Protocol of the Session on October 1, 2015

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP/DVP)

Herr Ministerpräsident, Sie haben auch dem Prinzip „Sach leistungen statt Taschengeld“ zugestimmt. Allerdings haben Sie sich eine Hintertür geöffnet. Sie haben hier über Wochen und Monate lang anhaltenden Widerstand geleistet. Noch am vergangenen Mittwoch haben wir in derselben Debatte gehört – beispielsweise von der Kollegin Sitzmann –: Das geht gar nicht, das ist alles verfassungswidrig.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Sehr verkürzt! – Ge genruf von der CDU: So kennen Sie die Verfassung, Frau Sitzmann!)

Am nächsten Tag hat der Ministerpräsident dann dem zuge stimmt, was am Tag zuvor laut Frau Sitzmann noch verfas sungswidrig gewesen ist, nämlich dem Prinzip „Sachleistun gen statt Taschengeld“.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Sie wer fen da etwas durcheinander!)

Nur haben Sie sich die Hintertür offengelassen: „wenn der Verwaltungsaufwand vertretbar ist“. Ich sehe jetzt schon vo raus, was am Ende herauskommt. Dann erklärt die Landesre gierung: „Das haben wir geprüft,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

und der Verwaltungsaufwand ist nicht vertretbar, deshalb set zen wir es nicht um.“ Das Entscheidende ist, eben auch das Signal zu setzen.

(Zuruf von der CDU: Genau!)

Ich habe es in der vergangenen Woche schon erklärt: Der ser bische Ministerpräsident hat uns dazu aufgerufen, von Ta schengeldleistungen abzusehen, weil es in Serbien Arbeits kräfte gibt, die sich sagen: Ich bekomme in Deutschland mehr, wenn ich auf mein Asylverfahren warte, als wenn ich in Ser bien arbeite. „Diese Arbeitskräfte fehlen uns“, sagt der serbi sche Ministerpräsident, „hört auf damit!“

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Sie neh men alles für wahr!)

Das ist der Grund, warum wir mit Geldleistungen aufhören und auf Sachleistungen umstellen müssen. Verstecken Sie sich bitte nicht hinter irgendwelchen bürokratischen Argumenten, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Sie sprachen davon, dass man die Polizei stärken müsse. Das sehen auch wir so. Aber dann muss man sich die Frage stel len, ob es klug ist, zu sagen: Künftig blitzt die Polizei nicht mehr, sondern kümmert sich stattdessen um die Flüchtlings problematik. Wir, die FDP/DVP-Fraktion, wünschen uns und fordern wiederholt mehr Stellen bei der Polizei. Setzen Sie das von uns geforderte 1 000-Stellen-Programm um.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Im Übrigen haben Sie sich in Ihrer Regierungserklärung selbst gelobt für 16 neue Verwaltungsrichterstellen. Herr Minister Stickelberger ist gerade kurz hinausgegangen. Vielleicht fragt er gerade bei den Verwaltungsgerichten nach, wie es mit dem Antragsstau aussieht. Nach all dem, was man aus den Verwal tungsgerichten hört, ist dieser Antragsstau enorm. Ich habe ihn beim Flüchtlingsgipfel gefragt: „Reichen die 16 Verwal tungsrichterstellen?“ Darauf erwiderte er: „Ja.“ Mein Eindruck ist: Sie reichen eben nicht aus. Wenn man – siehe die Zahlen von vorhin – feststellt, es gebe bezogen auf die Zahl der Flüchtlinge nur etwa 1,5 % Abschiebungen, und dann sagt, es gebe ja diese und jene Probleme, dann ist der Antragsstau bei den Verwaltungsgerichten natürlich auch ein Teil des Prob lems. Deshalb reichen aus unserer Sicht diese 16 Verwaltungs richterstellen nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Die Einführung der Gesundheitskarte war eine alte Forderung, die Sie, Herr Ministerpräsident, immer wieder vor sich herge tragen haben.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Was sind denn das für despektierliche Formulierungen?)

Ja, ja, Frau Sitzmann. Ich komme gleich auf die grüne Frak tion zu sprechen. – Da ist allerdings zu klären, was gemeint ist bzw. wer jetzt für die Grünen redet, ob der Ministerpräsi dent oder die grüne Fraktion spricht. Herr Ministerpräsident, ich zitiere aus Ihrer gerade gehaltenen Regierungserklärung: „Keine Ausweitung des Leistungskatalogs“, haben Sie gesagt. Noch am 16. März 2015, also vor Kurzem,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Ein halbes Jahr her!)

ist in einer Publikation der Grünen, die mit „Im Grünen da heim“ überschrieben ist, folgende Aussage des Kollegen Lucha zu lesen. Manne Lucha, Vorsitzender einer Projektgrup pe, die sich in der Landtagsfraktion der Grünen mit Themen für Flüchtlinge beschäftigt

(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Sehr guter Mann!)

ja, guter Mann –, sagt:

Die Grünen wollen erreichen, dass der Leistungsumfang ähnlich ist wie bei allen gesetzlich Versicherten.

