrn kommt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Deswegen glaube ich, dass der Polizeibeauftragte da gute Dienste leistet. Im Übrigen sehen wir in Rheinland-Pfalz, dass häufig ganz harmlose Fälle kommen. Es geht um Beförderun gen, und es geht bei den Fällen, die von den Bürgern kom men, im Moment überhaupt nicht um große Übergriffe. Aber es ist eben eine Möglichkeit, speziell im schwierigen Feld der Polizei solche Themen anzusprechen.

Es spricht auch nichts dagegen, wenn Sie diesem Gesetz dann zugestimmt haben und es sich auf Dauer bewährt hat, den Zu ständigkeitsbereich des Bürgerbeauftragten auf die gesamte Verwaltung auszudehnen. Das Gesetz wird sicherlich in den nächsten Jahren evaluiert und dann von Ihnen selbst ergänzt und verbessert werden können.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Allgemeinen Aussprache liegen keine weite ren Wortmeldungen vor.

Wir kommen deshalb in der Zweiten Beratung zur A b s t i m m u n g über den Gesetzentwurf Drucksache 15/7862. Abstimmungsgrundlage ist die Beschlussempfehlung des Ständigen Ausschusses, Drucksache 15/8006. Der Ständige Ausschuss empfiehlt Ihnen, dem Gesetzentwurf mit Änderun gen in Teil 1 bei den §§ 1, 3 und 14 sowie in Teil 3 – Schluss vorschriften – der Aufhebung von § 23 zuzustimmen.

Sind Sie damit einverstanden, dass ich die Teile 1 bis 3 ge meinsam zur Abstimmung stelle? – Das ist der Fall.

Wer den Teilen 1 und 3 in der Fassung der Beschlussempfeh lung sowie Teil 2 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen.