Protocol of the Session on November 25, 2015

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der Grünen und der SPD)

Obwohl die Gesetzentwürfe von den Fraktionen eingebracht worden sind und wir deshalb natürlich hinter den Entwürfen gestanden sind, haben wir uns die Anhörungsergebnisse ge nau angeschaut, die Augen offen gehalten für die Anregun gen, die gekommen sind.

Beim Thema Bürgerbeteiligung gibt es einerseits Rückmel dungen, dass man sich Sorgen macht um die repräsentative Demokratie. Es gibt die Auffassung, dass man nicht zu weit gehend in Elemente der direkten Demokratie einsteigen soll. Es gab andererseits Beiträge in der Anhörung, in denen gefor dert wurde, niedrigere Hürden für die Elemente der Bürger beteiligung in der Verfassung zu verankern. Wenn man beides zusammennimmt, ist uns vielleicht sogar ein ganz guter Aus gleich der unterschiedlichen Ansätze gelungen. Wir haben da mit einen guten Beitrag zu dieser Weiterentwicklung geleis tet.

Bei den Staatszielbestimmungen ist in der Anhörung die Fra ge gestellt worden: Wozu und – bei geringen Auswirkungen

warum ist es notwendig, weitere Staatsziele aufzunehmen? Wir wollen ganz bewusst die Belange, die wir als Staatsziele aufnehmen, unterstreichen, wollen damit Anerkennung aus sprechen und das als Handlungsmaßstab auch deutlich in der Öffentlichkeit wahrnehmbar darstellen.

Deshalb bleibt es dabei, dass wir als Staatsziel die Achtung der Würde von Kindern und Jugendlichen neu verankern und dass wir in der Verfassung den Schutz von Kindern und Ju gendlichen verstärken. Wir nehmen die Förderung gleichwer tiger Lebensverhältnisse im ganzen Land und den ehrenamt lichen Einsatz für das Gemeinwohl als Staatsziele auf. Gera de die beiden letzten Punkte waren uns in der CDU-Landtags fraktion sehr wichtig und tragen dem Rechnung, was wir an guter Entwicklung im Land haben, nämlich ein sehr breites ehrenamtliches Engagement und eine ausgeglichene Entwick lung im ganzen Land, in Städten und in ländlichen Räumen.

Wir nehmen beim Themenbereich Bürgerbeteiligung den Volks antrag neu in die Verfassung auf, durch den jetzt 0,5 % der Wahlberechtigten den Landtag verpflichten können, sich mit einem Thema zu befassen. Wir senken die Quoren für Volks begehren und Volksabstimmung und haben mit dem Volksab stimmungsgesetz, das als zusätzlicher Tagesordnungspunkt aufgerufen ist, Verfahrensregelungen getroffen.

Auch dazu gab es Wünsche und Anregungen im Beteiligungs verfahren, in der Anhörung. Wir sind im Vorfeld zu einem Ge samtpaket in diesem Bereich gekommen und haben deshalb dieses Gesamtpaket mit dem Ausgleich, der darin gefunden worden ist, nicht noch einmal neu aufmachen wollen.

Auch über die Namensänderung des Staatsgerichtshofs gab es keine politische Auseinandersetzung. Die Namensänderung vollzieht nach, was wir schon mit der Einführung der Landes verfassungsbeschwerde vollzogen haben.

Daher stimmen wir von der CDU-Fraktion ohne Änderungen dem, was zwischen allen Fraktionen vorbereitet worden ist, zu.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der Grünen und der SPD)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich das Wort Herrn Abg. Sckerl.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann unterstreichen, was der Kollege Schebesta gesagt hat. Das ist heute ein guter Tag für das Parlament. Wir haben in den letzten Jahren gut zu sammengearbeitet, haben Trennendes zurückgestellt und das Gemeinsame betont und machen damit eine umfangreiche Än derung der Landesverfassung möglich.

Sie besteht aus drei Teilen. Für uns politisch sehr wichtig ist der Teil, der sich mit dem Thema „Direkte Demokratie“ – Volksbegehren, Volksinitiative, Volksabstimmung – beschäf tigt. Das war der eigentliche Ausgangspunkt des gemeinsa men Bemühens um eine Änderung der Verfassung.

Die Triebkraft dafür war, dass Baden-Württemberg einmal das erste Land in der Bundesrepublik Deutschland war, das das Thema „Volksbegehren, Volksabstimmung“ in die Verfassung

aufgenommen hat, nämlich bereits im Jahr 1952. Aber gleich zeitig gilt bis zum heutigen Tag: Die Hürde, die für Bürgerin nen und Bürger mit einem Volksbegehren zu nehmen war, war so hoch, dass es in der Geschichte des Landes nur ein einzi ges Mal gelungen ist, aufgrund eines Volksbegehrens auch zu einer Volksabstimmung zu kommen. Das war im Jahr 1971, als es um die Auflösung des Landtags wegen der umstrittenen kommunalen Gebietsreform ging. Allerdings hat damals der Volksentscheid das notwendige Quorum nicht erreicht. Da nach gab es nur noch die vom Landtag beschlossene Volksab stimmung zum Themenkomplex Stuttgart 21 im November 2011.