Was gilt denn jetzt? Gilt das, was die grüne Fraktion sagt, oder gilt das, was der Ministerpräsident sagt, dass es eben keine Ausweitung an Leistungen gibt? Diese Gesundheitskarte darf nämlich nicht zu einem zusätzlichen Pull-Faktor werden.

(Zuruf des Abg. Alexander Salomon GRÜNE)

Deshalb ist es auch falsch, diese Gesundheitskarte, wie es ges tern Staatssekretär Murawski in unserem Gespräch angekün digt hat, bereits in den Erstaufnahmestellen auszugeben.

(Abg. Winfried Mack CDU: Um Gottes willen!)

Wir halten es für richtig, wenn die Menschen, die auf die Kommunen verteilt werden, diese Gesundheitskarte bekom men, aber nicht die Menschen in den Erstaufnahmestellen und schon gar nicht so, wie es sich die grüne Fraktion so vorstellt, mit denselben Leistungen, die alle gesetzlich Versicherten in Anspruch nehmen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: Herr Rülke, den Umfang legt die Bundesregierung fest!)

Herr Ministerpräsident, Sie haben im Text Ihrer Regierungs erklärung geschrieben – ich zitiere –:

... die Landesregierung handelt, und zwar früh, koordi niert und kraftvoll.

Sie sprechen von „früh“. Sie haben eine Reihe von Entwick lungen verschlafen. Sie haben erst reagiert, als der Flücht lingsstrom angeschwollen ist. Sie haben wesentliche Entschei dungen, die notwendig sind, noch in der vergangenen Woche hier im Landtag von Baden-Württemberg blockiert.

(Zuruf von den Grünen: Was?)

Sie haben sich in einer Abstimmung gegen die Erklärung wei terer Länder zu sicheren Herkunftsländern ausgesprochen.

(Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Der Landtag be schließt das doch gar nicht!)

Und Sie haben erklärt: „Wir wollen eben nicht dieses Prinzip ‚Sachleistungen statt Taschengeld‘.“

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Früh und schnell zu reagieren ist etwas anderes, meine Da men und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Dann haben Sie von „koordiniert“ gesprochen. Dazu braucht Ihnen gar nicht einmal die Opposition etwas zu sagen. Da reicht, was Ihr Parteifreund, der grüne Oberbürgermeister von Freiburg, Herr Salomon, sagt.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Das schon wieder!)

Der spricht von Organisationsversagen. Es wird Ihnen also in Ihrer eigenen Partei nicht bestätigt, dass Sie koordiniert vor gingen.

Und Sie sprechen von „kraftvoll“. Der Oberbürgermeister von Heidelberg hat davon, dass in Heidelberg ein Drehkreuz ein gerichtet werden soll, aus der Zeitung erfahren, weil sich die dortige Abgeordnete und Ministerin bei einem Termin ver plappert hat.

(Zuruf von den Grünen: Was?)

Dies wird zunächst einmal bestritten; es wird gesagt, da sei nichts dran. Dann erfährt er wiederum aus der Presse, es wird jetzt doch dieses Drehkreuz mit einer Vervielfachung der Flüchtlingszahlen für Heidelberg durchgesetzt. Das ist alles andere als kraftvoll. Das ist Regierungschaos, Herr Minister präsident. Ihre Regierung ist in dieser Krise heillos überfor dert.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Sie wollten gestern in der Runde im Neuen Schloss einen Konsens herstellen. Ich habe deutlich gesagt, an einigen Punk ten – ich habe diese auch benannt – gibt es diesen Konsens. Es gibt diesen Konsens aber nicht, wenn Sie die Gesundheits karte bereits in den Erstaufnahmestellen einführen wollen. Es gibt diesen Konsens nicht, wenn Sie das Prinzip „Sach- statt Geldleistungen“ dadurch unterminieren, dass Sie sagen: „Da prüfen wir mal den Verwaltungsaufwand und stellen dann hin terher fest, der ist zu groß, deshalb setzen wir dieses Prinzip nicht um.“

(Zuruf des Abg. Alexander Salomon GRÜNE)

Vor allem gibt es diesen Konsens nicht, Herr Ministerpräsi dent, wenn Sie sich jetzt zurücklehnen wollen und erklären: „Wir haben jetzt alle notwendigen Maßnahmen umgesetzt. Wir haben gehandelt.