Im Fußball würde man dazu sagen: Das war eine Blutgrät sche. Das lassen wir uns nicht gefallen; das kann nicht sein.
Wir sehen natürlich auch die Problematik wegen der Abgren zung zum Petitionsausschuss; wir wiegen ja Vorteile und Nachteile gegeneinander ab. Der Bürger kann aber den Peti tionsausschuss immer noch anrufen, wenn er eine Eingabe beim Bürgerbeauftragten gemacht hat. Nach Abschluss des Petitionsverfahrens kann sich der Bürger aber nicht mehr an den Bürgerbeauftragten wenden.
Kollege Sckerl hat es völlig richtig gesagt: Es ist ein nieder schwelliges Angebot. Der Bürgerbeauftragte kann Sprechstun den überall im Land abhalten, wenn er dies wünscht; das wä re auch vernünftig. Man kann ihm auch mündlich vortragen; es muss keine schriftliche Eingabe sein. Das ist also ein sehr unkomplizierter Weg, um als Bürger sein Anliegen loszuwer den.
Die Stellungnahmen in der öffentlichen Anhörung waren – das gebe ich zu – insgesamt sehr unterschiedlich. Auf der ei nen Seite haben der Landesverband Baden-Württemberg von
„Mehr Demokratie“, der Anwaltsverband Baden-Württem berg, der Bürgerbeauftragte von Mecklenburg-Vorpommern und die GdP alle vom Grundsatz her die Einführung eines Bür gerbeauftragten – ich drücke es einmal so aus – eher positiv gesehen, wenn auch teilweise mit Einschränkungen oder auch Ergänzungsbedarf. Manchen ging es zu weit, manchen nicht weit genug; das war ein sehr großes Spektrum. Lediglich der Beamtenbund, die Tarifunion Baden-Württemberg und die DPolG – ich habe es erwähnt – haben den Gesetzentwurf rundum negativ bewertet.
Es gibt also Argumente für, und es gibt – das gestehe ich zu – auch Argumente gegen den Bürgerbeauftragten. Ich bin aber der Überzeugung, dass bei einer vernünftigen Abwägung al ler Argumente die Einführung eines Bürgerbeauftragten sinn voll sein kann – auch wenn es bei manchen unserer Kollegin nen und Kollegen durchaus eine nicht immer leichte Entschei dung war. Es war keine 100:0-Entscheidung. Wir werden nachher aber einstimmig für diesen Gesetzentwurf stimmen – wie gesagt, auch wenn es manchmal schwer war.
(Lebhafter Beifall bei der SPD und den Grünen – Zu rufe von der CDU, u. a. Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch: Dein Beifall, Walter!)
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Es geht sicher nicht um den Weltunter gang, lieber Herr Kollege Heiler. Ich glaube aber, man muss auch die Äußerungen von Herrn Kusterer nicht gleich zur „Blutgrätsche“ „hochsterilisieren“ – um Ihren Scherz aufzu greifen.
Für uns Liberale ist der Fall eigentlich ziemlich einfach: Wir halten die Einrichtung des Bürgerbeauftragten ganz einfach für überflüssig und halten diesen für unnötig.
Das ist unser Ansatz. Im Grunde genommen wird wieder ein Stück Staat geschaffen, was auch Geld kostet und was keiner braucht. Das ist das, was passiert. In der Anhörung ist doch klar geworden – das wurde auch vonseiten der Regierungsko alition angedeutet, und das verlief sehr durchwachsen –: Es war auffällig, dass auch alle Befürworter des Vorhabens Haa re in der Suppe gefunden haben. Das zeigt uns, dass nicht nur der Ansatz falsch ist – weil überflüssig –, sondern dass auch die Durchführung schwach ist. Selbst der Bürgerbeauftragte von Mecklenburg-Vorpommern hat sehr eindrucksvoll darge
legt, warum die Regelung, wie sie jetzt geplant ist, schlecht ist. Es ist ein schnell zusammengeschustertes Ding auf der Zielgeraden; es musste als politischer Kompromiss noch schnell durchgedrückt werden. In etwa kennen wir ja den Hinter grund. Die Folgen sind unklare Regelungen im Großen und im Detail.
Ich frage mich: Wofür ist der Bürgerbeauftragte da? Wie ist die Aufgabe definiert? Er ist für die Verwaltung und für die Polizei da. Ist die Polizei keine Verwaltung? Warum ist er z. B. nicht für die Verwaltung und für die Schulen da oder für die Verwaltung und die Justiz? Nein, er ist für die Verwaltung und für die Polizei da. Worin soll da eigentlich der Sinn liegen?
Er ist Bürgerbeauftragter für die Verwaltung, insbesondere für die Polizei. Und dann die Zuständigkeit für die Polizei:
Es wurde der Wehrbeauftragte angesprochen. Aber das Profil des Wehrbeauftragten ist ziemlich klar. An ihn sollen sich die Angehörigen der Bundeswehr vertrauensvoll wenden können. Das ist seine Aufgabe. Aber glauben Sie, dass sich die Poli zeibeamten vertrauensvoll an einen Polizeibeauftragten wen den, von dem sie wissen, dass er eigentlich als kritisch gegen über der Polizei gemeint ist?
Übrigens, Herr Präsident, weil gerade der Zwischenruf in Bezug auf Herrn Sckerl kam: Eines ist mir schon aufgefallen: Kürzlich wurde der Kollege Schebesta hier als Lügner be zeichnet, und es ist kein Präsident eingeschritten.
Zum Polizeibeauftragten: Jeder kennt den Hintergrund. Es ist einigermaßen lächerlich, das zu leugnen. Die Kennzeichnungspflicht kommt nicht, da für kommt der Polizeibeauftragte.
So einfach ist das politische Einmaleins. Das ist also an die ser Stelle nicht klar geregelt, weil es im Grunde anders ge meint ist.
Es gibt unklare Regelungen auch noch an weiteren Stellen: Angesprochen worden ist das Verhältnis zum Petitionsaus schuss. Das Verhältnis zum Petitionsausschuss ist eigentlich völlig unklar.
Es gibt bei uns so viele Möglichkeiten, sich gegen behördli che Entscheidungen zu wehren, mit Behörden in Kontakt zu treten. Wir haben so viele kommunale Beauftragte, andere Be auftragte, auch branchenspezifisch, so viele Leute, die einem helfen, wenn man das Gefühl hat, die Verwaltung tue einem Unrecht. Wenn einem dann nichts mehr einfällt, dann gibt es noch das weite Feld des Petitionsausschusses.
Wir wissen genau, dass der Petitionsausschuss gut beschäftigt ist und auch künftig weiter gut beschäftigt sein wird, weil die Leute natürlich gern alle Möglichkeiten nutzen. Das ist auch in Ordnung. Trotzdem muss man für diese Möglichkeiten ein vernünftiges Maß finden.
Irgendwo sollte die Verwaltung auch noch ein bisschen zum Arbeiten kommen, statt sich nur mit Beschwerden zu beschäf tigen.
Ich habe davon gesprochen, dass natürlich ein Misstrauens antrag gegenüber der Polizei damit verbunden ist, den wir auch nicht für angemessen halten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte natürlich in meinem Amt als Staatsrätin für Zivilge sellschaft und Bürgerbeteiligung und als Regierungsmitglied und auch mit meiner Erfahrung als Sozialwissenschaftlerin – das werde ich gleich erklären – für diesen Gesetzentwurf wer ben, der natürlich einige Schwachstellen hat und auch bei vie len Leuten ein gewisses Bauchweh verursacht hat.
Warum werbe ich dafür? Es wurde ja von Hans-Ulrich Sckerl schon angesprochen: Nicht nur in Baden-Württemberg, son dern europaweit und auch weltweit gibt es eine große Diskus sion und eine veränderte Praxis zum Thema „Good Gover nance“, gute Verwaltungsführung. Das ist ein großes Thema. Dazu gehört natürlich in fast allen Ländern ein gut etabliertes Petitionsrecht. Das Petitionsrecht ist ja nicht nur die Abhilfe für einzelne Personen und Bürgerinnen und Bürger im Sinne von Bürgernähe bei Problemen, die sie sehen. Es ist letztlich ein Kontrollrecht des Parlaments gegenüber der Verwaltung. Das Petitionsrecht ist, wenn Sie die Literatur lesen, die Kon trolle Ihres Hauses über die Exekutive als ein wichtiges Ele ment, vom Bürger abgeleitet.
In diesen Petitionen werden nicht nur Einzelfälle bearbeitet, sondern sie dienen auch dem Erkennen von Schwachstellen in Abläufen und der Verbesserung von Verwaltungsprozessen und damit natürlich auch der Zufriedenheit nicht nur des ein zelnen Bürgers, sondern aller Bürger.
Das Petitionsrecht – das wurde bereits festgestellt und gilt auch hier – hat ein hohes Ansehen, ist verdienstvoll und hat