Sind Sie bereit – wenn es eine Weiterführung der Broschüre gibt –, in dem Sinn vielleicht auch ein bisschen mäßigend da rauf hinzuwirken?
Wenn es eine Neuüberarbeitung gibt, dann kann man bestimmt im Bereich der Kommentierung noch einmal Dinge ergänzen. Aber die Grundtatsache, dass informiert wird, welche Mittel für Asylanten, deren Bescheide abgelehnt wur den, vorhanden sind, sehe ich weiter als notwendig an. Ich sa ge Ihnen auch, warum.
Durch das langjährige Versäumnis des BAMF, die Ankom menden rechtzeitig zu registrieren und mit ihren Bescheiden zu versehen, gibt es sehr viele Asylanten, die seit langer Zeit hier im Land leben. Sie werden betreut – in der Regel hinge bungsvoll und ohne Unterschied, ob es sich um Roma handelt oder um Bürgerkriegsflüchtlinge; die Flüchtlingshelfer möch ten da keine Unterschiede machen –, und dann kommen die se Bescheide. In manchen Fällen ist es tatsächlich so – das wissen Sie alle –, dass das den Menschen, die diese Familien betreut haben, schier das Herz bricht.
Wir wurden händeringend gebeten, in diese Broschüre aufzu nehmen, unter welchen Umständen man dann dagegen vorge hen kann. Wir legen darauf Wert – das wird auch in der nächs ten Broschüre noch viel deutlicher werden, weil sich jetzt auch die Rechtsgrundlage geändert hat; jetzt ist nämlich die Rück kehrberatung nicht mehr nur eine Option, sondern sie wird umfassend und für alle Flüchtlinge stattfinden –, dass diese Rückkehrberatung stark intensiviert wird. Wir raten auch da zu. Ich würde das in der nächsten Auflage auch noch stärker ausführen. Aber das Institut der Rechtsmittelbelehrung als ei ne subversive Unterwanderung des Staates darzustellen, fin de ich schon bedenklich. Jeder hat nach dem Grundgesetz die ses Recht.
Ich möchte Ihnen eines sagen: Vor Ihren Äußerungen gab es keine beleidigenden Mails. Wir haben einen Dankessturm aus dem ganzen Land für dieses Heft erhalten, von allen Institu tionen.
Es wird tausendfach bestellt – von der Polizei, von den Feu erwehren, von all den Menschen, die sich damit auseinander setzen. Nachdem von Ihnen suggeriert wurde, hier seien ille gale Praktiken zugange und wir würden zu illegalem Wider stand aufrufen, bekommen wir – nicht nur persönlich, sondern generell unsere Arbeit betreffend – Hassmails. Sie wissen, dass das in einer Kette damit steht, dass die Willkommenskul tur im Land geschwächt wird und man eigentlich diesen Men schen, die Flüchtlinge betreuen, sie behandeln und ihnen viel leicht einmal beim Asyl helfen, unterstellt, sie seien blauäu gige Gutmenschen.
(Abg. Volker Schebesta CDU: Gut, dass wenigstens der Innenminister ein zerknirschtes Gesicht macht! – Zuruf des Abg. Manfred Lucha GRÜNE)
Sie wissen, dass wir in diesem Land auch eine gefährliche Kultur von rechts außen haben, und Sie selbst stärken unzivi le Kräfte, indem Sie Dinge behaupten, die nicht wahr sind.
Ihre Suggestion einer Illegalität ist faktisch falsch, und sie hat Menschen ermutigt, uns quasi strafrechtlich relevant zu belei digen und zu bedrohen. Das passiert Amtsträgern überall. Le sen Sie die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom letzten Sonn tag. Da steht drin, wie viele Bürgermeister in Deutschland in zwischen bedroht werden, weil sie zur Flüchtlingsunterbrin gung Hallen einrichten oder weil sie Flüchtlingen helfen. Es geht uns doch darum, dass wir alle gemeinsam die Willkom menskultur, die wir weiterhin brauchen, unterhalten. Dazu ge hören auch unbequeme Asylwidersprüche, die ja dann in den meisten Fällen aber auch abgeräumt werden. Dazu stehen wir doch. Aber ich bitte Sie sehr, da zusammenzuhalten und nicht – –
„Abgeräumt“ heißt, dass am Ende, wie Sie wissen, 99 % dieser Leute abgeschoben werden müssen, es sei denn, sie werden geduldet. Das unterstützen wir.
Ich bitte Sie sehr, diese Willkommenskultur, die wir stärken, die auch viele von Ihnen nutzen – es haben ja auch viele von Ihnen dieses Buch bestellt und vertrieben –, nicht mehr zu schwächen, sondern diesen Weg mit uns gemeinsam weiter zugehen. Die Demokraten müssen bei diesem Thema zusam menstehen. Sie sollten sich nicht weiter von dem Kurs der Kanzlerin entfernen und Kräfte bedienen, von denen Sie im Internet lesen können. Denn solche Kräfte unterstützen Sie mit diesen Argumenten.
Vielen Dank. – Frau Staatsrätin, ich darf vorwegschicken, dass wir diese Broschü re vielfach gelobt haben. Ich selbst habe 50 Stück bestellt, warte auf die zweite Auflage, um sie auch zu verteilen.