Das zeigt in der Summe, dass tatsächlich Reformbedarf be steht. Denn Volksbegehren, Volksinitiative und Volksabstim mung müssen auch Instrumente sein, die realistisch im Land Baden-Württemberg erreichbar sind. Dafür schaffen wir jetzt die Voraussetzungen. Damit wird der Kernbereich von Lan despolitik ein großes Stück bürgerfreundlicher und besser zu gänglich. Bürgerinnen und Bürger können sich künftig mit Anliegen direkt an den Landtag wenden, und sie können, wenn sie mit der Antwort des Landtags nicht zufrieden sind, in einer zweiten Stufe ein Volksbegehren mit dem Ziel einer Volksabstimmung durchführen.

Das wollen wir gemeinsam. Das ist gut so. Weil es immer wie der einmal die bange Frage gibt: „Wollt ihr die repräsentati ve, parlamentarische Demokratie schwächen oder gar abschaf fen?“, sagen wir hier auch klar: Das wollen wir definitiv nicht, aber wir glauben, dass Formen der direkten Demokratie ein wichtiges Korrektiv für die parlamentarische Demokratie sein können. Wir sind davon überzeugt, dass die Instrumente, die wir heute einführen, dieses Ziel auch erreichen können.

Wir haben uns in einer zweiten Arbeitsrunde über Staatsziele verständigt und haben auch hier ein gutes Ergebnis erzielt.

Im Sinne einer schlanken Verfassung haben wir davon abge sehen, die Verfassung unnötig sprachlich aufzublähen. Es sind sehr präzise, verfassungsgemäße Formulierungen.

Es ist richtig, gleichwertige Lebensverhältnisse unter den heu tigen Voraussetzungen in Stadt und Land, in ländlichen Regi onen ebenso wie in Ballungsgebieten zum Ziel einer Landes verfassung zu erheben.

Genauso gilt es, das Ehrenamt in besonderer Weise zu unter stützen und zu stärken. Ich glaube, alle wissen, was in diesen Tagen mit dem Stichwort „Flüchtlinge kommen zu uns und müssen betreut werden“ gemeint ist. Nie war das Ehrenamt wichtiger als jetzt. Gleichzeitig ist unser Bundesland das Land des Ehrenamts schlechthin. Nirgendwo in Deutschland betä tigen sich mehr Bürgerinnen und Bürger ehrenamtlich als in Baden-Württemberg. Das Ehrenamt hat also eine hervorra gende Tradition und verdient es, als Staatsziel formuliert zu werden.

Das gilt schließlich auch für die Stärkung der Kinder- und Ju gendrechte. Wir wollen die Rechte der Kinder gegenüber der staatlichen Gemeinschaft stärken und gleichzeitig die Eltern mit ihrer Erziehungsaufgabe nicht alleinlassen. Kinder haben ein Recht auf bestmögliche individuelle Förderung und Ent wicklung ihrer Persönlichkeit. Das ist die Botschaft, die wir heute mit der Aufnahme dieses Staatsziels in die Landesver fassung verbinden.

Wir hätten gern gesehen, wenn auch Partizipationsrechte für Kinder und Jugendliche direkten Eingang in die Landesver fassung gefunden hätten. Das war ein Punkt, den wir dann ge meinsam zurückgestellt haben. Aber in der Begründung die ser Verfassungsänderung finden sich wichtige Hinweise, die, glaube ich, von den Akteuren in Zukunft zu beachten sind und die wichtig sind.

Nochmals herzlichen Dank an alle Kolleginnen und Kollegen aus der interfraktionellen Arbeitsgruppe, an alle Fraktionen, dass wir diesen Weg gemeinsam gehen konnten. Das Ergeb nis kann sich sehen lassen. Heute ist ein guter Tag für den Landtag.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie Abgeord neten der CDU und der FDP/DVP)

Für die SPD-Fraktion er teile ich das Wort Herrn Abg. Binder.

(Zuruf: Jetzt bin ich gespannt!)

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Jetzt, in der Zweiten und Dritten Beratung der Gesetze zur Änderung der Landesverfassung von BadenWürttemberg, wollen wir deutlich machen, dass eine Verfas sungsänderung erstens nichts Selbstverständliches ist und zweitens jede Änderung gut überlegt sein muss.

