Stattdessen kommt die Wahrheit immer scheibchenweise ans Licht, so wie jüngst in der Sitzung des Lenkungskreises, als die Bahn erstmals Kostensteigerungen von 370 Millionen € eingeräumt hat, ohne sie allerdings konkret zu beziffern.
Ein Großteil der 121 Risikopositionen – wie nicht realisierte Einsparpotenziale oder das Grundwasserrisiko im Tunnel Den kendorf – sind von der Bahn bis heute nicht beziffert, ge schweige denn andiskutiert worden.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So wie Sie geht man doch mit einem Koalitionspartner nicht um! – Zuruf der Abg. Tanja Gönner CDU)
Dafür wurden Mehrausgaben in Höhe von 80 Millionen € aus dem Schlichtungsverfahren für das zweite Gleis zum Flugha fen, die Signalisierung, die Baumverpflanzungen und für den Steg einfach ausgeklammert. Das hat nichts mehr mit Kos tentransparenz und Kostenwahrheit zu tun.
denn bei den aktualisierten Gesamtkosten von 4,088 Milliar den €, die die Bahn seit Jahren vor sich herschiebt, hat man einfach den Inflationsausgleich weggelassen. Das macht für die Jahre 2009 bis 2011 nach unseren Berechnungen Zusatz kosten von 123 Millionen € aus.
(Abg. Volker Schebesta CDU: Wer ist jetzt „uns“? – Abg. Peter Hauk CDU: Jede Verzögerung 15 Millio nen €! – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/ DVP)
(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen – Abg. Hel mut Walter Rüeck CDU: Mir scheint, Sie sind sogar im falschen Kino! – Abg. Volker Schebesta CDU: Großes Kino ist das jedenfalls nicht! – Weitere Zuru fe von der CDU)
Des Weiteren wurden die Ausgaben für den Ausbau einzelner Bahnhöfe entlang der Murrbahn noch gar nicht beziffert. Das war aber eine Voraussetzung für den angeblich bestandenen SMA-Test. Diese Nachrüstungen werden notwendig, um die im Fahrplan festgelegte Zahl von 49 Zügen in der Stunde zu erreichen.
Kein Wort auch zu den gemäß DB-Risikopapier bestehenden Risiken von 130 Millionen € wegen erhöhter Transport- und Deponiekosten. Davon haben wir bekanntlich nicht von der DB selbst, sondern aus dem Internet erfahren.
Allein durch den Bau der Großen Wendlinger Kurve fällt mehr Abbruch- und Aushubmaterial an. Wir wollten wissen, wie viel, und vor allem, was es kostet. Denn eines ist auch klar: Die Landkreise in der Region Stuttgart haben bereits fixe Ent sorgungsverträge mit einer Mengendeckelung abgeschlossen. Ich weiß nicht: Wo soll das Material hin?
Statt neuer Antworten tauchen also immer mehr Fragen auf, und wir stoßen leider oftmals weiterhin auf eisernes Schwei gen. Auch auf ein nachvollziehbares Brandschutzkonzept für Notfälle im Bahntunnel warten wir noch heute. Aussage der DB: Wenn der Zug brennt, fährt er halt brennend wieder aus dem Tunnel heraus.
Für uns Grüne ist klar, dass es für diese Mehrkosten keine ge sonderte Finanzierungsvereinbarung geben wird. Das sagen wir ganz klar. Sie müssen allein von der Deutschen Bahn ge tragen werden.
Im Koalitionsvertrag haben wir mit den Sozialdemokraten ei nen Kostendeckel von 4,526 Milliarden € vereinbart, und der gilt.
Bleibt festzuhalten: S 21 bringt weniger Bahnverkehr für mehr Geld. Das Projekt ist auch ein Sinnbild dafür, wie an den In teressen der Bürgerinnen und Bürger sowie an den Parlamen ten vorbeigearbeitet worden ist.
Stuttgart 21 ist ein gesellschaftlicher Spaltpilz geworden. Hierzu hat die Deutsche Bahn durch ihre Verschleierungspo litik entscheidend mit beigetragen.
Die wahren Fakten kamen immer erst durch Medienberichte ans Tageslicht. Deshalb ist es pervers – das muss ich schon sagen –, dem Verkehrsminister des Landes Baden-Württem berg vorzuwerfen, er treffe keine klaren Aussagen zu Kosten. Er bekommt sie von der Bahn doch gar nicht.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Volker Schebesta CDU: Doch, trifft er! Er trifft eine ganz klare Aussa ge! Er hat eine klare Aussage gemacht!)
Wenn der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg die Sprechklausel zieht und als Antwort bekommt: „Das ist Sache der Projektpartner; die müssen sich einigen“, dann ist das eine Unverschämtheit. Das muss man einmal ganz klar sagen.
Jetzt zum Stresstest. Auch da wurde geschummelt. Aus einer „guten“ Betriebsqualität wurde plötzlich eine „wirtschaftlich optimale“ Betriebsqualität, damit man in der Spitzenstunde 49 Züge in den Tiefbahnhof pressen kann. Statt Verspätungen abzubauen werden sie mitgeschleppt.
Besonders drastisch sind die Auswirkungen auf das S-BahnSystem in der Region Stuttgart, das durch den Wegfall eines Zufahrtsgleises künftig an seiner Leistungsgrenze betrieben wird. Verspätungen im System sind laut SMA-Audit vorpro grammiert, was Hunderttausende von Pendlern zu spüren be kommen. Da können wir dieses Projekt doch nicht allen Erns tes weiterbetreiben. Wo ist dann der Fahrzeitgewinn, und wo ist der Verspätungsabbau? Genau das ist die Mogelpackung, auf die Sie, die CDU-Fraktion, hereingefallen sind.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wie gut, dass Sie kritisch sind! – Zuruf der Abg. Tanja Gönner CDU)
Wir Grünen bleiben dabei: S 21 ist ein Milliardengrab, zumal 95 % der Kostenrisiken erst ab dem Jahr 2013 auftreten. Wir brauchen keine Geisterbahn, sondern eine Zukunftsbahn, die eine umweltfreundliche Mobilität garantiert.
Mit etwa der Hälfte des Geldes für S 21 könnten wir zahlrei che Bahnprojekte wie die Elektrifizierung der Südbahn von Ulm nach Friedrichshafen,
(Lebhafter Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Bern hard Lasotta CDU: Warum sind Sie so verbittert? – Heiterkeit – Beifall bei Abgeordneten der CDU)