Aber ich wurde jetzt nicht von irgendwelchen dubiosen Or ganisationen, sondern vielfach von Kommunen genau auf die se Seiten 76 bis 79 angesprochen. Es handelt sich um Kom munen, die das Material selbst gern einsetzen, aber sich ge fragt haben: Wieso muss das so explizit in der Broschüre ste hen? Warum kann man da nicht – wie Sie es auch beschrie ben haben – auf eine Internetseite verweisen? Das heißt, da kommen eben Sorgen auf, wenn dort Hinweise enthalten sind,
Deswegen konkret die Frage – Frau Staatsrätin, Sie haben das auch von den kommunalen Landesverbänden gehört; wenn Sie es nicht gehört haben, dann fragen Sie da einmal nach –:
Sind Sie bereit, bei Ihrer Neuauflage diese vier Seiten so zu reduzieren, dass dort nur noch der Hinweis auf eine Internet seite, auf das Innenministerium gegeben wird, damit das Gan ze hier etwas entschärft wird und diese wirklich gute Broschü re auch dementsprechend von wirklich vielen eingesetzt wird und nicht aus genau diesem Grund von einigen nicht mehr verteilt wird? Das wäre wirklich schade, weil diese Broschü re ein hervorragendes Beispiel ist.
Nach unserer Meinung ist es eine reine Informa tion. Wenn es zu einer Neuauflage kommt, können wir natür lich gern noch einmal mit allen Akteuren darüber reden, wo denn tatsächlich jetzt Fehlinformationen stehen oder „zu viel des Guten“ in den Informationen enthalten ist.
Aber ich bitte Sie, nochmals zu bedenken: Es richtet sich an die ehrenamtlichen Helfer; sie sind konfrontiert mit Familien oder einzelnen jungen Männern, die zu ihnen kommen und sagen: „Hier ist dieser Brief in dieser Farbe. Was steht da jetzt drin?“ Dann erfahren sie etwas, und dann sollte auch vermit telt werden – das werde ich vor allem ausbauen –: „Geht zur Rückkehrberatung. In der Regel ist die Rückkehr für euch der Weg, der besser für euch ist, der euch mehr Möglichkeiten er öffnet, als wenn ihr es jetzt auf die Abschiebung ankommen lasst. Das ist nicht der Weg.“ Das sollte auch deutlich werden.
Wir möchten aber nicht verschweigen, dass es Rechtsmittel gibt. Diese sollte man nicht nur in einer fernliegenden ande ren Stelle aufführen, sondern auch in diesem Handbuch, in dem sonst alles zu finden ist.
Herr Haußmann, ein Rechtsstaat ist immer unbequem. Ein Rechtsstaat zeigt sich daran, dass man auch Unbequemes zu gunsten der Rechtsstaatlichkeit tut.
Ich würde sagen, diskutieren kann man alles. Ich würde manche Akzente der Kommentierung tatsächlich er
weitern, vielleicht auch anders setzen, aber die Grundinfor mationen über die Rechtsmittel, die Menschen zur Verfügung stehen, würde ich nach dem Stand der Dinge beibehalten.
drängt sich mir die Frage auf: Teilen Sie meine Einschätzung, dass die Kirchen in Württemberg und Baden mit dem Instru ment des Kirchenasyls sehr verantwortlich umgehen – auch angesichts der geringen Fallzahl – und darüber hinaus auch sonst ihrer Verantwortung angesichts der Flüchtlingskrise, was Beratung, Unterstützung, Sozialdienste und Unterbringung von Flüchtlingen anbelangt, gerecht werden?
Ja, natürlich. Die Kirchen sind mit Caritas, Dia konie und als Kirchen selbst über lange Jahre mit die wich tigsten Akteure gewesen. Ihre Arbeit ist jetzt durch die aller größte zivilgesellschaftliche Bewegung, die ich je erlebt ha be – ich werde nächstes Jahr 70 –, ergänzt worden. Aber sie sind tragende Säulen, sie engagieren sich sehr, sie stehen hin ter diesen Inhalten, und gleichzeitig gibt es in Baden-Würt temberg nur vier Kirchenasyle. Denn die Praxis läuft darauf hinaus, die Menschen stark zur Rückkehr zu beraten.
Das Kirchenasyl ist kein Ponyhof, sondern es ist sehr schlimm für die Menschen, die Kirchenasyl erhalten, weil sie einge sperrt sind und die Kirche nicht verlassen können. Es ist sehr anspruchsvoll für die Kirchengemeinden. Niemand reißt sich ums Kirchenasyl. Es ist in der Tat eine Randerscheinung, über die in der Broschüre nur informiert wird. Es ist für sehr we nige eine reale Option. Aber die Kirchen haben diese Rolle.
Deswegen wundere ich mich bei der generellen Thematik über die Entfernung von Teilen der Partei CDU zu dem, was die Kirchen vertreten. Aber das ist eben so.
Ich wundere mich auch, wenn aus der liberalen Richtung die Aufforderung kommt, die Broschüre zurückzuziehen.
(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Moment, Mo ment, Moment! Das habe ich nicht gesagt! Langsam! Es ging um vier Seiten!)
Man kann über Änderungen reden. Aber es kam von zwei Sei ten, vor allem von der CDU, die dringende Aufforderung, das Ding aus dem Verkehr zu ziehen. Das finde ich sachlich un angemessen und politisch unverantwortlich, weil es falsche Eindrücke über die Grünen, die Staatsrätin und die Willkom menskultur erzeugt.
Vielen Dank, Frau Prä sidentin. – Frau Staatsrätin, können Sie mir bestätigen, dass auch andere staatliche Stellen, insbesondere das vom Innen ministerium des Bundes geführte Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, sowohl in Broschüren als auch auf ihrer Homepage in viel ausführlicherer Weise über das Rechtsver fahren beim Asylrecht informieren und dabei selbstverständ lich auch darstellen, welche Rechtsmittelmöglichkeiten es gibt? Ist Ihnen bekannt, ob die CDU im Bundestag oder im Landtag gefordert hat, diese Broschüren des Bundesamts zu rückzuziehen?