Wir haben uns in vielen Verhandlungsrunden sehr genau über legt, an welchen Stellen wir die Verfassung des Landes Ba den-Württemberg ändern wollen. Wir haben das in drei Tei len gemacht: beim Thema Bürgerbeteiligung, beim Thema Staatsziele und mit einer Änderung des Namens des Staats gerichtshofs.

Zum Thema Bürgerbeteiligung: Wir haben uns dafür entschie den, den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes mehr Betei ligungsmöglichkeiten zu geben. Die repräsentative Demokra tie funktioniert hervorragend; das beweist nicht zuletzt diese von allen Fraktionen getragene Änderung der Verfassung. Wir wollen die Quoren senken, wir wollen sie aber nicht abschaf fen. Wir wollen mit dem Instrument des Volksantrags eine nie derschwellige Möglichkeit geben, den Landtag von BadenWürttemberg mit Themen zu befassen, die einer großen Zahl von Menschen auf den Nägeln brennen. Ich glaube, das ist keine Gefahr für die repräsentative Demokratie, sondern eine Bereicherung, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Klaus Maier SPD: Aufwachen!)

Zum Thema Staatsziele: Mit Staatszielen haben Juristen manch mal ihre Probleme. Auch die Anhörung hat dies ergeben. Der Anwaltverein spricht von einer Verfassungslyrik bzw. Gesetz gebungslyrik. Aber – da ich selbst einer bin, kann ich dies den Juristen sagen – eine Verfassung hat nicht nur den Juristen zu dienen, sondern eben auch den Bürgerinnen und Bürgern die ses Landes.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: „Auch“!)

Es ist wichtig, mit Staatszielen deutlich zu machen, welche Themen dieses Land zusammenhalten, Respekt vor den Bür

gerinnen und Bürgern in diesem Land zu zeigen und Orien tierung zu geben, auch wenn aus den Staatszielen keine direk ten Anspruchsgrundlagen erwachsen. Aber insofern – um das Zitat des Kollegen Schebesta etwas abzuwandeln – zeigt es eben doch, welche Punkte dazu führen, ein Land in eine gute Verfassung zu bringen.

Ich meine, dass wir mit den Staatszielen Ehrenamt und „gleich wertige Lebensverhältnisse in unserem Land“ dem Rechnung tragen, was den Erfolg dieses Landes ausmacht.

Bei einem Staatsziel, bei den Kinder- und Jugendrechten, sind wir froh, dass zumindest ein Teil der Vorschläge übernommen worden ist, auch wenn wir sagen müssen, dass wir leider den wichtigen Teil, nämlich die Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen, eben nicht ändern können, weil es dafür keine Mehrheit gab. Es gab einige Verbände – u. a. auch der BDKJ –, die eine solche Änderung auch in der Anhörung nochmals gefordert haben. Vielleicht bekommen wir eine Stär kung der Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen in der Verfassung bei einer der nächsten Änderungen hin. Da für werden wir uns einsetzen, liebe Kolleginnen und Kolle gen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Zum Verfassungsgerichtshof: Der Staatsgerichtshof wird um benannt; es ist eine bloße Namensänderung. Dies soll dem Rechnung tragen, dass die Bürgerinnen und Bürger – nach dem Regierungswechsel durch den Justizminister dieses Lan des eingeführt – eine Verfassungsbeschwerde beim Staatsge richtshof einreichen können. Mit diesem Namenswechsel vom Staatsgerichtshof zum Verfassungsgerichtshof wird deutlich, dass es sich hier nicht nur um eine Klageberechtigung des Staates und seiner Institutionen handelt, sondern sich die Bür gerinnen und Bürger mittels einer Verfassungsbeschwerde an den Staatsgerichtshof bzw. – wie er dann neu heißt – Verfas sungsgerichtshof wenden können.

In diesem Sinn herzlichen Dank an die Kollegen, die in den letzten Jahren in morgendlichen Stunden

(Abg. Walter Heiler SPD: Ab 11 Uhr oder was?)

gemeinsam verhandelt haben, sodass es heute so harmonisch klingt. Ich meine, wir alle können mit diesem Ergebnis hoch – –

(Abg. Volker Schebesta CDU: Harmonisch ist!)

Es klingt in Ihren Reden harmonisch, liebe Kollegen, und es ist auch harmonisch. Schließlich: Es kommt selten vor, dass Kollegen der Grünen und Kollegen der SPD den Beifall für den Kollegen Schebesta befeuern müssen, wie wir es gerade erlebt haben.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Ulrich Lusche CDU und Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Insofern hat das „klingen“ schon seine Richtigkeit gehabt, lie ber Kollege Schebesta.

Auch bei einer so wichtigen Entscheidung wie einer Verfas sungsänderung darf, meine ich, der Humor nicht fehlen; denn der führt manchmal auch dazu, dass man richtige Einigungen erzielt.

In diesem Sinn wird auch die SPD-Fraktion diesen vorgeleg ten Verfassungsänderungen zustimmen.